Die Heim-EM hat vor allem eines gezeigt: Wir müssen uns um die Qualität der Ausbildung unserer Lehrlinge keine Sorgen machen. Während das Team Austria bei den EuroSkills in der Nähe von Graz 33 Medaillen holte und damit das Ergebnis der letzten EM in Budapest im Jahr 2018 (damals errang man 21 Medaillen) deutlich überbot, hielten auch Stefan Praders Nerven der hohen Belastung stand. Als Österreichs Teilnehmer in der Berufsgruppe der Elektrotechnik musste er sich nur seinem Trainingspartner, dem Schweizer Teilnehmer Simon Koch, geschlagen geben und belegte schließlich den vielumjubelten zweiten Platz. Stefan, wir gratulieren dir!
800 Stunden oder umgerechnet über 33 Tage investierte Stefan Prader gemeinsam mit seinem Betreuer Thomas Benkö (Competition Comissioner Austria) alleine in die Vorbereitung für die EuroSkills 2021 in Graz. Die Ausbildungs- und Betreuungskosten wurden dabei zur Gänze vom Aus- und Weiterbildungsausschuss der Bundesinnung getragen. Der mittlerweile 25 Jahre alte Teilnehmer, der im elterlichen Betrieb Elektrotechnik Prader im steirischen Groß St. Florian beschäftigt ist und im September parallel zu den Trainings für die Heim-EM mit der Meisterschule begonnen hatte, trat bereits bei den letzten WorldSkills in Kazan für Österreich an und räumte schon damals eine »Medallion for Excellence« ab. Mit der Routine eines WM-Teilnehmers im Gepäck behielt Prader in Graz von der ersten Minute an die Nerven und arbeitete hochkonzentriert: „Stefan war von Beginn an voll fokussiert – zu seinem Vorteil. Denn die sechs Teilnehmer lieferten sich vom ersten bis zum dritten Tag ein tolles Kopf-an-Kopf-Rennen“, fasst Benkö den Verlauf des Wettbewerbs vor dem i-Magazin-Mikro zusammen. Nicht einmal der Zwischenfall am dritten Wettbewerbstag – einem Teilnehmer war ein Missgeschick passiert, der zu einem Stromausfall in allen Kojen führte – brachte Österreichs Teilnehmer an den EuroSkills aus dem Konzept. Zwar führten die Folgen des Stromausfalls dazu, dass Prader die bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Programmierarbeiten an der Logo noch einmal durchführen musste und damit rund 1,5 Stunden verlor. Trotzdem geriet er nicht aus dem Konzept: „An diesem Punkt zeigte sich, wie gut Stefan vorbereitet war. Schon bei den Trainings haben wir derartige Situationen simuliert und Stefan wusste: Bei Störungen finden wir eine Lösung! Er hat dann tatsächlich die Nerven behalten und das Duell mit dem späteren Sieger Simon Koch bis zum Ende überaus spannend gestaltet“, verrät uns Benkö. Apropos Simulation: „Selbst die Hitze und die trockene Luft in unserem Wettbewerbszelt am Tag 2 machten Stefan nicht zu schaffen. Wir wussten bereits im Vorfeld, dass die Kandidaten in einem Zelt arbeiten würden und haben uns darauf eingestellt. So setzten wir Stefan im Februar während des Trainings für ihn völlig unerwartet Augusttemperaturen in Form von Heizkanonen während des Trainings aus – das hat sich jetzt bezahlt gemacht. Stefan hat die hohen Temperaturen in der Austragungshalle dadurch mental souverän wegstecken können.“
Für Thomas Benkö waren die EuroSkills ein voller Erfolg – er fasst die Monate der Vorbereitung und den Event selbst merkbar emotional zusammen: „Stefan Prader hatte bereits in der Vorbereitung stets eine hohe Eigenverantwortung gezeigt und letztlich ein super Ergebnis abgeliefert – ich bin wahnsinnig stolz auf ihn! Er war über den gesamten Zeitraum niemals überheblich, dafür aber immer selbstbewusst und handelte stets selbstreflektiert. Alles in allem kann ich nur sagen: Es war mir eine Freude und eine Ehre, ihn trainieren zu dürfen!“
Die Aufgabenstellung kurz zusammengefasst:
Stefan Prader und seine Kontrahenten bei den EuroSkills in Graz mussten an den drei Wettbewerbstagen eine Installationsaufgabe in einem industriellen bzw. einem gebäudetechnischen Umfeld bewerkstelligen. Die Montage und Installation von Gitterrinnen, Brüstungskanälen, Sockelleisten mit Beleuchtung, geschaltenen und ungeschaltenen Steckdosen, Verteilern, Schaltelementen der verschiedenen Art gehörten genauso wie die Realisierung einer Motorsteuerung zum Projekt. Darüber hinaus sollten einige Aufgaben mit Hilfe einer Logo- und einer KNX-Steuerung umgesetzt und zusammengeführt werden. Auf der KNX-Ebene realisierten die Teilnehmer unter anderem mehrere Beleuchtungsszenarien, eine Heizungssteuerung mit Hilfe eines Temperaturfühlers, eine Lamellensteuerung im Bereich der Beschattung sowie eine Torsteuerung – kurzum Anforderungen, die heutzutage bei Projekten gefordert werden.
