In der Sitzung der Initiative »Faire Vergaben« am 6.4.2018 wurde von 14 Bundesinnungsmeistern der Bau-Branche beschlossen, ein Positionspapier zum Bundesvergabegesetz 2018 den Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern des zuständigen Verfassungsausschusses vor seiner Sitzung am 11.4.2018 zu übersenden. Dies sollte als letzter Rettungsanker verstanden werden, bevor unserem Vergabegesetz die letzten Kanten genommen werden. Dies hilft vor allem den Hausverwaltungen (Wiener Wohnen) und den Wohnbaugenossenschaften, welche nun ungeniert ausschreiben dürfen, was sie wollen, und mit ihrer Marktmacht die Billigflieger noch weiter runterdrücken können. Dem Sozialdumping ist damit Tür und Tor geöffnet.
Die Initiative »Faire Vergaben« (wie gesagt mit 14 Bundesinnungsmeistern direkt aus der Praxis) haben also ihre Volksvertreter um folgende Punkte gebeten:
2. Einräumung von Parteienrechten für Interessenvertretungen (Antragslegitimation zur Nachprüfung von Ausschreibungen)
Gemäß Art 83 der Richtlinie 2014/24/EU bzw Art 99 der Richtlinie 2014/25/EU haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die Anwendung der Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe von einer oder mehreren Behörden, Stellen oder Strukturen überwacht wird. Die Richtlinie spricht in diesem Zusammenhang von »Überwachungsbehörden oder -strukturen« und geht damit über den bloßen Rechtsschutz hinaus.
Die Regierungsvorlage zu einem Bundesvergabegesetz 2018 sah jedoch keine derartigen weitergreifenden Maßnahmen bzw. Überwachungsmöglichkeiten vor (also keine richtlinienkonforme Umsetzung in diesem Bereich) und wird aus Sicht der Sozialpartner-Initiative daher als kritisch beurteilt. Nachdem konstruktive Vorgehensweise, und nicht reine Kritik an den Politikern, unser Denken prägt, schlugen wir also den Ausschussmitgliedern wie folgt vor:
Eine relativ einfache und kostengünstige Alternative ist die Einräumung von Parteirechten für Interessenvertretungen für bestimmte Fälle von anfechtbaren Entscheidungen (um vor Angebotsöffnung ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Ausschreibungsunterlagen beantragen und diese auf Gesetzmäßigkeit prüfen lassen zu können). Dies stünde insbesondere auch im Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung, in der sich deutliche Tendenzen im Hinblick auf einen »offeneren« Zugang zum Vergaberechtsschutz abzeichnen (vgl. die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 23.9.2016, GZ 405-5/18/-2016, in welcher [erstmals] nicht ein Bieter selbst, sondern eine Interessenvertretung im Interesse ihrer Mitglieder einen Nachprüfungsantrag eingebracht hat und damit durchgedrungen ist).
Die Einräumung von Parteirechten für gesetzliche Interessenvertretungen
• ist eine »Struktur« im Sinne der Richtlinie 2014/24/EU;
• gewährleistet einen effektiven Vergaberechtsschutz in Fällen von grundlegender Bedeutung;
• baut auf bereits vorhandenen Strukturen auf;
• ist für die öffentliche Hand kostenneutral;
• kann legistisch ohne umfangreiche Änderungen in das bestehende System des Vergaberechtsschutzes eingefügt werden (z.B. im Bundesbereich durch einen neuen Abs 3 in § 334 BVergG 2018 mit dem vorgeschlagenen Wortlaut): „(3) Innerhalb der Fristen des § 343 hat das Bundesverwaltungsgericht Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen sowie Aufforderungen zur Abgabe eines Teilnahmeantrages zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz im Hinblick auf die Bestimmungen zur Ausschreibung zu prüfen, sofern Bundesarbeitskammer, Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, Landwirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Österreichischer Gewerkschaftsbund oder Wirtschaftskammer Österreich dem Bundesverwaltungsgericht vollständige Unterlagen übermitteln. Abs. 2 Z 1 und 2 gelten sinngemäß.“
In der Praxis ist eine Aufforderung zur Nachprüfung einer Ausschreibung – ob diese mengentechnisch falsch ist, ob überhaupt vergleichbare Angebote vorliegen, ob wirklich jeder das Richtige angeboten hat, ob einzelne Positionen einfach »vergessen« wurden, ob künstliche Positionen vielleicht »geschaffen« wurden um Insidern einen Vorsprung zu geben, ob Normen nicht eingehalten oder ignoriert wurden, uvm. – natürlich sehr problematisch. Immerhin muss ja ein Anbieter (=Kunde und potentieller AN) seinem potentiellen AG sagen, dass er was falsch gemacht hat. Damit macht sich keine Firma bei Auftraggebern beliebt. Ganz zu schweigen davon, dass diese Firma ja zusätzliche Arbeit verursacht. Na, wo kommen wir denn da hin, wenn da Firmen auch noch aufsässig werden wollen???
