Der stetig wachsende Anteil von Wind- und Sonnenenergie im elektrischen Energieversorgungssystem und der Trend zur Elektromobilität stellen unsere heutigen Niederspannungsnetze vor allem im ländlichen Raum vor große Herausforderungen. Stark fluktuierende Einspeisung und hoher, oft gleichzeitiger Leistungsfluss führen zu unerwünschten Spannungsschwankungen und Betriebsmittelüberlastungen. Durch den Einsatz intelligenter Regelungssysteme und die damit mögliche Steuerung moderner Komponenten – wie Wechselrichter und Ladestationen für Elektroautos – können diese negativen Effekte vermieden und ein großer Anteil erneuerbarer Energieträger in die Verteilnetze integriert werden. In seiner Dissertation mit dem Titel »Rapid Control Prototyping for Networked Smart Grid Systems Based on an Agile Development Process« entwickelte Mario Faschang vom AIT Energy Department einen innovativen Prozess für das Design, die Entwicklung und das Testen solcher Regelungssysteme. Binnen kürzester Zeit wurde die Arbeit des jungen Forschers mit drei Preisen ausgezeichnet, was die wirtschaftliche Relevanz der erzielten Ergebnisse belegt. Beim »Oesterreichs Energie Kongress 2016«, an dem ein Großteil der österreichischen Netzbetreiber vertreten war, erhielt die Arbeit im September den renommierten »Oesterreichs Energie Forschung & Innovation Preis«. Nur einen Monat später folgte der erste Platz beim INiTS Award 2016 in der Kategorie »Informations- und Kommunikationstechnologie« sowie der Green Tech Award 2016.
Informatik trifft Elektrotechnik
„Der in der Dissertation entwickelte agile Entwicklungsprozess vereint moderne Ansätze aus der Softwareentwicklung mit Engineeringmethoden aus der Elektrotechnik“, erläutert der dreifache Preisträger Mario Faschang. Die Regelungssoftware wird schon in einem sehr frühen Entwurfsstadium mit einem simulierten Stromnetz und anschließend auch mit dem entsprechenden Kommunikationsnetz gekoppelt und evaluiert. In der Folge geht es dann ins Labor, wo die entwickelte Regler-Software in realer Hardware in einem »Controller-Hardware-in-the-Loop«-Test umfassend evaluiert wird. „In der Dissertation ist erstmals eine durchgängige Kopplung all dieser Schritte gelungen“, so Faschang. Der Vorteil des neuen Entwicklungsprozesses: deutlich kürzere Entwicklungszeiten, geringeres Risiko bei der Einführung von neuartigen Regelungssystemen und hohe Flexibilität im Entwicklungsprozess.
Verfasst wurde die Arbeit am Institut für Computertechnik der Technischen Universität Wien und am Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik (OFFIS) der Universität Oldenburg. Prof. Sebastian Lehnhoff, Institutsvorstand und Sprecher des Bereichs Energie am OFFIS: „ Faschang ist eine eindrucksvolle Arbeit gelungen, die agile Methoden – die man in der Softwareentwicklung seit langem kennt, um Entwicklungsprozesse flexibler, schlanker und schneller zu machen – für die Umsetzung von Smart Grids erschließt. Ein Paradebeispiel für gelungene Energieinformatik.“
Für die Einbindung realer Komponenten in eine simulierte Netzumgebung steht am AIT mit dem SmartEST-Labor eine international einmalige Laborinfrastruktur zur Verfügung. AIT-Experte Friederich Kupzog: „Diese Arbeit ermöglicht es uns, die Industrie noch gezielter bei der Entwicklung und Validierung von Komponenten für die Smart Grids von morgen durch Rapid-Prototyping zu unterstützen“.
Dass die Methode funktioniert, wurde bereits in drei Demoregionen in Oberösterreich und Salzburg unter Beweis gestellt. Durch den Einsatz der damit entwickelten Regelungssysteme konnte eine große Anzahl von privaten PV-Anlagen ohne teure Netzverstärkung in die lokalen Stromnetze integriert werden.