Fortuna Solar ersetzt Lärmschutzwände an der Autobahn durch LG-Module vom Typ NeON H BiFacial:

Erstes Sonnenkraftwerk an der S1

von David Lodahl
Foto: © Ibesich zum Firmenprofil

Wir müssen brachliegende Flächen sinnvoll nutzen, um die Klimaziele zu erreichen! – Darin sind sich die Experten einig. Mit diesem Vorsatz ging die ASFINAG nun an ein Projekt heran, das auch international für Aufsehen sorgen wird: Denn an Österreichs Autobahnen entstehen künftig Sonnenkraftwerke, die einen beträchtlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten werden. Statt der grauen Schallschutzwände werden Photovoltaikmodule in einer ersten Ausbaustufe für rund 42 MW Modulleistung sorgen. Sechs Pilotprojekte an der S1 sollen zunächst zeigen, welches die beste Lösung ist. Das i-Magazin war dabei, als die Verantwortlichen von Fortuna Solar und Form-tec Solartechnik LG-Module vom Typ NeON H BiFacial zum Einsatz brachten. Im Februar 2022 werden wir wissen, was die bifacialen Module des koreanischen Herstellers tatsächlich so draufhaben – schließlich ernten die Module die Energie von beiden Seiten und liefern auch dann Strom, wenn trübes Wetter aufzieht.

von Thomas Buchbauer

Die grauen Wände an Österreichs Autobahnen sind bald Geschichte – zumindest, wenn es nach den Plänen der ASFINAG geht. Schon in Kürze werden an der S1 am südlichen Stadtrand von Wien Schallschutzwände durch Photovoltaikmodule ersetzt – in der ersten Ausbaustufe sollen Kraftwerke auf einer gesamten Länge von 70 km entstehen. Derzeit laufen sechs Pilotprojekte in einem Versuchsstadium, um herauszufinden, welche Kombination aus Modulen, Befestigungssystemen und Wechselrichter die effizienteste Variante ist. Die Fortuna Solar GmbH mischte dabei mit Unterstützung des deutschen Stahlbauunternehmens Formtec, LG Solar und SKE Huawei kräftig mit.

Fortuna Solar und Form-tec Solartechnik setzten an der Pilotanlage der S1 LG-Module vom Typ NeON H BiFacial ein. Foto: www.i-magazin.com

Ein umfassendes Leistungsspektrum

Heinz Grocholski ist seit nunmehr zwölf Jahren ein fixer Bestandteil der österreichischen Photovoltaik-Szene. Grocholski begann seine berufliche Laufbahn in der PV-Szene beim größten deutschen Errichter – er baute für seinen damaligen Arbeitgeber den heimischen Markt auf, wechselte schließlich zu einem österreichischen Errichter, um schlussendlich im Jahr 2019 den Schritt in die Selbstständigkeit zu setzen. „Die Photovoltaik war aus meiner Sicht immer schon ein hochspannender und zukunftsträchtiger Markt – das ist zweifelsohne bis heute der Fall. Und in Anbetracht der weltweiten Klimaziele wird sich dran so schnell nichts ändern“, ist Grocholski optimistisch.

Bereits im Jahr 2021 erzielte die Fortuna Solar durch die Realisierung vieler kleiner und mittlerer PV-Anlagen 12 MW statt der angestrebten 9 MW installierter PV-Leistung. Das rasche Wachstum hat seine Gründe – aus der Sicht von Heinz Grocholski waren vor allem die Jahre vor seiner Selbstständigkeit ausschlaggebend für den Erfolg: „Ich denke, dass ich Kunden und Lieferanten stets korrekt behandelt habe – das scheint sich nun in unserer Performance positiv ausgewirkt zu haben.“ Dass die PV-Errichter-Branche auf einem Allzeit-Hoch angelangt ist, zeigt auch, dass Grocholski im Gespräch mit dem i-Magazin betont, seit dem Beginn seiner Selbstständigkeit keine Klinke geputzt und an keiner Ausschreibung teilgenommen haben zu müssen: „Wir haben seit Anbeginn einzig und alleine von der Mundpropaganda bzw. vom Prinzip des Empfehlungsmarketings profitiert. Zufriedene Kunden haben uns weiterempfohlen oder haben weitere Projekte mit uns realisiert.“

