Vor zwei Jahren schickte sich die Stadt Wien an, die Straßenbeleuchtung auszuschreiben. Über 70.000 Leuchten sollten vergeben werden. Nun steht fest, wer die Aufträge bekommt: Es handelt sich um AE Schréder. Das i-Magazin weiß exklusiv, welche Kriterien die Bewerber erfüllen mussten, um die Ausschreibung von »Wien leuchtet« zu gewinnen.
Interview: Thomas Buchbauer, Thomas Graf-Zoufal
Text: Mag. Sandra Eisner, Moritz Hell
77.500 Straßenleuchten will die Stadt Wien, genauer gesagt, die für die Beleuchtung zuständige Magistratsabteilung 33 – Wien leuchtet (MA 33). Von diesen sollten 26.000 der Größe K0 und 51.500 K2 entsprechen, und zwar mit unterschiedlichen Lichtstärkeverteilungskurven und Lichtströmen. Der neueste Stand der Technik war der Stadt dabei noch nicht gut genug: Die LED-Leuchten sollten zukunftssicher sein, also so konzipiert, dass sie stets auf dem neusten Stand der Technik gehalten werden können, im Sinne einer »Anpassung an neue Lichterzeugungstechnologien«. Im exklusiven Gespräch mit Harald Bekehrti, Abteilungsleiter von Wien leuchtet, Gerald Wötzl, Leiter des technischen Kompetenzzentrums bei Wien leuchtet, und Gerhard Grasnek, dem Koordinator für öffentliche Beleuchtung und auch Projektleiter für Led it schein, erfragte das i-Magazin die Details und die Hintergründe zur Ausschreibung und dem gewonnenen Zuschlag.
Meine Herren, Wien erstrahlt in neuem Licht und die Entscheidung darüber, wer einen großen Teil dazu beiträgt, ist gefallen. Welcher Hersteller wird die Leuchten liefern?
Harald Bekehrti: Das Unternehmen AE Schréder hat sich im Zuge der beiden Ausschreibungsverfahren als Bestbieter herauskristallisiert und den Zuschlag erhalten. Wir haben eine möglichst energieeffiziente Leuchte gefordert, die so wenig als möglich zur Lichtverschmutzung beiträgt, ein Nachhaltigkeitskonzept verfolgt und de facto universell einsetzbar ist durch austauschbare Einsätze mit einer festgelegten mechanischen Schnittstelle.
AE Schréder hatte bereits einen Vorläuferauftrag im Jahr 2017 erobert. Steht dieser Fakt im Zusammenhang mit der jetzigen Entscheidung?
Bekehrti: Es gibt kein Listing bzw. keine generelle Bewertung von Firmen bei der Stadt Wien. Jedes Unternehmen, das die formalen Auflagen erfüllt, ist zuschlagfähig und darf bei öffentlichen Ausschreibungen mitmachen.
Gerhard Grasnek: Jedes Vergabeverfahren beginnt unter den gleichen Voraussetzungen für die Bewerber, einziger Ausschließungsgrund wären eventuell vorangegangene rechtliche Gegebenheiten (z. B. noch offene Klage in einem anderen Verfahren). Die Entscheidung zu Gunsten von AE Schréder fiel aufgrund derselben Bewertungskriterien wie bei der ersten Ausschreibung: 70 % Preis, 10 % Effizienz, 10 % Überspannungsfestigkeit und 10 % Gewährleistungsverlängerung. Diese Kriterien waren von Beginn des Vergabeverfahrens weg bekannt.
Die vorhergehende Ausschreibung der Seilhängeleuchten mit 50.000 Stück hatte AE Schréder gewonnen. Worin besteht der Unterschied zu den jetzigen Produkten?
Bekehrti: Die Technik hat sich weiterentwickelt und damit auch die Treiber und die LEDs – und zwar in Richtung Effizienz. Was die Gewährleistung bzw. Austauschgarantie betrifft, so haftet der Lieferant 17 Jahre und entschädigt uns mit einer Zahlung von 125 Euro pro schadhafter Leuchte.
