Hyper! Der aus dem griechischen stammende Begriff trägt das Übermaß in sich. Was „hyper“ ist, ist mehr als normal, ja sogar ein Zuviel von etwas. In der Überschreitung des normalen Maßes, in der Veränderung der Größenverhältnisse liegt in der Kunst seit jeher eine besondere Kraft. Das „Hyper“ im Titel der Ausstellung „Hypersculptures“ umfasst eine Vielzahl von Bedeutungsebenen. Neben der außergewöhnlichen Größe der Kunstwerke bezieht sich „hyper“ auch auf die neuesten, innovativen Multimedia-Technologien, derer sich die ausstellenden Künstler:innen für ihre Lichtskulpturen bedienen.
Die Ausstellung vereint raumfüllende, internationale Werke: große Lichtskulpturen, die allesamt ein intensives Eintauchen in die Kunst ermöglichen. Die Auflösung der Distanz zwischen Betrachter:in und dem Kunstwerk ist das gemeinsame, leuchtende Band aller „Hypersculptures“. In Unna kann man erleben, wie Licht wirkt, die Wahrnehmung
lenkt und Räume vollkommen neu definiert. Jedes Werk der Ausstellung wird einen Raum von 20 × 6 Metern in Anspruch nehmen und den Besucher:innen unvergessliche und nachhaltig beeindruckende Erfahrungen möglich machen.
„Hypersculptures“ stellt auch die essenzielle, ganz gegenwärtige Frage nach der Bedeutung von Überschreitung und Übermaß angesichts des aktuell so gegenwärtigen Themas der Energieknappheit und des Klimawandels. John Jaspers, Direktor des Zentrums für Internationale Lichtkunst Unna, sieht Lichtkunst als Treiber für Innovation und Entwicklung nachhaltigerer Technologien. Präsentationen von zeitgenössischer Lichtkunst gehören – verglichen mit anderen Genres der Kunst – zu den sparsamsten Ausstellungen überhaupt.
„Wir haben in Abstimmung mit den Künstlern und Künstlerinnen die Werke mit sparsamen LEDs ausgerüstet und überall im Museum Bewegungsmelder installiert. Auch benötigen wir weder konstante Temperaturen oder Luftfeuchtigkeit wie viele andere Museen und müssen auch keine Kunstwerke mit intensiven Spots ausleuchten,“ so John Jasper, Direktor des Zentrums für Internationale Lichtkunst Unna.
Christine Sciulli (USA)
Die New Yorkerin Christine Sciulli nutzt Lichtprojektion als primäres künstlerisches Medium. Ihre Werke imitieren natürliche atmosphärische Ereignisse – die Installationen sind ortspezifische Rauminterventionen. In ihren Arbeiten werden Volumen und Bewegung, Form und Farbe durch das Zusammenspiel von projiziertem Licht, Zeit, Raum und Material bestimmt. Die leuchtende Linie ist Werkzeug ihrer künstlerischen Artikulation.
Seit 2013 experimentiert Sciulli mit geometrischen Projektionen auf textilen Flächen. Mit der Installation „Ferment“ hat sie eine textile Skulptur entworfen, die von Dunkelheit umgeben ist. Nur die geometrischen Projektionen ergründen, ob und wo Material vorhanden ist. Das durchströmende Licht wird von dem Fadenmaterial reflektiert und bewegt sich unsichtbar im Dazwischen. Die Besucher:innen sind eingeladen, vollständig in den Raum einzutauchen und das Werk aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfahren, in ihm zu verweilen und zu interagieren, während die atmosphärischen Formen scheinbar wachsen und sich auflösen. Eine poetische Erfahrung, die in Erinnerung bleibt: ein flüchtiges, vergängliches und doch lang nachklingendes Gefühl.
Squidsoup (UK)
Die internationale Künstlergruppe Squidsoup mit Sitz in Großbritannien, deren Mitglieder aus Kunst, Forschung, Technik und Design kommen, kreiert digitale und interaktive Medienerlebnisse. Ihre Arbeit verbindet physische und dynamische Räume mit neuartigen und intuitiven Arten der Interaktion. Hier sind immersive und betörende Erfahrungen möglich. Die Räume erfahren eine digitale Erweiterung und erschaffen ein einmaliges Erlebnis.
„Hypersculptures“ ist die erste Ausstellung von Squidsoup in Deutschland. Die farbintensive Installation „Submergence“ verwendet tausende einzelner Punkte aus schwebendem Licht, um das Gefühl von Präsenz und Bewegung im physischen
Raum zu erzeugen. Das raumfüllende Kunstwerk ist in ein 12-minütiges Stück getaktet, welches gleichsam einer abstrakten Erzählung die Besucher:innen zu eigenen Interpretationen animiert.
Julius Stahl (DE)
Der DEW21-Kunstpreisträger Julius Stahl setzt sich mit elementaren Phänomenen des Wahrnehmens und der Beziehung zwischen Hören und Sehen auseinander. Ursprünglich kommt der Künstler aus der Musik: Der Klang bestimmt sein Schaffen bis heute. Die in der Ausstellung zu sehenden Lichtobjekte entstehen durch von ihm entworfene Resonanzapparate. Darin werden Lichtstrahlen von kaum hörbaren Tönen in Schwingung versetzt. Die an den Ausstellungswänden erscheinenden Lichtobjekte zeigen sich langsam verändernde Räume, die aus der Verbindung von
Licht und Ton entstehen.
Die Töne geben dem Licht eine Zeitebene. Aus Fläche wird Raum. Das Licht erzählt vom Ton, ausgehend von seinem
wesentlichsten Element: Bewegung. Die Ausstellung zeigt drei Werke, die aus einfachen Formen wie Quadrat und Linie in die Welt des Akustischen führen. Allen drei Arbeiten gemeinsam ist eine langsam in sich kreisende Entwicklung zwischen Sein und Werden.
Philip Vermeulen (NL)
Die Werke des Künstlers Philip Vermeulen aus Den Haag stehen in der Tradition der Zero-Bewegung, Klangkunst, kinetischer Skulptur und audio-visueller Kunst. Ausgehend von natürlichen Phänomenen, wie dem Flattern von Stoff im Wind, entwickelt Vermeulen große, programmierbare Klang-Kompositionen, die spielerisch und zugleich experimentell sind. Es sind elementare Geräte, die starke Reaktionen und Erfahrungen hervorrufen können und sich zwischen Erhabenheit und Ekstase bewegen.
„10 Meters of Sound“ ist eine audio-visuelle, kinetische Komposition: Vier elastische Bänder, zehn Meter lang, drehen sich und beginnen sich zu wellen, wodurch Moiré-Muster entstehen. Nach einer Weile folgen sie einander mit hoher Geschwindigkeit. Was man gerade gesehen hat, ist innerhalb einer Sekunde verschwunden. Neben „10 Meters of Sound“ wird Philip Vermeulen zwei weitere multimediale Installationen zeigen.
Weitere Informationen auf www.lichtkunst-unna.de
Quelle: Zentrum für Internationale Lichtkunst