Der Bogen des Leistungsumfangs von Fortuna Solar spannt sich von der kostenfreien Projekt-Grobplanung in 3D, den Detailgesprächen, geht über in die Einreichung und Förderabwicklung und endet in der Detailausarbeitung, der Installation und der Inbetriebnahme samt Übergabe an die Kunden. „Wir achten darauf, dass wir für jeden Kunden das beste Paket schnüren, indem wir individuell auf seine Bedürfnisse im Betrieb eingehen. Da das Monopol der Stromproduktion mit dem neuen Erneuerbaren Ausbau-Gesetz nun endgültig vorüber ist, hinterfragen wir auch, ob der Kunde den gewonnenen Strom selbst verbrauchen und/oder vermarkten will“, weist uns Grocholski auf einen wichtigen Aspekt hin. Während »Prosumer« bisher ausschließlich als geflügelter Begriff gegolten hat, sind Privatpersonen und Unternehmen künftig auch rechtlich befähigt, Strom zu produzieren und ihn weiterzuverkaufen. Das eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle: „Wenn Kunden die Anlagen aus welchen Gründen auch immer nicht selbst errichten wollen, bieten wir ihnen auch an, ihre Freiflächen und Dächer zu pachten und investieren und errichten als Fortuna Solar selbst“, gibt uns der Experte Einblick in die Konzepte der PV-Dienstleistungsunternehmens. Derartige Anlagen sorgen dafür, den Unternehmenswert von Fortuna Solar zu steigern und werden laut Aussage von Heinz Grocholski rund 25 bis 30 Jahre betrieben. „Derzeit stehen 46 fertiggestellte Anlagen samt Genehmigungen, Widmungen, Netzverträgen und Anschlüssen in den Startlöchern, und warten nur mehr auf die Verordnungen des EAG, um künftig am Strommarkt mitmischen zu können. Ich behaupte, dass wir auch in dieser Hinsicht zu den Vorreitern zählen – schließlich habe ich mir bereits vor geraumer Zeit Gedanken darüber gemacht, wie man damit Renditen erwirtschaftet“, lässt uns Grocholski wissen. Vor dem i-Magazin lässt er durchblicken, dass Fortuna Solar gemeinsam mit dem Start-up, GoGreener, eine Software entwickelt hat, die es einem durch Eingabe von ein paar wenigen Parametern ermöglicht, den Preis bei der Vergabe der Marktprämienförderung im Vorfeld zu bestimmen, um die für Investoren zugesagten Rendite auch tatsächlich gewährleisten zu können. „Mit anderen Worten: Damit hat man ein Tool für die Wirtschaftlichkeitsberechnung von PV-Anlagen in der Größenordnung ab 100kW zur Verfügung, das auch von Banken geprüft, auf die sechste Kommastelle genau Werte ausgibt, die auch von den Finanzinstituten akzeptiert werden, um Finanzierungsmöglichkeiten zu evaluieren“, so Grocholski.

Grenzübergreifende Kooperation

Das Team von Fortuna Solar arbeitet nicht nur an der Zukunft, es arbeitet auch mit der Zukunft: „Bei der Planung beziehen wir Technologien wie VR-Brillen ein, erstellen Teile im 3D-Druck und bedienen uns diverser Planungssoftware.“ Neben dem Planungsexperten umfasst das Team von Fortuna Solar Elektrotechniker mit Befähigungsnachweis, der wertvolle Leistungen innerhalb des Unternehmens abdeckt und technisch versierte Vertriebsmitarbeiter, die bis auf Vorarlberg das gesamte Bundesgebiet betreuen. Es können bis zu 80 Monteure PV Anlagen errichten.

