Das Internet hat viele Lebensbereiche revolutioniert, so auch unsere Einkaufsgewohnheiten. Das bringt weitreichende Konsequenzen für Produzenten und Handelsunternehmen gleichermaßen mit sich. Die Betrachtung der nackten Zahlen für sich ist schon beeindruckend: So macht bereits heute der Online-Handel europaweit mehr als 10 % des gesamten Handelsvolumens aus. Bis 2025 soll der Anteil auf bis zu 40 % wachsen.
Es ist klar, dass sich weder Händler noch Produzenten diesen Entwicklungen verschließen können, ohne ein zum Teil dramatisches Umsatzrisiko einzugehen. Man muss anerkennen, dass sich das Käuferverhalten drastisch geändert und dass in Zeiten des Angebotsüberschusses die Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse an oberster Stelle eines jeden marktorientierten Unternehmens zu stehen hat. Somit ist es eine der Notwendigkeiten von marktorientierten Unternehmen, heute noch viel mehr als früher, seine Kunden wirklich zu kennen und sich noch intensiver mit dem zum Teil stark geänderten Konsumentenverhalten auseinanderzusetzen.
Wenn nun Studien bereits von den nächsten Entwicklungen wie Smartphone-Shopping und Mobile-Commerce sprechen bzw aufzeigen, dass nun auch die »Generation 50+« technologieaffiner wird und zunehmend die Vorteile erkennt, die der Online-Bereich für sie bringt, ist erkennbar, mit welcher Dynamik Änderungen im Konsumentenverhalten stattfinden, die sich auf Produzenten und Händler gleichermaßen auswirken.
Ebenfalls unbestritten ist die Tatsache, dass mit dem Trend zum e-Commerce einige zum Teil bedenkliche Entwicklungen stattgefunden haben: Zum einen ist eine starke Konzentration im Online-Handel festzustellen, die – sollte sich die Entwicklung fortsetzen – von Kartellbehörden sicherlich bald genauer betrachtet werden wird. So erwirtschafteten 2013 in Deutschland die zehn größten Online-Player 37,1 % des Gesamtumsatzes – 2012 lag der Anteil noch bei 32,3 %. Bei Online-Marktplätzen liegt überhaupt ein Quasi-Duopol – bestehend aus Ebay und Amazon – vor.
Zum anderen ist davon auszugehen, dass der stationäre Handel weiter unter Druck kommt und nicht alle Ladenlokale überleben werden. Dennoch: Auch wenn niemand die weitere Entwicklung der beiden Vertriebskanäle zu prognostizieren vermag, ist davon auszugehen, dass in Zukunft sowohl der stationäre Handel wie auch der Online-Handel einen fixen Platz im Handelsgeschehen einnehmen werden und dass sich – getrieben durch die Kundenerwartungen – die beiden Kanäle immer mehr annähern bzw. miteinander verschmelzen werden.
Die Umwälzungen im Handel haben allerdings noch viel weitreichendere Entwicklungen mit sich gebracht: Auch wenn einige Marktbeobachter von der zweiten Generation des Online-Handels sprechen, in welcher Qualitätskriterien in den Vordergrund rücken, spielt der Preis nach wie vor eine große Rolle im Internet-Handel; die Warenpräsentation wie auch andere, dem stationären Handel inhärente Vertriebsaufgaben rücken verstärkt in den Hintergrund. Weiters wird im Online-Bereich versucht, den globalen Trends bestmöglich Rechnung zu tragen. Ein gutes Beispiel ist der Megatrend »digitale Regionalisierung und zunehmender Lokalbezug«, der im stationären Handel schon länger beobachtbar ist und nun auch und vor allem Unternehmen mit kleineren Betriebsgrößen, die einen starken lokalen Bezug besitzen, auch im Online-Kanal empfohlen wird.