Gerald Wötzl: Sollte es vermehrt zu Ausfällen/Problemen kommen, so werden Serienfehler gemeinsam gesucht und dann daraufhin ein Lösungskonzept erarbeitet. In einer guten Partnerschaft werden eventuelle Schad- oder Fehlerstellen zusammen eruiert, da die langfristige Funktion der Beleuchtung ja auch im Interesse beider Parteien liegt. Die technische Weitentwicklung fokussiert speziell die Lichttechnik. Wir haben bis jetzt überwiegend Seilhängeleuchten verwendet, die eine symmetrische Lichtausstrahlrichtung bieten. Zum einen verfügen wir nun über asymmetrische Lichtausstrahlrichtung – Beleuchtung von der Seite – und zum anderen war beim alten Vertrag nur die große Bauform (Kopfgröße 2) vorgesehen. Jetzt werden die große und die kleine Baugröße (Kopfgröße 0) verwendet. Der Fokus bewegt sich stark in Richtung geringe Fassadenaufhellung bei waagerecht montierten Leuchten. Diesbezüglich war es für alle Bieter mit den Vorgaben der Montage eine Herausforderung, die Kriterien zur Reduktion der Fassadenaufhellung einzuhalten – aufgrund konkreter Grenzwerte in den Normen, abhängig von der Intensität der Straßenbeleuchtung. In der Ausschreibung wurde gefordert, dass die Leuchte die geforderten Grenzwerte ohne Abblendvorrichtung einhalten kann. Darüber hinaus haben wir zusätzliche Abblendvorrichtungen auf den LED-Linsen gefordert, um im Falle des Falles zusätzlich Maßnahmen setzen zu können.
Wie setzen Sie das Thema »Digitalisierung« um?
Wötzl: Digitalisierung spielt für uns eine große Rolle hinsichtlich der Zukunft. Wir versuchen, die Leuchte selbst mit einfachen Mitteln intelligent zu gestalten, das bedeutet, sie kann mit dem wie in der Vergangenheit bereits verwendeten Kontakt gedimmt werden.
Grasnek: Wir handhaben das aktuell zweistufig: Um 22 Uhr dimmen wir mit dem Kontakt um 25 % und zwei Stunden später reduziert die Leuchte selbst nochmal um weitere 25 %. Worauf wir versuchen, unseren zukünftigen Fokus zu legen, ist, den Verkehrsfluss von Hauptstraßen zu erfassen und die Dimmung ganzer Straßenzüge dem Verkehrsaufkommen anzupassen – allerdings nicht die Höhe der Dimmung, sondern den Zeitpunkt zu verschieben. Wir haben den großen Vorteil, dass sich bei Dimmung der neuen LED-Leuchte die Lichtwirkung selbst nicht ändert. Bei den alten 2*40-Watt-Leuchten wurde ein Leuchtmittel weggeschaltet und 50 % weniger Licht ist natürlich stark merkbar. Bei der neuen Leuchte ändert sich die Ausstrahlcharakteristik nicht mehr.
Was bedeutet das für den Energieverbrauch?
Grasnek: Wenn wir die Hälfte der Zeit um 50 % dimmen, können ungefähr 25 % der Gesamtenergiekosten gespart werden. Wenn man das über die Jahresstunden rechnet und man hat von 22 Uhr bis 5 Uhr gedimmt, so ist das in etwa ein Viertel vom Tag, das wäre wieder die Hälfte der absoluten Brenndauer als gedimmte Brennzeit und so kommen wir auf ungefähr 25 % Einsparung mit der aktuellen Zeitsteuerung.
Wird bei den Leuchten Sensorik eingesetzt?
Bekehrti: Wir gehen davon aus, dass wir keine Kommunikation von jeder Leuchte untereinander oder mit einer Zentrale brauchen, wir wollen hier auch keine Drittsysteme (etwa Sensorik) einbauen. Ich bin zwar Verfechter für Digitalisierung/Kommunikation, allerdings auch dafür, eine möglichst störungsfreie Funktionsweise zu gewährleisten. Wir gehen einen anderen Weg: Wir wollen den Strom in den Abgängen messen, der historisch mit bis zu 35 Leuchten bestückt ist, und die Abweichungen analysieren. Diese Vorgehensweise gestaltet sich überschaubarer.
Wötzl: Das ist ein anderer Aspekt der Digitalisierung, der uns, so glauben wir, auch viel über den Anlagenzustand (etwa sich ankündigende Kabelfehler, die immer wieder auftreten bei Schlechtwetter z. B.) informieren kann.
Wenn man zusätzliche Komponenten einbaut, so muss man einerseits unterscheiden zwischen dem Bedarf in einer Stadt bzw. am Land – dieser Umstand wird leider noch nicht in den Normen herausgekehrt. Auch wenn man im städtischen Bereich bleibt, sind die Anforderungen unterschiedlich. Drei Städte mit je 500.000 Einwohnern sind nicht vergleichbar mit einer Großstadt, in der 1,5 Millionen Menschen leben. Bei uns in Wien etwa dauert alleine die Anfahrt zu einer Störung länger als beispielsweise in Graz die Hin- und Retourfahrt. Auch der Bedarf an Licht (Sicherheitsbedürfnis) ist zwischen Stadt und Land nicht vergleichbar. Wir sehen uns als professionellen Betreiber einer riesigen Infrastruktur und wir möchten keine potenziellen Fehlerquellen einbauen, die wir irgendwann nicht mehr beheben können.