Neben der Fortuna Solar gründete Heinz Grocholski vor Kurzem die Formtec Solartechnik – ein Handelsunternehmen, das Montagesystem für PV-Systeme auf Freiflächen und Deponien anbietet. Mit im Boot ist auch Ralf Düllmann, der mit seinem 210 Mitarbeiter umfassenden Team der Form-Tec Profiltechnik – einem deutschen Unternehmen mit Sitz in Werl in der Nähe von Dortmund – als Hersteller jahrelange Erfahrung und umfassendes Know-how im Bereich der Unterkonstruktionen für Photovoltaikmodule einbringen kann. Doch damit nicht genug: Düllmann war viele Jahre für einen der führenden deutschen Hersteller für Lärmschutzwände tätig. Ein Erfahrungsschatz, der sich für die beiden Geschäftspartner in Sachen ASFINAG-Projekt noch als ungeheuer wertvoll herausstellen sollte.

Im Wettbewerb mit anderen Ideen

Gemeinsam traten Grocholski und Düllmann bzw. die Fortuna Solar und die From-tec Solartechnik schließlich an, um ein System aus Hochleistungs-PV-Modulen und Montagesystem zu entwickeln, das den Anforderungen der ASFINAG an der S1 gerecht wird.

Grocholski, der bereits PV-Anlagen für die ASFINAG geplant und errichtet hat – etwa jene 220 kW-Anlage bei der Südportalausfahrt des Katschbergtunnels – weiß um den dringenden Bedarf der staatlichen Infrastrukturgesellschaft, Strom selbst zu produzieren: „Da die ASFINAG für ihre Anlagen einen hohen Strombedarf hat, ist die Priorität, die laufenden Kosten zu senken, sehr hoch. Darüber hinaus bringen die Klimaziele unseres Landes Staatsbetriebe unter Zugzwang.“ Die ASFINAG gab bereits vor ein paar Jahren beim AIT eine Studie in Auftrag, die feststellen sollte, welchen Stellen der rund 1.400 km Lärmschutzwände an den Autobahnen Österreichs durch PV-Anlagen ersetzt werden könnten. Die Ausschreibung erfolgte Ende 2020 auf der IÖB-Innovationsplattform in Form eines Ideenwettbewerbes. Von den insgesamt 38 eingereichten Projekten überzeugten die Verantwortlichen der ASFINAG unter der Leitung von Kurt Portschy gerade mal sechs. Sie wurden von der ASFINAG daraufhin eingeladen, jeweils ein Lärmschutzwand-Feld an der S1 mit ihrem System zu bestücken. Zu den Unternehmen, die sich eine Chance, den Auftrag zu erhalten, ausrechnen konnten, zählte laut Heinz Grocholski – bis auf die Fortuna Solar – keines, dessen Kerngeschäft die Errichtung von PV-Anlagen ist.

Kein Wunder, dass man sich für einen derartigen Einsatz noch in der Findungsphase befindet. Denn laut Expertenmeinung gibt es europaweit noch kein System, das sich für einen derartigen Zweck nachhaltig etabliert hat. Mit anderen Worten: Das System, das sich im Laufe der Pilotphase an der S1 durchsetzt und mittelfristig überzeugende Performance abliefert, hat schlussendlich auch gute Chancen, Interesse ausländischer Investoren zu wecken. Gesagt, getan – die ersten Interessenten klopften bereits an: „Wir erhielten bereits Anfragen von der deutschen und der Schweizer Autobahngesellschaft“, verrät der Geschäftsführer der Fortuna Solar vor dem i-Magazin-Mikro.

