Eine der Hauptursachen solcher »elektrischen« Brände sind dabei sogenannte Fehlerlichtbögen, welche Leitungsisolierungen entzünden und zu Kabelbränden führen können. Das lässt sich verhindern. Siemens hat einen Brandschutzschalter entwickelt, der solche Fehlerlichtbögen erkennt und die betroffenen Stromkreise sofort abschaltet: sozusagen ein vorbeugender Brandschutz im Sicherungskasten. Im Interview mit Ing. Werner Frauendorfer (Produktverantwortlicher bei Siemens Österreich für Sentron-Reiheneinbaugeräte) hat das i-Magazin nach dem Einsatzzweck sowie dem Hintergrund für die Entwicklung des Brandschutzschalters 5SM6 gefragt.
Die Brandschadenstatistik der österreichischen Brandverhütungsstellen ergibt, dass bis zu 25 % der Brände nachweislich durch elektrische Energie verursacht wurde. Da in Österreich allerdings nicht bei allen Bränden die Ursache ermittelt werden konnte und sich hier noch eine größere Anzahl an Bränden als »nicht definiert« findet, gehen Experten sogar von einer noch höheren Anzahl an elektrisch gezündeten Bränden aus. Besonders schwer wiegt hier die Anzahl der Verunglückten oder Schwerverletzten durch diese Brände, entstehen diese doch zu 75 % im privatem Umfeld.
Für Siemens ist dies Grund genug, sich Gedanken über eine Verhinderung oder zumindest Reduktion solcher elektrisch verursachter Brände zu machen. Bisher waren als Schutzmaßnahmen Leitungsschutzschalter, Überspannungsschutzgeräte und Fehlerstrom-Schutzschalter (sog. »FI-Schutzschalter«) Stand der Technik und bereits weit verbreitet. Beide lösen aber nicht bei einer der häufigsten Brandursachen der elektrischen Energie aus: die gefährlichen Fehlerlichtbögen, vor allem serielle Fehlerlichtbögen.
Solche Lichtbögen entstehen bereits durch kleine Ursachen wie zum Beispiel beschädigte Kabelisolierungen, gequetschte Leitungen, abgeknickte Stecker, lose Kontaktstellen in der Elektroinstallation oder auch durch Netzgeräte von tragbaren Computern und Geräten für die Unterhaltungsindustrie. Auch qualitativ billig hergestellte Produkte oder Imitate können gravierende Folge haben.
Durch einen kleinen Fehler entstehen serielle oder parallele Lichtbögen, welche genug Energie aufbringen können, um Leitungsisolierungen zu entzünden und damit einen Kabelbrand zur Folge haben. Siemens hat sich dieser Problemstellung angenommen und eine Lösung entwickelt: den Brandschutzschalter 5SM6.
Herr Frauendorfer, durch welche Entwicklung entstand die Idee zum Brandschutzschalter 5SM6 ursprünglich?
Frauendorfer: Die ersten Brandschutzschalter (AFCI Technologie = Arc Fault Circuit Interruptor) entstanden bereits Anfang der 90er-Jahre bei Siemens in Amerika. Die dort weit verbreitete Holzbauweise machte die Brandgefahr entsprechend hoch. Seit Jänner 2008 ist der Brandschutzschalter in den USA vorgeschrieben. Derzeit werden bis zu 10 Millionen Brandschutzschalter pro Jahr verkauft. In Europa ist die Idee aufgrund der grundsätzlich sicheren Installationen noch neu. Aber wir haben bei den Präsentationen großes Interesse am Einsatz des 5SM6 festgestellt.
Wie entstehen nun solche Störlichtbögen und was ist das konkrete Gefährdungspotenzial?
Frauendorfer: Die parallelen oder seriellen Störlichtbögen entstehen durch direkten oder indirekten Kontakt zwischen den Elektroden. Durch Vibrationen oder durch thermische Ausdehnung bzw. Kontraktion bis hin zu mechanischen Belastungen der elektrischen Leiter oder geschädigter Isolation erfolgt die Zündung des Lichtbogens. Ist die Isolation beschädigt, können sogar über eine leitfähige Isolationsstrecke parallele Fehlerlichtbögen auch ohne direkten Metallkontakt entstehen. Die Lichtbögen können dann natürlich ihrerseits brennbares Material in unmittelbarer Umgebung in Brand setzen.
Vor welchen Herausforderungen stand Siemens bei der Entwicklung des Brandschutzschalters 5SM6?
Frauendorfer: Die zentrale Herausforderung war die Erkennung des seriellen Störlichtbogens und die Vermeidung von unerwünschten Auslösungen. Die Detektion des seriellen Störlichtbogens gelang uns durch die Analyse des HF-Rauschens des Lichtbogens. Denn es gibt in einer elektrischen Anlage auch betriebsbedingte Störlichtbögen, wie z.B. bei der Bohrmaschine, Waschmaschine und im Mixer in der Küche. Sichergestellt wird die sichere Detektion weiters durch einen kontinuierlich stattfindenden Selbsttest. Der im Brandschutzschalter integrierte Mikrocomputer verwendet bis zu 80 % seiner Rechenleistung, um einen betriebsbedingten von einem gefährlichen Störlichtbogen zu unterscheiden bzw. zu erkennen. Dies geschieht aufgrund der Erfassung von fünf Hauptkriterien. Der Betriebszustand des Brandschutzschalters wird mit farblichen Symbolen angezeigt.
Wo soll der Brandschutzschalter 5SM6 Ihrer Meinung nach eingesetzt werden?
Frauendorfer: Aufgrund der Konstruktion des 5SM6 kann er in jeder Elektroinstallation eingesetzt werden. Er kann auch nachträglich durch Tausch des bestehenden Leitungsschalters sehr einfach nachgerüstet werden. In erster Linie sehe ich den Einsatzbereich aber vordergründig dort, wo es darum geht, Menschenleben und Sachwerte vor Schäden zu bewahren: in Wohnhäusern in Räumen, wo ein Brand nicht sofort erkannt wird (z.B. Schlaf- und Kinderzimmer oder Räume, in denen unbeobachtete Verbraucher mit hoher Leistung – Waschmaschine, Geschirrspülmaschine, etc. – betrieben werden) oder in Altenheimen, Krankenhäusern und Versammlungsstätten. Zusätzlich ist ein Einsatz in Gebäuden mit wertvollem Inhalt sinnvoll, wie es zum Beispiel in Museen, Bibliotheken, Serverräumen usw. der Fall ist. Auch sollten damit Räume ausgestattet werden, in denen leichtentzündliche Stoffe lagern oder verarbeitet werden, wie z.B. in Tischlereien, Bäckereien, Scheunen, Silos usw. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig und werden sich in den nächsten Jahren sicherlich noch wesentlich erweitern. Es gibt auch bereits Überlegungen und einen ersten Entwurf, diese neue Technik in die IEC Normen zu übernehmen – als Empfehlung ist sie ja bereits in der IEC 60364 enthalten.
Herr Frauendorfer, vielen Dank für das Gespräch!