Somit wird deutlich: Durch die Entwicklung eines neuen Vertriebskanals, dem Internet, entsteht eine Reihe von Herausforderungen gerade für (stationäre) Händler, aber auch Hersteller. Insbesondere Markenhersteller sind weiterhin auf die Händler und deren Vertriebsanstrengungen angewiesen, wenn es um Aufbau und Pflege des Markenimages geht. Vor allem durch die Präsentation der Produkte und das passende Umfeld wird den Konsumenten signalisiert, dass der Hersteller durch Investitionen in seine Marke eine Selbstbindung aufgebaut hat, etwas, was eine der Kernkompetenzen von guten Ladenlokalen ist. Auch tragen die Händler mittels deren Vertriebsanstrengungen regelmäßig einen Beitrag zum ideellen Image der Produkte.
Die Wahl des richtigen Vertriebskanals gehört somit eindeutig zu den wichtigsten unternehmerischen Aufgabenstellungen. Ist die Wahl einmal getroffen, erwartet den Unternehmer allerdings ein teilweise nicht abschließend geklärter rechtlicher Rahmen. Umso mehr ist eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik von Relevanz. Denn allen voran wird von Herstellern oftmals versucht, den Preis zu schützen. Das ist aber rechtlich nur sehr eingeschränkt möglich, nämlich nur in Form von z.B. Preisempfehlungen, die jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind und wiederum nicht das gewünschte Ergebnis bringen können. Doppelpreissystemen, d.h. eine unterschiedliche Preisgestaltung für Online und Offline-Vertrieb, wird mittlerweile von den Wettbewerbsbehörden als im Regelfall unzulässig angesehen, es sei denn, der Hersteller bietet Zusatzleistungen für den Internetendkunden an, wie z.B. Garantiezusagen oder Servicehotlines. »Bestpreisklauseln« gerieten ebenfalls ins Visier der Behörden; von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit ist mittlerweile auszugehen.
Definitiv unzulässig ist auch das Verbot des Internetvertriebs. Klar ist mittlerweile auch, dass der Vertrieb über Auktionsplattformen nicht verboten werden darf, es sei denn, es besteht ein sogenanntes selektives Vertriebssystem. Bei einem solchen müssen Qualitätsanforderungen an den Vertrieb des Produktes gestellt werden. Damit erschöpft sich nun aber rasch die Möglichkeit des Herstellers, Einfluss auf den Online-Vertrieb zu nehmen.
Einen Überblick über das Thema schafft das Buch des Autorenteams Nina Ollinger und Thomas Ollinger, die aus wirtschaftlicher Sicht die Qual der Wahl der richtigen Vertriebsentscheidung beleuchten sowie aus rechtlicher Sicht die bereits vorhandene und aktuelle Rechtsprechung und die Ansichten der Wettbewerbsbehörden aufarbeiten. Ein Leitfaden für die Praxis, der auch durch tabellarische Aufarbeitung einen raschen Überblick verschafft.
Buchtipp
Online versus stationär: Zwei Handelsformen im Spannungsfeld
Die Wahl des richtigen Vertriebskanals ist eine der grundlegendsten Entscheidungen. Welche wirtschaftlichen Argumente sind ausschlaggebend? Wie ist der rechtliche Rahmen ausgestaltet? Das Autorenteam Nina Ollinger und Thomas Ollinger bietet eine praxisnahe Aufbereitung vertrieblicher und rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb. Das Buch kann unter www.ra-ollinger.at, beim Verlag NWV www.nvw.at oder auf Amazon bezogen werden.
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Gratulation zu einem seriösen, sachlichem Zugang zu einem heute noch schwierigen Thema. Eine Frage ist leider nicht beantwortet, was tun wir, wer bezahlt die hunderttausenden, zukünftig arbeitslosen Handelsangestellten ? Es wäre zu billig diese “ Geiz ist geil“ Generation für Ihre Schnäppchensucht mit lebenslanger Tristesse bezahlen zu lassen.