Ich gehöre zu denen, die am Tisch die Augen verdrehen und sich um den Zustand der Welt sorgen, wenn die Hälfte der Anwesenden ihre Nase in ihrem Dumbphone vergraben. Genauso reagiere ich, wenn der neueste Kühlschrank (schon wieder) vorgestellt wird, der mir nun dank Innen-Kamera und Amazon-Anbindung das letzte bisschen selbstständiges Denken abnehmen will. Ist das Kurzzeitgedächtnis des modernen Menschen tatsächlich schon so weit dementiert, dass er sich nicht einmal mehr auf dem Weg zum Supermarkt merken kann, was im eigenen Kühlschrank war – zumal es ja ohnehin nicht viel sein kann, denn sonst ginge man ja nicht einkaufen!
Alles im Haus ist vernetzt und automatisch, erspart mir viel Arbeit, sagt mir wo gerade die Sonne steht, übernimmt das Denken für mich und liefert so nebenbei mein ganzes protokolliertes Leben beim jeweiligen (hier bitte persönlichen Lieblingshasskonzern einfügen) ab.
Auf der anderen Seite steht die Technikbegeisterung, die sich mir wohl durch etliche Science Fiction-Filme meiner Kindheit und Jugend auf ewig in meine Synapsen per Superlaser aus einer gigantischen »das ist kein Mond sondern eine Raumstation« und aus »Deflektroschüsseln emittierten Tachyonenstrahlen« unwiderruflich eingebrannt hat.
Alternative Antriebe mit intelligenter Ladestation in der Garage, eine unerschöpfliche Energiequelle auf dem eigenen Dach, Lichtszenarien auf Knopfdruck, oder noch besser per Sprachbefehl und vieles mehr lösen in mir immer wieder diesen „boah, will ich haben“-Reflex aus. Dabei ist vieles doch so unnötig oder? Bin ich wirklich schon so faul, meine Jalousien per Hand herabzulassen? Macht es nicht viel mehr Spaß, nach einem heißen Sommertag mit dem Gartenschlauch (oder der Gießkanne mit eigenem Brunnenwasser vorzugsweise natürlich) eine gemütliche abendliche Runde durch den nach Wasser lechzenden Garten zu drehen? Oder wäre es vielleicht doch besser den Gelsen den heutigen Tanz im Garten zu verweigern, eine automatische Bewässerung zu installieren und damit gar Wasser zu sparen, da es so auch wirklich nur dort hingelangt wo es gebraucht wird und zwar in der richtigen Menge? Ist man am Ende eines heißen Sommertages gar den Jalousie dankbar, dass sie automatisch zugemacht haben, als die Sonnenstrahlen dabei waren das Schlafzimmer in eine schwüle Tropenhöhle zu verwandeln – und damit auch den Energieverbrauch für die Klimaanlage reduzierte?
Ich glaube es ist erkennbar worauf ich hinaus will. Die Beispiele ließen sich noch eine Weile fortsetzen. Alles hat ein Für und Wider.
Die Welt dreht sich aber nun einmal weiter. Heute hinterfragt auch keiner mehr, ob es besser ist, seinen Fußboden zu dämmen und per Estrich zu stabilisieren oder einfach Holzdielen in festgestampfte nackte Erde zu legen wie vor hundert Jahren. Ein modernes Gebäude steckt so voller Elektronik, dass es einer vernünftigen Lösung bedarf. Bündelt man diese nicht in einem, nennen wir es wegen der Einfachheit »Smart Home«, wird man sich über kurz oder lang in den unzähligen Apps und Steuerungstools von Heizung, Klimaanlage oder Toaster verheddern.
Die Vorteile sind unbestritten: Vollelektronische Heizung, Lüftung und Klimatisierung sorgen für perfektes und schimmelfreies Raumklima, selbst erzeugte (erneuerbare) Energie und dessen optimale voll automatisierte Verteilung zur richtigen Zeit, sorgt für eine niedrige Stromrechnung und nicht zuletzt für eine saubere Umwelt. Und ja, es kann durchaus viel Lebenszeit gewonnen werden, wenn man dank »Alle Lichter aus«-Schalter an der Eingangstür nicht jedes Mal beim Verlassen des Hauses alle Zimmer auf Licht kontrollieren muss. Was man mit der gewonnenen Zeit anstellt, bleibt einem selbst überlassen – man könnte sie ja in eine Gedächtnis Trainings-App investieren… oder einfach einen Spaziergang machen.
Am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Funktionen sinnvoll erscheinen und nicht zuletzt welche Informationen man durch Vernetzung bereit ist, an Konzerne weiterzugeben. Sich Neuem prinzipiell zu verschließen, bringt einen selbst jedoch in den seltensten Fällen weiter.