Jetzt ist es endlich so weit: Konsumenten sind ab sofort Herr ihres selbst erzeugten Sonnenstroms. Per Gesetz ist es nun allen Österreichern erlaubt, den Strom aus der hauseigenen PV-Anlage zu verkaufen. Einzige Voraussetzung dafür ist es, eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft zu gründen und die Nachbarn als Mitglieder zu gewinnen. Einen finanziellen Vorteil haben dabei alle.
Die einen haben oder planen eine Photovoltaik-Anlage auf ihrem Dach, können jedoch den tagsüber produzierten Strom nicht selbst verbrauchen, weil sie zu den Spitzenzeiten nicht zu Hause sind. Die anderen haben keine eigene PV-Anlage, möchten aber gerne lokal produzierten Ökostrom nutzen. Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) macht die gemeinschaftliche und grundstückübergreifende Nutzung von lokal produziertem Photovoltaik-Strom möglich. Damit wird ein wichtiger Meilenstein gelegt für den Ausstieg aus Öl und Gas, für die Unabhängigkeit von Russland und anderen Diktaturen – hin zu gemeinschaftlicher Selbstversorgung auf lokaler und regionaler Ebene. Doch was ist eine EEG überhaupt? Wer kann eine Energiegemeinschaft gründen oder Mitglied werden? Wie profitieren Mitglieder mit und ohne eigene PV-Anlage? Und welche Chancen bieten EEGs für Sie als Elektriker? Das i-Magazin hat sich schlau gemacht!
Eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft besteht aus mindestens zwei Mitgliedern mit und ohne eigene PV-Anlage. Mitglieder können beispielsweise Privatpersonen, Betriebe, Schulen oder lokale Behörden zu sein. Statt den tagsüber produzierten aber nicht genutzten Strom ins Netz einzuspeisen, können etwa Bewohner von Einfamilienhäusern den Strom an EEG-Mitglieder ohne eigene Anlage abgeben – Betriebskantinen, örtliche Kläranlagen oder andere Privatpersonen, die tagsüber zu Hause sind. „Je unterschiedlicher die einzelnen Mitglieder hinsichtlich der Verteilung des Energieverbrauchs über den Tag, desto besser funktioniert das Modell“, erklärte Gottfried Rotter, Geschäftsführer der e-Marke, bei einer Vortragsveranstaltung Mitte Februar. Die EEG bietet umfangreiche Vorteile für alle Beteiligten: Für Konsumenten winkt eine beachtliche Reduzierung der Stromkosten. Sogenannte »Prosumer« – Personen, die sowohl produzieren als auch konsumieren – profitieren zusätzlich vom Verkauf des selbstproduzierten Stroms innerhalb der EEG. Mitglieder werden bis zu einem gewissen Grad unabhängig von großen Energiekonzernen und explodierenden Energiepreisen am Markt. Für Mitglieder, Kommunen und letztlich das ganze Land sind die EEGs ein wichtiger Schritt weg von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, Russland und anderen autoritären Regimes – hin zu gemeinschaftlicher lokaler und regionaler Selbstversorgung mit sauberer Energie und damit auch hin zur Erreichung der Klimaziele. Elektrikern bieten die EEGs die Möglichkeit für umfangreiche Aufträge für die Installation und Wartung der gemeinschaftlich genutzten PV-Anlagen. Sie werden dadurch noch stärker und sichtbarer als bisher zu den »Machern« der Energiewende.
Sie sind die »Macher« der Energiewende: Elektrikern bieten die EEGs viele lukrative und umfangreiche Aufträge für den Verkauf, die Installation und Wartung von Photovoltaik-Anlagen. (Fotos: Pixabay)
Gemeinschaftlich produzieren, gemeinschaftlich verbrauchen – grundstückübergreifend
Bisher sind nach einer Erhebung von Österreichs Energie im März 2022 bereits 14 EEGs in Betrieb, rund 100 weitere sind in Planung. In der niederösterreichischen Gemeinde Lilienfeld etwa haben sich die Volks- und Mittelschule, ein Sportplatz und ein Freibad zusammengeschlossen, die in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Allein die Anlage auf dem Sportplatz erzeugt im Optimalfall bis zu 140.000 Kilowattstunden pro Jahr. Dabei werden rund 80 Prozent des erzeugten Stroms innerhalb der EEG verbraucht. Während der Sommerferien, also wenn die PV-Anlagen jahreszeitenbedingt besonders viel Strom produzieren, sind zwar die beiden Schulen geschlossen, doch die elektrischen Pumpen des Freibads laufen auf Hochtouren und haben einen dementsprechend großen Energiebedarf. Das Trio aus Schule, Sportplatz und Freibad soll in Lilienfeld nur der Anfang sein: Künftig haben auch Privatpersonen die Möglichkeit, dieser EEG beizutreten. Unterstützt wird diese EEG von der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich. Im oststeirischen Hartberg haben zwei KEM-Manager (KEM steht für Klima- und Energie-Modellregionen) mit ihren privaten PV-Anlagen eine EEG gegründet und beliefern einen privaten Nachbarn und einen Bioladen mit grünem Strom. Hierbei fungieren die Stadtwerke Hartberg als Datendrehschreibe für die Abrechnungen innerhalb der EEG und stellen Strom bereit, wenn die PV-Anlagen zu wenig produzieren.
