Lädt man einen Lithium-Ionen-Akku, entstehen Lithium-Atome. Die Graphitschichten der negativen Elektrode nehmen sie auf. Doch die Kapazität des Graphits ist begrenzt: Auf sechs Kohlenstoff-Atome kommt maximal ein Lithium-Atom. Silicium könnte bis zu zehnmal mehr Lithium aufnehmen. Aber leider dehnt es sich dabei stark aus, was bei der Anwendung als Akku zu bisher nicht gelösten Problemen führt.
Auf der Suche nach einer Alternative zu reinem Silicium gelang es Wissenschaftlern der TU München nun, aus Bor und Silicium eine völlig neue Gerüststruktur aufzubauen, die sich als Elektrodenmaterial eignen könnte. Ähnlich wie die Kohlenstoff-Atome im Diamanten sind die Bor- und Silicium-Atome im neuen Lithium-Borsilicid (LiBSi2) tetraederförmig miteinander verbunden. Doch anders als der Diamant bilden sie zusätzlich Kanäle aus. „Offene Strukturen mit Kanälen bieten prinzipiell die Möglichkeit Lithium ein- und wieder auszulagern“, sagt Thomas Fässler, Professor am Lehrstuhl für Anorganische Chemie der TU München. „Das ist eine wichtige Voraussetzung zur Anwendung als Material für die Anode in Lithium-Ionen-Akkus.“
Hochdrucksynthese
Im Hochdrucklabor des Departments of Chemistry and Biochemistry der Arizona State University gelang es den Wissenschaftlern, die Ausgangsstoffe Lithiumborid und Silicium zur Reaktion zu bringen. Bei einem Druck von 100.000 Atmosphären und Temperaturen um 900° Celsius bildete sich das gewünschte Lithium-Borsilicid. „Es ist eine Menge Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung notwendig, um das richtige Verhältnis der Grundmaterialen und die richtigen Parameter herauszufinden“, erklärt Thomas Fässler.
Lithium-Borsilicid ist gegenüber Luft und Feuchtigkeit stabil und widersteht auch Temperaturen bis zu 800° Celsius. Als nächstes wollen Thomas Fässler und sein Doktorand Michael Zeilinger näher untersuchen, wie viele Lithium-Atome das Material aufnehmen kann und ob es sich beim Ladevorgang ausdehnt. Aufgrund seiner Kristallstruktur etwa könnte das Material sehr hart sein, was es auch als Diamant-Ersatz interessant machen würde.
Da die Struktur des Lithium-Borsilicids bisher einzigartig ist, durften Fässler und Zeilinger ihrem neuen Gerüst einen Namen geben. Zu Ehren ihrer Universität entschieden sie sich für den Namen »tum«.
Weitere Kooperationspartner des Projekts waren die Fakultät für Physik der Universität Augsburg und das Department of Materials and Environmental Chemistry der Universität Stockholm. Die Arbeit wurde unterstützt mit Mitteln der TUM Graduate School, des Fonds der Chemischen Industrie, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Swedish Research Council und der National Science Foundation, USA.