Bekehrti: Was auch berücksichtigt werden muss, ist die sehr begrenzte Lebensdauer von elektronischen Bauteilen. Unsere Leuchten haben eine Lebensdauer von zumindest 17 Jahren, was darauf zurückzuführen ist, dass es sich um hochentwickelte Produkte handelt. Ein Sensor wird an diese Lebensdauer nicht herankommen.
Die Ausschreibung im Detail „Im Fokus stehen Standardisierung von funktionalen Einheiten, ökologische Aspekte und Nachhaltigkeit bezogen auf die Beschaffung und Langlebigkeit der Produkte“, hieß es in der Ausschreibung. Grundvoraussetzung für den Zuschlag waren Modulbauweise und Standardisierung der neuen Leuchten. Dies ermöglicht eine flexible Anpassung auf örtliche und zeitliche Gegebenheiten. Im Detail verlangte Wien leuchtet unter anderem den Einsatz von effizienten Treibern und Leuchtmitteln, um die CO2-Emissionen möglichst geringzuhalten sowie höhere Lebenszyklen der Produkte und zugleich eine hohe Ersatzteilhaltung. Außerdem sollen die neuen Leuchten die Lichtverschmutzung minimieren – mittels einer »Cut-Off«-Technik soll verhindert werden, dass der Himmel beleuchtet wird – und auch „die Begrenzung der Fassadenhelligkeiten“ sollte gegeben sein sowie die „größten möglichen Lichtpunktabstände bei gleichzeitiger Einhaltung der Gleichmäßigkeit“. Dass all diese Voraussetzungen enorme Herausforderungen für die Bewerber darstellten, war der Magistratsabteilung bewusst. „Auf Grund der Vorgaben müssen teilweise neue LED-Platinen und auch neue Optiklinsen entwickelt werden“, erfuhr das i-Magazin vorab auf Anfrage. Das ist nicht zu unterschätzen, zumal der Zuschlag auch mit enormen finanziellen Aufwendungen verbunden ist. So muss der Auftragnehmer etwa die Finanzierung der Leuchten übernehmen. Die Stadt Wien wiederum – beziehungsweise Wien leuchtet – ist durch die Bankgarantien des Auftragnehmers abgesichert. |
Wann startet der Montagezeitraum und über wie viele Jahre erstreckt er sich?
Grasnek: Es gibt ein paar verschiedene Zeitfristen – letztlich haben wir die Zielsetzung, dass wir bis Ende 2025 die Straßenbeleuchtung in Wien umgerüstet haben, Corona-bedingt könnte es allerdings auch länger dauern.
Bekehrti: Zu Beginn nächsten Jahres werden wir wieder in mehreren Gebieten gleichzeitig starten. Es gibt nach wie vor keine Aufteilung nach Bezirken, da wir dafür Sorge tragen, dass bei einer möglichen fehlerhaften Charge nicht gleich ein ganzer Bezirk finster wird.
Wötzl: Wir haben in etwa 4.500 Schaltstellen mit bis zu 5 Kabelabgängen, die wiederum jeweils bis zu 35 Leuchten versorgen. Es wird ein Kabelabgang nach dem anderen getauscht – möglichst verteilt über das Stadtgebiet. Das hat den Vorteil, dass man nur einmal die elektrische Anlagendokumentation anpassen muss. Einen Kabelabgang sehen wir als eine elektrische Anlage, deshalb ist die Umrüstung nicht auf Kreuzungen und Straßen bezogen, sondern auf den elektrischen Bezug ausgelegt.
Wie denken Sie über mögliche Änderungen – es gibt ja aktuell konkrete Wünsche etwa innerhalb der Wiener Ringstraße und des Gürtels hinsichtlich Begegnungszonen. Ist damit nicht auch ein anderer Bedarf von Licht verbunden?
Grasnek: Wir können Projekte nicht mit dem Wissen um Veränderung starten, denn Veränderung wird es immer geben – Lösungen gibt es zahlreiche. Braucht man mehr Licht, kann man sich etwa Zwischenraumlampen bedienen oder auch einfach den LED-Einsatz wechseln. Eine konkrete und optimale Lösung kann erst gefunden werden, wenn das Problem bekannt ist.
Bekehrti: Eine Stadt ist dynamisch und wird dies auch immer bleiben. Hinsichtlich künftiger Änderungen sind wir sehr entspannt und nehmen diesbezügliche Herausforderungen an.
Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen auf www.wien.gv.at