KV-Verhandlungen:

Wieso der Spielraum begrenzt ist

von Sandra Eisner
Foto: © Pixabay

Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einer Rezession. Für die KV-Verhandlungen bedeutet das, dass der Spielraum der Unternehmen denkbar gering ist. Schon jetzt bringt die magere Ertragslage bei gleichzeitig gestiegenen Kosten viele Betriebe in Bedrängnis.

In den Sparten Industrie, Handel und Gewerbe & Handwerk – die sich bereits in KV-Verhandlungen befinden oder in Kürze beginnen – beschäftigen die Unternehmen gemeinsam rund 1,74 Millionen Mitarbeiter:innen und sind damit Arbeitgeber:in für nahezu zwei Drittel aller unselbständig Beschäftigten in der privaten Wirtschaft österreichweit.

Was sind die wirtschaftlichen Eckpunkte der aktuellen KV-Verhandlungen?

Lohnstückkosten: Deutschland, Niederlande, Frankreich, der EU-Durchschnitt – sie alle weisen deutlich günstigere Lohnstückkosten auf. In anderen Worten: Hatten heimische Exporteure bisher schon einen schweren Stand im internationalen Wettbewerb, könnten sich die außergewöhnlich hohen Lohnstückkosten spätestens jetzt zum wirklichen Problem für die Exporteure auswachsen.

Umsatzentwicklung Handel: Im Einzelhandel war die reale Umsatzentwicklung mit -3,8 % bereits im ersten Halbjahr negativ. Vor allem dort, wo es sich nicht um Produkte des täglichen Bedarfs handelt, sparen die Konsument:innen: So lag das reale Umsatzminus im Nicht-Lebensmittelhandel im September sogar bei -11,1 %.

Umsatzentwicklung Metallgewerbe: Die Kollektivvertragsverhandlungen für das Metallgewerbe, dem acht Branchen unterliegen, starten am 20. November. Sie haben Geltung für rund 211.000 Arbeitnehmer:innen und rund 19.000 Lehrlinge. Die Umsatzsituation im ersten Halbjahr 2023 setzte den Negativtrend aus 2022 fort. Alle acht Branchen hatten in diesem Zeitraum einen weiteren Umsatzeinbruch gegenüber dem ersten Halbjahr 2022. Das Umsatzminus betrug real zwischen -2,4 % und -13,5 %. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Absturzes bei den Umsätzen wird noch durch einen weiteren Effekt verschärft: Der Anteil der Lohnkosten an den betrieblichen Kosten (die Lohntangente) beträgt in diesen Gewerben zwischen 30 und 36 %. Das bedeutet, dass jede Lohnerhöhung deutlich auf die betrieblichen Gesamtkosten durchschlägt.

Wie sich die KV-Verhandlungen in Industrie, Handel sowie Gewerbe und Handwerk auswirken

In Industrie, Handel und Gewerbe und Handwerk verhandeln Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter:innen über den Lohn – mit weitreichenden Auswirkungen.

Aus gutem Grund stehen die laufenden Verhandlungen zum Kollektivvertrag (KV) in den Sparten Industrie und Handel sowie die bevorstehenden KV-Verhandlungen in Gewerbe und Handwerk in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Denn ihre Ergebnisse haben einen maßgeblichen Einfluss auf die gesamte österreichische Wirtschaft.

Immerhin beschäftigen diese drei Sparten rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer:innen in Österreich. Der gute Fortbestand der Unternehmen in diesen Leitbranchen ist daher zentral, um heimische Arbeitsplätze und folglich den Wohlstand zu sichern.

Angesichts des Konjunktureinbruchs finden die Lohnverhandlungen heuer unter schwierigen Voraussetzungen statt und erfordern ein besonderes Augenmaß.

Alle drei Sparten befinden sich in einer Rezession. Auch die Aussichten für die erste Jahreshälfte 2024 sind trüb und werden durch den Nahostkonflikt zusätzlich gedämpft. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen könnte es eng werden – und das umso mehr, wenn sie mit hohen Lohnforderungen überlastet werden.

Industrie, Handel sowie Gewerbe und Handwerk unter Druck

Ein Blick auf die einzelnen Sparten zeigt, dass der Industrie vor allem die sinkenden Neuaufträge zu schaffen machen. Die reduzierte Auftragslage schlägt sich in einem Produktionsrückgang und Beschäftigungsabbau nieder. Wenig optimistisch sind die Industrieunternehmen auch für die Zukunft: Die Produktionserwartungen für 2024 sind auf dem niedrigsten Stand seit einem Jahr.

Im Handel wurde das Umsatzwachstum von den Preissteigerungen gefressen. Tatsächlich verzeichnet die Branche heuer reale Umsatzrückgänge. Gestiegene Kosten und Kaufkraftverlust machen zusätzlichen Druck. Allein im Einzelhandel mussten im ersten Halbjahr 2023 rund 6.400 Betriebe schließen.

In einer ähnlichen Lage befindet sich die Sparte Gewerbe und Handwerk, für die demnächst die KV-Verhandlungen mit den Sozialpartnern starten. Die schwache Konjunktur in Kombination mit explodierenden Kosten bringt viele heimische Handwerks- und Gewerbebetriebe an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Zu hohe Lohnforderungen würden diese Grenzen noch weiter ausreizen.

Hoher Lohn im EU-Vergleich

Dabei ist der Druck auf österreichische Betriebe in vielen Bereichen grundsätzlich höher als in anderen EU-Ländern: Bei den Arbeitskosten in der Warenherstellung liegt Österreich im EU-Vergleich mit 43,86 Euro pro Arbeitnehmer:in und Stunde an fünfter Stelle (EU: 30,83 Euro). Auch der nominelle Lohn ist hierzulande mit durchschnittlich 36 Euro pro Stunde um fast 10 Euro pro Stunde höher als der EU-Schnitt.

Dazu kommt, dass die Arbeitgeber:innen in den vergangenen Verhandlungen zum Kollektivvertrag seit Corona trotz Krisensituation klar Verantwortung übernommen haben. Jetzt braucht es eine Einigung mit Augenmaß zwischen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite, um in dieser schwierigen Phase die Leistungsfähigkeit der Branchen und damit auch Jobs zu sichern. Die Möglichkeiten, die auf dem Tisch liegen, können situationsadäquat genutzt und Lösungen out of the box angedacht werden.

Streiks hingegen stellen insbesondere in einer Rezession eine Gefahr dar, weil sie eine ohnehin schon belastende Situation für die Betriebe verschärfen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Konjunktureinbruch und trübe Aussichten setzen die Wirtschaft unter Druck.
  • KV-Verhandlungen in Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk wirken sich auf die Gesamtwirtschaft aus.
  • Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitnehmer:innen in Österreich.
  • Zu hohe Lohnforderungen und Streiks belasten die Wirtschaft und gefährden den Fortbestand der Unternehmen und Arbeitsplätze

Quelle: WKO/Stephanie Dirnbacher-Krug

Weitere Informationen auf: www.wko.at

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