Die Standesbezeichnung »Ingenieur« ist in ihrer Form einzigartig im europäischen Raum – in Österreich wird der Titel zur Zeit rund 4.500 Mal im Jahr für technische und gewerbliche Fachrichtungen verliehen sowie rund 400 Mal im land- und forstwirtschaftlichen Fachbereich. Um den »Ingenieur« konkreter mit vergleichbaren Qualifikationen in Bezug setzen zu können, soll der Titel mithilfe einheitlicher Standards in den NQR eingeordnet werden – und zwar in Stufe 6, die dem akademischen Grad eines »Bachelors« entspricht. In diesem Zuge wechselt der Ingenieurstitel von der bisherigen Standesbezeichnung zur zukünftigen Qualitätsbezeichnung.
Was ist der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR)?
Der Nationale Qualifikationsrahmen ist ein Mittel zur Systematisierung von Qualifikationen, Kompetenzen und Abschlüssen in acht aufsteigende Levels. Jede einzelne dieser Stufen wird mithilfe verschiedener Deskriptoren definiert, die Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenz berücksichtigen. Der österreichische NQR ist am Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) ausgerichtet und berücksichtigt sämtliche Bereiche des bundesweiten Bildungssystems.
Oberstes Ziel des EQR ist die Erhöhung der Transparenz zwischen den Berufsausbildungs- und Bildungssystemen der EU-Mitgliedsstaaten. Der NQR dient demnach der nationalen Systematisierung der österreichischen Bildungslandschaft – Qualifikationen sollen/können so miteinander und zueinander in Verbindung gesetzt werden. Und das in einem gemeinsamen System, das Ausbildung und berufliche Abschlüsse zuordnet und koordiniert.
Was ist neu beim »Ingenieur«?
Um die zukünftige Qualifikationsbezeichnung »Ingenieur« zu erlangen, ist Folgendes zu beachten: Wie bisher ist zunächst die Ablegung der Reife- und Diplomprüfung an einer höheren technischen oder gewerblichen Lehranstalt (bzw. einer höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt) notwendig. „Es muss ebenso ein Nachweis einer dreijährigen Praxis erbracht werden, allerdings muss diese bei unselbständig Erwerbstätigen im Durchschnitt mindestens 20 Wochenstunden betragen“, so Ing. Ernst Krause, Präsident des Verbandes Österreichischer Ingenieure (VÖI). »Minimalbeschäftigungen« genügen also nicht mehr. Krause weiter: „Außerdem ist – zur Vertiefung sowie Erweiterung der erworbenen Kenntnisse – die Praxistätigkeit nach der Diplom- und Reifeprüfung nachzuweisen, jegliche Praxis davor kann nicht mehr anerkannt werden.“
Statt dem Ministerium sind zukünftig Selbstverwaltungskörper mit dem Procedere rund um die Erlangung der Qualifikationsbezeichnung Ingenieur betraut. In einem Fachgespräch mit Experten aus dem jeweiligen Fachbereich soll das Vorhandensein der vertieften Kenntnisse seitens der Antragsteller eruiert werden. Auch Innovationsfähigkeit und die Kompetenz hinsichtlich eigenverantwortlicher Handhabung der fachlichen Tätigkeiten soll hierbei ermittelt werden.
Dafür wird es eigene Zertifizierungsstellen geben, die den Antragsteller nach positiver Beurteilung im Zuge des Vorverfahrens (Überprüfung der Zeugnisse und Unterlagen der absolvierten Praxis) zum Fachgespräch laden. Dieses wird von zwei Fachexperten geführt werden, wobei eine der beiden Personen selbst im entsprechenden Fachbereich beruflich tätig und der andere Experte eine Lehrkraft aus dem betreffenden oder einem verwandten Fachbereich sein muss. Bestätigen beide Kommissionsmitglieder das Vorliegen ausreichender ingenieurmäßiger Kompetenzen, wird das Fachgespräch positiv absolviert. Im gegenteiligen Fall kann das Gespräch übrigens einmal im Rahmen der Antragstellung wiederholt werden.
Derzeit bestehende Ingenieurstitel wurden unter anderen Voraussetzungen (aus älteren Gesetzen) erworben und können somit nicht in dieser Form entsprechend eingestuft werden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, sich durch ein Fachgespräch nachqualifizieren zu lassen.
Was soll es bringen?
Im Zuge der Aufwertung der Ingenieursqualifikation sollen sich die Chancen am (internationalen) Arbeitsmarkt erhöhen sowie zahlreiche Vorteile für die österreichische Unternehmenslandschaft (Wettbewerbsfähigkeit) zeigen. Ing. Ernst Krause bringt es wie folgt auf den Punkt: „Vorteile ergeben sich konkret für den europäischen Binnenmarkt, man denke hierbei an internationale Ausschreibungen, die formale Qualifikation kann konkret angefordert und in weiterer Folge auch gezielt nachgewiesen werden. Auch in punkto Qualitätssicherung ergeben sich hier Vorteile, denn die Zertifizierungsstellen haben ebenso einen entsprechenden Qualitätsnachweis zu erbringen.“
Kritische Stimmen gibt es natürlich auch. Die Grünen stimmten gegen das Gesetz und betonten die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Gleichstellung mit dem Bachelor: Eine Vergleichbarkeit dieses Studiums mit einer Matura, einer Berufspraxis und einem nicht benoteten Fachgespräch sei in diesem Zusammenhang nicht realistisch. Die Vermutung liegt laut den Grünen nahe, dass die Regierung so die Akademiker-Statistik erhöhen will. „Der Ingenieur und der Bachelor finden sich zwar in derselben Stufe eingereiht“, so der Präsident des VÖI, „allerdings sind die beiden als gleichwertig und nicht als gleichartig anzusehen.“ Eine interne Differenzierung bleibt demnach bestehen.
Übrigens soll das Ingenieurgesetz am 1. Mai 2017 in Kraft treten – passend genau 100 Jahre nach der Kaiserlichen Verordnung zur Führung der Standesbezeichnung »Ingenieur«.
Die wichtigsten Neuerungen zum Ingenieurgesetz 2017 im Überblick
- Die Praxistätigkeit muss nach der Reife- und Diplomprüfung absolviert werden.
- Bei der nachzuweisenden Praxis gibt es eine explizite Festlegung auf durchschnittlich zumindest 20 Wochenstunden.
- Die ingenieurmäßige Qualifikation muss in Fachgesprächen nachgewiesen werden.
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Ich finde das schlicht weg eine [b]Megaabzocke[/b]! Bin selber Ingenieur, und finde es eine Schande dass man nun wieder 370 Euro dafür hinlegen muss, obwohl man bereits die Standesbezeichnung: Ingenieur besitzt!!!!