Wirtschaftliche, ökologische und sozialgemeinschaftliche Vorteile
Eine EEG bringt für Mitglieder mit und ohne PV-Anlage ökologische, wirtschaftliche und sozialgemeinschaftliche Vorteile mit sich. So verringert sich der CO2-Fußabdruck der einzelnen Mitglieder, der Kommune, der Region und des ganzen Landes. Einerseits durch die Produktion und den Verbrauch sauberer Energie, andererseits werden nach dem der EEG zugrunde liegenden Prinzip »lokal produzieren, lokal verbrauchen« lange Übertragungswege konventionell erzeugter Energie vermieden und die Stromnetze geschont. Wirtschaftlich können alle Mitglieder einer EEG profitieren – ob mit oder ohne eigene Anlage. So werden die Nutzungsentgelte reduziert, der Erneuerbaren-Förderbeitrag entfällt für den Bezug von EEG-Strom, die Elektrizitätsabgabe entfällt für den Strom aus Photovoltaik. (Ab 1.7. gilt diese Befreiung für elektrische Energie aus allen erneuerbaren Energieträgern.). Den Preis für den innerhalb der EEG verkauften Strom legt die EEG selbst fest. Dabei kann der Preis so gewählt werden, dass er niedriger liegt als die »normalen« Strompreise, jedoch dem Besitzer der PV-Anlage höhere Einnahmen einbringt, als wenn er den überschüssigen Strom ins Netz einspeisen würde. Wie hoch die finanzielle Ersparnis für die einzelnen EEG-Mitglieder tatsächlich ist, hängt vor allem von der Menge der in der EEG erzeugten und verbrauchten Energie, dem regulären Strompreis und dem EEG-internen Strompreis ab. Eine Musterrechnung des Klimaministeriums kommt für einen Haushaltskunden auf eine mögliche Ersparnis von etwa einem Drittel der Stromkosten – doch „kein seriöses Unternehmen würde dazu eine pauschale Antwort geben“, so Gottfried Rotter. Unter energiegemeinschaften.gv.at steht für eine erste grobe Orientierung ein Berechnungstool zur Verfügung.
Doch auch sozialgemeinschaftlich hat das Konzept einiges zu bieten: „Energiegemeinschaften ermöglichen es Bürger:innen, sich aktiv in der Energiewende einzubringen und sie mitzugestalten“, sagte Ing. Mag. Eva Dvorak, Programm-Managerin der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, im Gespräch mit dem i-Magazin. Dabei gehe es vor allem darum, „der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich aus Abhängigkeiten zu befreien, indem sie Energie gemeinschaftlich erzeugt, über Grundstücksgrenzen hinweg verteilt und verbraucht“, so Dvorak weiter. Bisher sei das nicht möglich gewesen. EEGs haben zudem das Potenzial, das klima- und energiepolitische Bewusstsein der Bevölkerung sowie den sozialen Zusammenhalt zwischen den EEG-Mitgliedern zu stärken – und dazu beizutragen, dass Strom für Mitglieder mit geringem Einkommen leistbar bleibt oder es wieder wird.
Wer kann eine EEG gründen und was sind die ersten Schritte?
Prinzipiell kann eine EEG als Verein, Genossenschaft, Personen- oder Kapitalgesellschaft gegründet werden. Sie muss aus mindestens zwei Mitgliedern oder Gesellschaftern bestehen. Das können Privatpersonen, Gemeinden, Rechtsträger von Behörden in Bezug auf lokale Dienststellen oder Klein- und Mittelbetriebe sein. Eine Besonderheit ist hierbei, dass im Gegensatz zu den meisten anderen Nutzungsformen lokal produzierten Photovoltaik-Stroms auch Mieter Mitglied einer EEG werden und davon profitieren können. Nach oben hin gibt es hinsichtlich der Zahl der Mitglieder zwar keine rechtliche, aber eine räumliche Grenze: Diese ist über die Netzebenen definiert. Hierbei wird zwischen lokalen und regionalen EEGs unterschieden. Innerhalb einer lokalen EEG müssen die Verbrauchsanlagen der einzelnen Mitglieder über ein Niederspannungs-Verteilnetz und den Niederspannungsteil der Transformatorstation verbunden sein. Das heißt, für die Stromübertragung innerhalb einer lokalen EEG kann die Netzebene 5 genutzt werden. Im Regionalbereich muss eine Verbindung über das Mittelspannungsnetz und die Mittelspannungs-Sammelschiene im Umspannwerk vorliegen. Eine regionale EEG bietet somit einen größeren Pool an potenziellen Mitgliedern, dafür profitieren lokale Energiegemeinschaften von stärker reduzierten Netztarifen. Wer wissen möchte, mit wem er potenziell eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft gründen kann, kann diese Information beim zuständigen Verteilnetzbetreiber kostenlos erfragen. Wer an der Gründung einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft interessiert ist, kann sich an die Österreichische Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaft wenden. Dabei handelt es sich um einen Service des Klima- und Energiefonds. Das Ziel der Koordinierungsstelle ist laut Programm-Managerin Eva Dvorak, „eine Initialzündung für eine breite Umsetzung zu setzen“, um die „Herkulesaufgabe“ der Energiewende entscheidend voranzubringen.
Die »Herkulesse«, auf die es dann ankommt, sind Sie, liebe Elektriker!
Weitere Informationen auf: www.energiegemeinschaften.gv.at