Die Zeichen stehen deutlich auf Wachstum: Die Rexel-Gruppe – mit ihren beiden Elektrogroßhandelsunternehmen Regro und Schäcke – will auch 2011 den Rückenwind des Marktes nutzen und mit ihren service- und lösungsorientierten Angeboten punkten. Ein neuer Webshop ist aber nicht der einzige Trumpf, den das Team aus dem Ärmel ziehen wird. Im Gespräch mit den drei Geschäftsführern der Rexel-Gruppe erfuhren wir, welchen Weg man gehen will.
Herr Gletthofer, wie erfolgreich war das Geschäftsjahr 2010 für Rexel?
Franz Gletthofer, CEO von Rexel Austria: Die Rexel-Gruppe hat mit 2010 ein sehr gutes Geschäftsjahr hinter sich – und zwar nicht nur in Österreich. Rexel konnte umsatzbezogen zweistellig wachsen und mit dem vierten Quartal das beste Ergebnis erwirtschaften – das deutet auf eine dynamische Entwicklung hin. Mit 5,1% EBITA in der Gruppe liegen wir hierzulande mit unserer Zweimarken-Strategie nur ganz knapp unterhalb des internationalen Ergebnisses – jedoch mit der Ambition, in der eigenen Familie künftig überdurchschnittlich sein zu wollen. Darüber hinaus entwickelten sich die beiden Tochterunternehmen im Bereich der Elektroinstallation sehr ausgeglichen – nicht in allen Regionen gleich, aber auf jeden Fall hinsichtlich der Ergebnisentwicklung. Auf internationaler Ebene haben wir zuletzt in Brasilien,China, Indien und in der Schweiz Wachstum durch Akquisition erzielen können. Rexel ist international auch heuer auf der Suche nach Akquisitionszielen. In Österreich werden wir auf internes Wachstum angewiesen sein – wobei wir niemals nie sagen…
Rückblickend gesehen, wie würden Sie die Entwicklung der letzten Jahre beschreiben?
Gletthofer: Wir haben vorausschauend interne Projekte umgesetzt, die uns zum Zeitpunkt der Abwicklung interne und externe Kritiken beschert haben. Deswegen war für uns 2008 – das Jahr der Implementierung des Zentrallagers uns somit vieler Änderungen – ein kritisches Jahr und nicht das wirtschaftlich gebeutelte 2009. Doch aus heutiger Sicht wissen wir, dass wir richtig gehandelt und damit auch die Kritiker eines Besseren belehrt haben. Denn nach einem Krisenjahr die Mittel für ein derartiges Projekt freizubekommen, wäre weitaus schwieriger gewesen. Von dieser gesunden Basis ausgehend, sollen die Veränderungen im Hause Rexel und der Umbau der Organisation die Grundlage sein, um die nächsten Schritte des Wachstums gehen zu können.
Herr Sailer, Sie sind komplett neu im Team. Würden Sie sich unseren Lesern bitte vorstellen!
Mag. Othmar Sailer, Chief Financial Officer (CFO) bei Rexel für die Bereiche Finance, IT und Legal verantwortlich: Man könnte mich im Vergleich zu meinen Kollegen als Quereinsteiger bezeichnen. Meine letzte Station war bei Wagner Biro – einem international tätigen Stahlbauunternehmen. Und ebenso wie bei meinen Stationen davor war auch hier eine wesentliche Aufgabe, im Finanzbereich Entwicklungsprojekte innerhalb des Unternehmens abzuwickeln. Begonnen habe ich meine berufliche Laufbahn bei Maculan und bin nach einer kurzzeitigen Beratertätigkeit bei Tyco Fire and Security-Services tätig gewesen. Nach zwanzig Jahren im Projektgeschäft betrachte ich die Aufgabe bei Rexel nun als spannende Herausforderung in einem neuen Umfeld. Mit meiner persönlichen IT-Affinität bin ich nun in das Thema Regro- und Schäcke-Webshop voll und ganz eingetaucht – ein Bereich, der mir wirklich Freude bereitet und ein Tool, das unseren Kunden Erleichterung bei ihrer täglichen Arbeit bringen wird.
Gletthofer: Für uns war es wichtig, Kompetenzen ins Team zu holen, die für ein Unternehmen unserer Größenordnung wesentlich sind. So war bisher stets ein Nadelöhr, interne größere Entwicklungsprojekte – etwa im IT-Bereich – zu managen. Und Projekte dieser Größenordnung kommen in der nächsten Zeit eine ganze Reihe auf uns zu.
Sehen Sie die Position als Sprungbrett für internationale Ausgaben im Konzern?
Sailer: Das war nicht meine Triebfeder, als ich diese Aufgabe angenommen habe. Nach rund 25 Jahren Berufstätigkeit habe ich bisher vier Stationen hinter mir – ich bin also kein Jobhopper, und ich habe auch nicht vor, das zu ändern.
