Ein Bauprojekt beginnt immer mit dem Wunsch des Bauherrn. Dem folgt der planerische Entwurf des Architekten, und darauf aufbauend werden mit Hilfe von CAD-Systemen die zur Ausführung notwendigen technischen Bau- und Konstruktionszeichnungen angefertigt. Diese wiederum sind die Basis für die Ermittlung der erforderlichen Bauleistungen, des Aufmaßes und der Kosten. Kommt es zu Änderungen, führen Architekt oder Fachplaner diese am Plan durch und es folgt ein fröhlicher Abstimmungsreigen.
Änderungen kosten Zeit – und Geld
Änderungen bei Bauprojekten sind gelebte Praxis. Mögen die Gründe dafür unterschiedlich sein, die Folgen sind stets dieselben: Die technisch konstruktiven Zeichnungen und die Kalkulationen – die Statik, die bauliche Ausführung oder die Haustechnik betreffend – sind nachzuführen, der Arbeits- und Koordinationsaufwand und damit die Kosten steigen.
Um den notwendigen Abgleich unterschiedlicher Planversionen möglichst fehlerfrei über die Bühne zu bringen, braucht es meist ein professionelles Nachtragsmanagement. Doch es geht auch anders: Mit Building Information Modeling (BIM) lassen sich der Aufwand und die Fehleranfälligkeit bei Änderungen deutlich reduzieren.
„Bei der Gebäudedatenmodellierung wird ein intelligentes digitales Gebäudemodell erstellt, das von allen Beteiligten eingesehen und kollaborativ bearbeitet werden kann“, erklärt Architekt Dipl.-Ing. Peter Kompolschek, der in seinem Architekturbüro seit Langem auf BIM setzt. „Änderungen werden an der Projektdatei – dem Modell – durchgeführt. Ich kann sie also umgehend analysieren und neu berechnen und somit die wesentlichen Parameter, wie Flächenbedarf und Konstruktionshöhe, unmittelbar evaluieren“, ist Kompolschek von den Vorteilen überzeugt.
Standards für Austausch intelligenter Daten
Beim Einsatz von Building Information Modeling sind Änderungen für alle Beteiligten sowohl als Zeichnung wie auch als Datenpaket direkt verfügbar. Wenn sich also beispielsweise der Grundriss ändert, kann das Auswirkungen auf die Ausführung von Türen und Fenstern haben. Ändert der Verantwortliche die Beschreibungen im digitalen Datenmodell, passen sich Stücklisten und Kalkulation automatisch an.
Damit bei solchen komplexen Modellen grafische Daten strukturiert abgelegt und intelligente Gebäudedaten und -informationen ausgetauscht werden können, sind einheitliche Standards notwendig. Diese sind in der ÖNORM A 6240-4 festgelegt. Sie regelt die technische Umsetzung des Datenaustauschs und der Datenhaltung von Gebäudeinformationen und ermöglicht es, digitale Gebäudearchive zu erstellen.
Definiert sind darin unter anderem eine Layer-Struktur für die Datenmodellierung über die Materialien, Maßstäbe und Gewerke gesteuert werden. Das von der ÖNORM A 6240-4 verwendete DFX-Format stellt Befehle zur Verfügung, um Informationen gruppiert abzulegen. Dies macht sich der Standard innovativ zunutze, indem er definiert, wie grafische Daten strukturiert abgelegt und intelligente Gebäudedaten und -informationen ausgetauscht werden können. Zur Erstellung des Datenmodells stellt Austrian Standards allen Anwendern kostenfrei eine normkonforme Datei zur Verfügung.
Eigene Normenfamilie ab 2015
Mit der ÖNORM A 6240-5 entsteht derzeit ein weiterer Standard, der digitale, auf BIM basierende Dokumentationen behandelt. Die Standards für die digitale Modellierung werden – voraussichtlich ab Jahresbeginn 2015 – in der eigenen Normengruppe ÖNORM A 6241 zusammengefasst.
ÖNORM A 6241-1 entspricht der ÖNORM A 6240-4 und wird – um Ausführungs- und Detailplanung erweitert und von Unschärfen bereinigt – Anfang 2015 unter dem neuen Namen erscheinen.
ÖNORM A 6241-2 (vormals Normvorhaben ÖNORM A 6240-5) ist gerade im Entstehen und wird die digitale, auf Building Information Modeling basierende Dokumentation beinhalten.
„Die BIM-Normen setzen beim Datenformat auf die Industriestandards Drawing Interchange File Format (DXF) bzw. Industry Foundation Classes (IFC) auf, die frei zugänglich sind (Public Domain) und zu 100 Prozent von der Softwareindustrie unterstützt werden. Damit ist gewährleistet, dass Daten jederzeit zwischen allen Beteiligten austauschbar sind“, berichtet Architekt Kompolschek, der dem zuständigen Komitee 011 bei Austrian Standards vorsteht.
Europäischer Standard in Arbeit
Mit diesen Standards ist Österreich einmal mehr Vorreiter. Auf internationaler Ebene existieren, mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, gegenwärtig noch keine Regelwerke zum Thema. In Kürze nimmt ein Technisches Komitee des Europäischen Komitees für Normung CEN die Arbeit auf. Mit dem Architekten Peter Kompolschek und dem Softwareingenieur Peter Muigg hat Austrian Standards zwei Vertreter nominiert, die Österreichs Standpunkt in eine künftige Europäische Norm für Gebäudedatenmodellierung einbringen.