Studien zu E-Commerce überschlagen sich fast mit hehren Anforderungen an innovative Technologien – es gilt, das Einkaufserlebnis für den typischerweise sprunghaften Online-Kunden optimal zu gestalten, um Loyalität und Markenbindung mit in der Konsequenz steigenden Umsatzzahlen zu schaffen. Zu Recht – allerdings gibt es da eine Lücke zwischen Anspruch der Berater bzw. Lösungsanbieter und der Wirklichkeit in den Handelsunternehmen.
So postuliert eine aktuelle Studie von Adobe (*) das neue ABCD der Kundenloyalität mit Technologien, die Kunden ein personalisiertes und mittels künstlicher Intelligenz ein spezifisch abgestimmtes Shopping-Erlebnis bieten, das sie lieben und sie mit neuesten Funktionalitäten wie etwa Augmented Reality immer aufs Neue überrascht und begeistert. So die ideale Welt. Davon sind selbst ansatzweise die meisten Handelsunternehmen ein Stück weit entfernt und sehen sich mit einem immer stärkeren Innovationsdruck im E-Commerce konfrontiert, der parallel zum eigentlichen Kerngeschäft gelöst werden muss.
Umso mehr Gewicht bekommt der grundlegende Ansatz von BearingPoint (**) in einer gemeinsamen Studie mit dem IIHD Institut: Ecosysteme statt Einzelkämpfer. Denn „Unternehmen werden sich alleine nur noch schwer behaupten können, da sie relevante Ressourcen wie Kompetenzen und Fähigkeiten sowie Wissen und Informationen eigenständig kaum mehr aufbauen oder halten können.“ So argumentiert die Studie: Unternehmen, die auf Basis nachhaltiger Kooperationen Ressourcen teilen oder über Plattformen im Ecosystem zur Verfügung stellen, werden effizienter, agiler und schaffen neue Quellen der Wertschöpfung.
Ein Prinzip, das insbesondere auch in der Umsetzung von E-Commerce und Omnichannel-Marketing Sinn macht. Schließlich kämpft sogar die Modeindustrie als Vorreiter-Branche mit den technischen Fallstricken des Online-Handels. So zeigte die Umfrage von w&co (***) auf der diesjährigen Fashion Week Berlin zum Thema »E-Commerce in der Modebranche 2017: Technologischer Stand und strategische Herausforderungen« ernüchternde Ergebnisse: Bei praktisch allen Befragten behindern mangelnde Systemintegration die Weiterentwicklung von E-Commerce und Online-Umsatz. Über 40 Prozent beklagen, dass ihre Webshop-Systeme veraltet sind, wodurch Pflege und Updates sehr aufwendig werden. Ebenso gaben gut 40 Prozent an, dass Grundlagen wie Content-Erstellung, -Aufbereitung und Steuerung für E-Commerce nicht agil und flexibel genug seien und damit zu wenig Raum bleibt für Neues.
Beim Content-Management genauer nachgefragt, ergab sich, dass 34 Prozent mit einer heterogenen, gewachsenen Systemlandschaft im Content-Management arbeitet. 44 Prozent nutzen verschiedene Plattformen für unterschiedliche Anforderungen im Content-Management. Nur 22 Prozent steuern ihr Content-Management und die zugehörigen Prozesse über eine zentrale Plattform.
Technische Innovationen, die vielfach für erfolgreiches E-Commerce angemahnt werden, sind in der Praxis kaum zu sehen. Anwendungen wie Virtual Fitting, Augmented Reality, Artificial Intelligence oder Gamification müssen warten. Allerdings wären gerade diese Anwendungen hilfreich, um typische Herausforderungen im E-Commerce wie hohe Retourenquoten, Kundenbindung und Personalisierung wirkungsvoll zu meistern.
Doch derzeit geht es den Marketing- und Vertriebsverantwortlichen im E-Commerce noch um die Grundlagen: Zu fast hundert Prozent wünschen sie sich Entlastung von Routinen bzw. für Abläufe, die den Betrieb und die Bewirtschaftung des Web-Shops automatisieren. Ist dies geschafft, steht auf dem Plan, die Inszenierung der Produkte aufwendiger und individueller zu gestalten.
Die Ergebnisse der w&co-Umfrage spiegeln die typischen Probleme wider: Mit eigenen Ressourcen sind für Handelsunternehmen die technischen Anforderungen im E-Commerce auf Dauer kaum zu stemmen – zu dynamisch sind die Innovationszyklen. Projektbasiert Dienstleister einzubinden richtet sich zumeist nur auf akute Aufgaben und schafft keine Kontinuität in der Pflege und Weiterentwicklung der E-Commerce-Technologien im Hinblick auf die nötige digitale Transformation im Marketing. Nachhaltig sind hier nur langfristige, spezialisierte Partner, die Unternehmen ganzheitlich begleiten – sowohl in der strategischen als auch technologischen Entwicklung von Omnichannel-Marketing mit E-Commerce als integraler Teil des Kommunikationsmixes mit Kunden. Damit profitieren Handelsunternehmen umfassend von der im Sinne der BearingPoint-Studie angesprochenen Ecosystem-Strategie, bei der sich »Akteure einer Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden zusammenschließen«. Die Schlussfolgerung von BearingPoint, die sich auch in der Praxis bestätigt, entsteht ein dynamisches System, das es den Teilnehmern ermöglicht, miteinander zu interagieren, ihr Portfolio zu ergänzen und so vielseitiger, flexibler, schneller und schlagkräftiger zu werden.
von Robert Schneider, Geschäftsführer w&co MediaServices
(*)https://blogs.adobe.com/digitaleurope/customer-experience/goldsmiths-loyalty/Kundendialog/formular_node.html
(**)http://toolbox.bearingpoint.com/de/digitalisierung/news-detail-digitalisierung/ecosysteme-gegen-einzelkaempfer-mentalitaet/4110/
(***)www.w-co.de/fashion-studie