Deshalb kommen viele Firmen zu ihrer Innung und bitten hier um Hilfe und einen neutralen Einspruch, ohne offenzulegen, von wem das kommt. So hätte die Firma auch in Zukunft die Chance, zu Ausschreibungen des Auftraggebers eingeladen zu werden.
Diese Unterstützung der Innungen war bisher nicht möglich, da nur Beteiligte am Vergabeverfahren solche Anträge stellen dürfen. In extremen Fällen (meist Ausschreibungen der Gemeinde Wien) haben die Innungen also zu dem Mittel greifen müssen, eine Firma in den Vergabeprozess »einzuschleusen«, welche dann die Antragslegitimation hatte. Das Risiko trug natürlich die teilnehmende Firma. Alle – sehr aufwendigen – Prozesse wurden auch gewonnen!
Mit anderen Worten, es sollen nur diejenigen »aufmucken« dürfen, welche auch das Risiko tragen, dann nicht mehr eingeladen zu werden, die als unbequem gelten und auf einer (natürlich nicht vorhandenen) schwarzen Liste stehen. Wer also das wirtschaftliche doppelte Risiko (Kosten des Verfahrens und Gefahr der Ausschließung von Ausschreibungen) nicht tragen will – soll doch einfach stillhalten, ducken und durchtauchen. Eine Auflehnung gegen öffentliche Auftraggeber – na, wo kommen wir denn da hin?
3. Normierung klarer Vorgaben für die vertiefte Angebotsprüfung
In der Praxis besteht häufig Unklarheit darin, mit welchen Rechtfertigungen eines Bieters seine kalkulatorischen Ansätze so aufgeklärt werden können, dass die »Preisangemessenheit« bzw. die »betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit« gegeben sind. Diese Unsicherheit bei der vertieften Angebotsprüfung geht insbesondere darauf zurück, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung der Preisangemessenheit zum Teil eine sehr weitreichende Rechtfertigungsmöglichkeit für die Bieter zugelassen hat (so z.B. VwGH 25.1.2011, 2008/04/0082, wonach eine Unterdeckung umgelegter Lohnnebenkosten nicht grundsätzlich als unzulässig qualifiziert wird). Die Unterlassung der geforderten Normierung klarer Vorgaben für die vertiefte Angebotsprüfung ist für die Sozialpartner-Initiative vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar und wird als kritisch betrachtet. Eine Verbesserung der Regeln für die vertiefte Angebotsprüfung wird daher dringend angeregt. Die Sozialpartner-Initiative hat in interner Diskussion bereits einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet, der kurzfristig vorgelegt werden kann.
Leider wurde auch hier nicht auf unsere Forderungen eingegangen. Eine verpflichtende, vertiefte Angebotsprüfung hätte viele »Billigflieger« ferngehalten und endlich einmal zum Kalkulieren gezwungen. Das wollte man aber anscheinend sogar verhindern. Der billigste Preis ist nach wie vor das oberste Ziel. Dabei hat schon unser Opa gewusst: „Wer billig kauft, kauft teuer!“
Den prüfenden Beamten beim öffentlichen Auftraggeber trifft hier die wenigste Schuld. Denn prüft einmal einer von sich aus, was er natürlich jederzeit kann, muss er sich im Nachhinein noch vor seinem Chef rechtfertigen, warum nun der Teurere bei der Vergabe zum Zuge kommt. Was stellt er sich denn vor, wer den Aufpreis jetzt rechtfertigen soll??
Diese verkehrte Gedankenwelt zeigt auch unser Abgeordneter zum Nationalrat, RA Dr. Hannes Jarolim (SPÖ-Justizsprecher), wenn er zu Punkt 3 unseres Positionspapieres wie folgt ausführt:
Die 3. Forderung verkennt auch völlig, dass die vertiefte Angebotsprüfung eine anspruchsvolle betriebswirtschaftliche Aufgabe ist, die sich je nach Auftragsart und Branche sehr unterschiedlich darstellt. Die Regierungsvorlage enthält diesbezüglich ausreichend konkrete Vorgaben. Auch besteht eine gesicherte Rechtsprechung dazu. Jede Detailregelung für die Kalkulationsprüfung würde das Vergabegesetz noch mehr aufblähen und im Einzelfall zu Widersprüchen und Missverständnissen führen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, einen von den Normadressaten kaum noch lesbaren Gesetzesentwurf mit 382 Paragrafen und 21 Anhängen (alleine im Artikel 1) durch kasuistische Detailregelungen noch weiter aufzublähen.
Deshalb wird auch diese Informationsoffensive weitergehen, und wir werden Stück für Stück die Probleme des neuen BVergG aufzeigen. Jedes negative Ausschreibungsbeispiel oder jede chaotische Baustelle, die ihr an uns sendet, wird von uns untersucht werden, ob man das nicht verhindern hätte können. Leider haben es unsere Politiker ja nicht nötig, auf Leute aus der Praxis zu hören.