Leise und effektiv

Nachdem Grocholski und Düllmann die Rahmenkonstruktion, die eine Kombination aus Energiegewinnung und Lärmschutz gewährleisten musste (das Gesamtsystem muss die Lärmschutzfunktion weiter erfüllen und Messwerte unter 70 db vorweisen), unter Dach und Fach hatten – der Fertigstellung gingen umfangreiche Windkanal- und Schallschutztests voraus – war es anschließend am PV-Experten, die Komponenten auszuwählen. Während sich Grocholski für das Wechselrichtermodell KTL-M1 mit Leistungsoptimierung von Huawei entschied, das bedingt durch das ausgefeilte Monitoring-System aus seiner Sicht technisch federführend ist, erhielt auch auf der Modulebene das technologisch führende Produkt den Zuschlag. Das bifaziale Modul vom Typ NeON H BiFacial des koreanischen Herstellers LG Solar stach die Paneele des Wettbewerbs einmal mehr aus. „Ausschlaggebend dafür, dass die Entscheidung zu Gunsten des LG-Moduls fiel, war abgesehen von der bifazialen Bauweise und damit der Möglichkeit, die Energie von beiden Seiten des Moduls zu gewinnen, die Tatsache, dass es bedingt durch die N-Typ-Zelltechnologie auch bei geringer Sonneneinstrahlung noch Leistung abliefert“, beschreibt Grocholski seine Herangehensweise in der Entscheidungsfindung.

Michael Ibesich, hierzulande verantwortlich für den Vertrieb von LG Solar, hat ein überzeugendes Argument zugunsten der bifazialen Module: „Die aktuelle Teststecke an der S1 ist zwar nach Süden ausgerichtet, aber über den gesamten Verlauf der Autobahn findet man natürlich keine konstante Südausrichtung vor. Die Folge ist, dass wir durch die beidseitige Leistungsaufnahme der Module einen großen Vorteil erwirtschaften.“

Die Leistungsdaten sind überzeugend – die 144 Zellen jedes LG-Moduls liefern eine Ausgangsleistung von 495 Wpeak. Aber damit nicht genug. Michael Ibesich liefert uns auch den Grund, weshalb die LG-Module konstanter als andere am Markt erhältliche Paneele Leistung abliefern: „Die Module des NeON H BiFacial sind durch die Verwendung von N-Typ-Zellen weniger von lichtinduzierter Degradation betroffen als herkömmliche P-Typ-Solarmodule – das ist auch der Grund, weshalb sie auch bei diffusen Lichtverhältnissen im Gegensatz zu Modulen des Mitbewerbs noch Leistung abliefern.

Werden es mehr als 70 km?

Mit der Kombination aus den LG-Modulen und dem Wechselrichter schnürte Fortuna Solar ein Paket, das hinsichtlich Energieertrag pro Laufmeter sicherlich zu den Favoriten an der Teststrecke der S1 zählen wird – so viel kann wohl heute schon verraten werden. Jedes Lärmschutzfeld misst 5 Meter Länge und 3,6 Meter Höhe, in dem jeweils 6 Module zum Einsatz kommen, die in Summe 3 kW Modulleistung erwirtschaften. Für die geplanten 70 km der ersten Ausbaustufe hat die Projektlösung der Fortuna Solar somit eine Leistung von insgesamt 42 MW bzw. ca  50,4 GWh grünem Strom, zur Folge. Strom, der entweder von der ASFINAG selbst verbraucht, oder von ihr an Industrie- und Gewerbeunternehmen entlang der Autobahnen verkauft werden kann. Grocholski macht die Energieausbeute der Anlage mit einem Vergleich greifbarer: „Mit der Leistung, die wir auf den geplanten 70 km erwirtschaften, ließen sich rund 14.000 Haushalte mit Strom versorgen“, skizziert der PV-Experte abschließend, welche Ausbaukapazitäten mit derartigen Anlagen künftig erschlossen werden können. In Anbetracht derartiger Projekte sind die Ausbauziele Österreichs im Bereich der Photovoltaik bis zum Jahr 2030 wohl keine Utopie mehr.

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