Hager und Sonepar boten volle Unterstützung
Den insgesamt sechs Teilnehmern im Bereich der Elektrotechnik – ein Teil der europäischen Länder war den Bewerben in Graz aus Gründen der herrschenden Pandemie ferngeblieben – boten sich ausgezeichnete Bedingungen. Die beiden »Gold-Sponsoren« für die Elektrotechnik – die Firmen Hager und Sonepar – nutzten nicht nur die Gelegenheit, ihr Unternehmen und damit auch die Branche an einem eigenen Stand zu präsentieren, sondern stellten auch das elektrotechnische Equipment zur Verfügung, mit dem die Teilnehmer ihre Projekte erarbeiteten. „Wir haben Material für ursprünglich 18 geplante Starter kommissioniert, geliefert und kostenfrei zur Verfügung gestellt“, lässt uns Hannes Rechling, Prokurist bei Sonepar Österreich am Rande der Veranstaltung wissen. Die beiden Sponsoren, die auch die NÖ-Landesmeisterschaften kürzlich unterstützt hatten, stellten das Material, das nach den Bewerben der EuroSkills übriggeblieben war, der Innung zur Verfügung: „Wir investieren gerne in die Zukunft unseres Nachwuchses“, unterstreichen die Unternehmen ihr Vorhaben. „Als ich die EuroSkills 2016 in Göteborg zum ersten Mal besuchte, erkannte ich sofort den Wert der Veranstaltung. Hier stehen sich einerseits viele junge Menschen im Wettbewerb gegenüber und andererseits besuchen tausende Jugendliche die Veranstaltung, um sich darüber im Klaren zu werden, welchen Beruf sie für ihr weiteres Leben erlernen und ausüben möchten. Deswegen haben wir uns in Absprache mit dem Vorstand der Hager Group als Hager Österreich damals bereits entschlossen, die Heim-EM zu unterstützen“, fasst Alexander Rupp, GF von Hager Österreich, vor dem i-Magazin-Mikro zusammen. Sowohl Sonepar-Österreich – das Großhandelsunternehmen stellte jenes Elektromaterial zur Verfügung, das außerhalb des Hager-Sortiments lag – als auch Hager liegt die Zukunft des Nachwuchses am Herzen: „Bei den EuroSkills hat sich wieder einmal gezeigt, wie initiativ und erfolgreich unsere Jugend tatsächlich ist. Unser Fazit kann deswegen nur lauten: Ein junger Elektrotechniker, der Qualität einbaut, kann nur ein potenzieller Hager-Kunde sein“, schließt Rupp mit einem Augenzwinkern ab. Hannes Rechling betrachtet die Sachlage aus der Sicht von Sonepar ähnlich: „Wir wollen die Jugend fördern und die Lehrlinge unterstützen. Mit der Initiative, als »Gold-Sponsor« bei den EuroSkills aufzutreten, wollen wir auch unseren Kunden – den Elektrotechnikunternehmen – signalisieren, dass uns die Zukunft dieses Handwerks sehr wichtig ist und dass der Nachwuchs stets am letzten Stand der Technik ausgebildet werden soll.“ Rechling weist im Gespräch mit dem i-Magazin auch auf einen besonders kritischen Punkt hin: „Derzeit werden tausende ausgebildete Elektrotechniker in der Branche gesucht – Fachleute, die es in diesem Ausmaß gar nicht gibt. Deswegen müssen wir alle umso mehr danach trachten, der Jugend vor Augen zu führen, wie interessant der Beruf des Elektrotechnikers heute ist und vor allem auch in Zukunft sein wird. Deswegen freuen wir uns, dass derart viele Jugendliche den Weg nach Graz gefunden haben und dass wir ihnen die klare Botschaft »Die Zukunft ist elektrisch« bei ihrer Berufswahl mit auf den Weg geben konnten.“
Das Elektrotechnik-Handwerk auf goldenem Boden
„Nur auf diesem Weg können wir das Handwerk nach vorne bringen“, meint auch Thomas Benkö abschließend und weist darauf hin, wie wichtig es ist, den jungen und talentierten 14- und 15-jährigen Schülern zu zeigen, dass das Handwerk – und speziell die Elektrotechnik – einen goldenen Boden hat. „Wir haben viel positives Feedback von Lehrern und Schülern während der EuroSkills in Graz bekommen – dieser Umstand stimmt mich optimistisch, dass die Heim-EM auch nachhaltig Erfolg zeigen wird und wir durch die Veranstaltung bei den Besuchern den Reiz gesetzt haben, dem Beruf des Elektrotechnikers zu erlernen“, zieht Benkö ein positives Resümee.
Der Beitrag der Bundesinnung
Für den Bundesinnungsmeister und den Arbeitsausschuss Aus- und Weiterbildung waren die letzten Monate von einem intensiven Arbeitseinsatz rund um die EuroSkills gekennzeichnet. Die Freude über den Erfolg wiegt deswegen umso mehr: „Auch die Bundesinnung gratuliert Stefan Prader! Wir wissen, wie hart der Weg zur silbernen Medaille war und sind stolz auf seine Leistung und die seines Ausbildungsbetriebs“, unterstreicht BIM Andreas Wirth. Er nutzt schließlich auch die Gelegenheit, um sich bei Bernhard Pabinger und seinem Team vom Arbeitsausschuss Aus- und Weiterbildung zu bedanken: „Auch die Arbeit des Ausschusses unter der Führung von Bernhard Pabinger hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir die Heim-EM mit einem Erfolg krönen konnten. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten!“, schließt Andreas Wirth als Bundesinnungsmeister und lässt seine Freude über die Silberne damit deutlich erkennen.