Photovoltaik:

Die Mär vom wartungslosen Stromerzeuger

von Moritz Hell
Mikroorganismen auf landwirtschaftlichen Photovoltaikanlagen

Laboruntersuchungen bestätigen immer wieder Kolonien von Mikroorganismen auf Photovoltaikmodulen. Die beinträchtigen nicht nur die Anlagenleistung, sondern können Module auch nachhaltig schädigen. Mikroorganismen wie Schimmelpilze und Flechten sind eine Gefahr für Oberflächen und Dichtungen.

Die Mär vom wartungslosen Stromerzeuger

Reinigung von Photovoltaikanlagen galt und gilt in Deutschland noch immer als eine Art Luxus. Zu tief sitzt die Mär vom wartungslosen Sonnenstromgenerator, die sich in der Blütezeit der Einspeiseanlagen in den Köpfen festgesetzt hat. Fatal, denn immer wieder werden Reinigungsunternehmen gerade bei landwirtschaftlichen Anlagen mit Verschmutzungen konfrontiert, die mit der herkömmlichen Methode, demineralisiertes Wasser und mechanischer Oberflächenbearbeitung, nur schwer entfernt werden können. Diese besondere Art der Verschmutzung betrifft vor allem PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden und in unmittelbarer Nähe von Biogasanlagen.

Anlagenfeind Biofilm

Untersuchungen von Oberflächenproben dieser Anlagen zeigen, dass es sich bei dieser besonders hartnäckigen Art der Modulverschmutzung um Kolonien von Mikroorganismen handelt. Eine muntere Gemeinschaft von Schimmelpilzen, Cyanobakterien und Schwarzen Pilzen gedeiht in landwirtschaftlichem Umfeld offensichtlich bestens. Diese Ansammlung von Organismen wird als Biofilm bezeichnet und hat nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) mehrere unangenehme Eigenschaften. Zum einen absorbieren die Lebensformen Licht im Bereich von 300 bis 1.000 Nanometer, also genau jenem Bereich, in dem Solarstrom gewonnen wird. Außerdem entwickeln diese Organismen Zellfortbildungen, die in die Poren der Glasoberfläche und in Dichtungen eindringen und diese langfristig schädigen.

Vollständig verhindert werden kann die Biofilmbildung nicht, aber sie kann durch regelmäßige Reinigung der Photovoltaikmodule immer wieder unterbrochen werden. Wie oft gereinigt werden sollte, ist vom Einzelfall abhängig und sollte mit einem Fachbetrieb besprochen werden. Es gibt Anlagen, die einmal im Jahr gereinigt werden sollten, bei anderen sind die Zeitabstände größer. Entscheidend ist der Standort und die auf die jeweilige Anlage einwirkende Verschmutzung. Wer das Biofilmwachstum zusätzlich verlangsamen will, kann Zusatzstoffe im Reinigungswasser, wie zum Beispiel Siliziummoleküle, einsetzen. Die Moleküle lagern sich elektrostatisch auf der Moduloberfläche an. Die molekülstarke Schutzschicht aus natürlichem Silizium wirkt desinfizierend und erschwert es den Mikroorganismen, sich an der Glasoberfläche anzulagern.  Eine weitere Möglichkeit ist die langfristige Versiegelung der Moduloberfläche. Ob diese Methoden eingesetzt werden und wenn, ja, welche, sollte, ebenfalls mit einem Fachbetrieb abgesprochen werden.

Selber Hand anlegen oder Fachfirma beauftragen?

Die Empfehlung lautet, eine Fachfirma zu beauftragen. Die Argumente dafür sind:

  • Hersteller haben klare Vorgaben für die Pflege ihrer Module. Wer selbst Hand anlegt, riskiert die Modulgarantie.
  • Fachfirmen haben Routine, Erfahrung und die richtige Ausrüstung.
  • Wer selbst reinigt, trägt das komplette Risiko.
  • Zertifizierte Fachbetriebe bieten oft Service über die Reinigung hinaus, z.B. Thermografie.
  • Sie erklären Möglichkeiten der Nachbehandlung mit speziellen Oberflächenprotektoren.
Werterhalt

Bei guter Pflege liefern Photovoltaikanlagen weit über die EEG-Förderzeit guten, grünen und praktisch kostenlosen Strom. Unter dem Aspekt der Langzeitschädigung einer Photovoltaikanlage durch Mikroorganismen kann die Frage, ob regelmäßig gereinigt werden muss, nur mit einem „Ja“ beantwortet werden. Natürlich geht es auch um den Leistungsverlust durch Verschmutzung, der sich irgendwo im Bereich zwischen 5 und 35 Prozent bewegt. Wichtiger aber ist, dass regelmäßige Reinigung dem Erhalt der Anlage dient und die eigene Photovoltaikanlage nach dem Ende der Einspeisevergütung als Eigenverbrauchsanlage, zum Beispiel mit Stromspeichern und Elektrofahrzeugen, weiter genutzt werden kann. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Anlage Grünstrom ins Netz liefert. Regelmäßige Reinigung sichert maximale Stromernte und dient dem langfristigen Erhalt der Anlagenleistung über das Ende der EEG-Förderung hinaus.

Information auf der EuroTier / EnergyDecentral 2020

Zur Zeit lässt die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) die Verschmutzung von Photovoltaikanlagen in ihrem Testzentrum in Groß-Umstadt untersuchen. Die DLG ist ein offenes, internationales Netzwerk, dessen Ziel es ist, die globalen Lebensgrundlagen nachhaltig zu sichern. Die Ergebnisse der Untersuchung werden auf der EnergyDecentral 2020 vorgestellt. Reinigung und Werterhalt von Bestandsanlagen wird neben anderen Themen der dezentralen Energieversorgung in der Landwirtschaft ein zentrales Thema auf der Energy-Decentral, Partnermesse der Weltleitmesse EuroTier, im November 2020 in Hannover sein.

www.dlg.org
www.energy-decentral.com

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