Gletthofer: Sie sehen, wir setzen auf Kontinuität und damit sind wir auch schon beim Thema: Mag. Michaela Matz ist bereits seit drei Jahren bei uns tätig und ist nun seit Anfang 2011 in ihrer Eigenschaft als Chief Operating Officer (COO) für die Bereiche Supply Chain, Logistik und Einkauf verantwortlich. Mit ihrer Osteuropa-Erfahrung habe ich sie ins Team geholt, um die strategische Geschäftsentwicklung voranzutreiben.
Mag. Michaela Matz, COO: Wie bereits erwähnt, habe ich eine große Osteuropa-Affinität – im Speziellen zu Russland. In meinem bisherigen Berufsleben habe ich vor allem in der Supply-Chain – also dem gesamten Lieferkettenmanagement von der Angebotslegung, dem Einkauf bis zur logistischen Abwicklung und der Fakturierung, zuerst in kleineren Unternehmen, später in mittelständischen Unternehmen und einem Großkonzern. Auch wenn die Dimension beim Rexel-Zentrallager mit 35.000 Produkten wieder eine andere Komplexität darstellt, profitiere ich sehr von der in meinem bisherigen Berufsleben gesammelten Erfahrung. Bei Kimberly-Clark in der Osteuropazentrale in Wien und später in Moskau habe ich mich unter anderem mit Bedarfsplanung und Inventory-Management beschäftigt und das Customer Service Team geleitet. Deshalb habe ich seit jeher auch einen sehr großen Kundenfokus in Kombination mit einer starken Ausrichtung zur Qualitätsverbesserung. Mein Ziel ist es, mich diesbezüglich bei Rexel einzubringen, um unsere Marktstellung weiter zu untermauern.
Sind damit die Positionen endgültig besetzt und die Aufgabenaufteilung geklärt?
Gletthofer: Die Kompetenzaufteilung innerhalb dieses Teams ist sehr klar. Meine Aufgabe wird es künftig vor allem sein, die beiden Vertriebsnetzwerke zu koordinieren und zu unterstützen. Wir haben die Botschaften mittlerweile sehr klar an die Mitarbeiter kommuniziert und dafür gesorgt, dass es von Anfang an zu keinen Reibungsverlusten kommt.
Warum bezeichnen Sie den neuen Webshop als so revolutionär?
Gletthofer: Weil er ein Tool ist, das einfach zu bedienen ist und keine reine Verlängerung des Warenwirtschaftssystems darstellt. Der Webshop unterscheidet sich zu allen am Markt verfügbaren Systemen durch die Produktdarstellung. Natürlich sind auch die Suchfunktionen auf höchstem Niveau, aber das besondere Plus erlebt man durch die Präsentation der Produkte: von der technischen Beschreibung mit bis zu 50 Attributen bis hin zu hinterlegten Plänen. Dass auch die Integration in unser Warenwirtschaftssystem optimiert wurde, darf natürlich nicht vergessen werden – der User kann davon ausgehen, dass die Preisfindung stets live vonstatten geht und damit immer aktuell ist. Das und Investitionskosten in der Höhe von 1,5 Mio. Euro sind auch der Grund dafür, dass wir an einer »Plattform Österreich« nicht teilnehmen werden.
Klare Anzeichen, dass Sie das E-Commerce-Thema ernst nehmen.
Gletthofer: Hier wird sich in naher Zukunft noch der Spreu vom Weizen trennen und sich die Mitbewerbssituation am Großhandelssektor verändern. Wir peilen heuer eine Durchdringung von rund 20% im Bereich der Bestellung bzw. des Umsatzes an und der Markt wird sich in den nächsten Jahren noch viel stärker in diese Richtung hin entwickeln, als das viele annehmen.
Sailer: Die Funktionalität von Plattformen wie Amazon ist unser Benchmark. Fakt ist jedenfalls, dass vor allem die jüngere Generation gewohnt ist, im Internet zu bestellen. Und diesen Anforderungen müssen wir uns noch intensiver stellen.
Gletthofer: B2B-Schnittstellen sind heutzutage Voraussetzung, um vor allem größere Kunden betreuen zu können. Deswegen bevorzuge ich die Bezeichnung »E-Service« und nicht »E-Commerce« – jener Anbieter, der den besten Artikelstamm hat, der eine B2B-Schnittstelle anbieten, der als Schlüsselkriterium Textpositionen absetzen und damit Durchläufer abwickeln kann, wird sich über kurz oder lang am Markt entscheidend durchsetzen.
Wie stabil laufen diese B2B-Schnittstellen derzeit?
Gletthofer: Wir haben zur Zeit rund 350 Kunden – die mehr oder weniger alle unterschiedliche Anforderungen haben – über diese Schnittstelle angebunden. Kunden, die mit den Lösungen von Koram, oder Comtech arbeiten, stellen dabei den größten Anteil dar. Unser Ziel ist, pro Jahr 50 Kunden zu gewinnen, die mit dem System arbeiten. Denn ein angebundener Kunde – bei dem das System wohlgemerkt auch funktioniert – ist hoffentlich auch ein gut betreuter Kunde.
In welchen Bereichen sehen Sie besonders große Chancen?
Gletthofer: Wir sehen die Marktentwicklung für die nächsten drei Jahre tendenziell positiv – leicht wachsend. Ein besonders hohes Wachstumspotenzial erwarten wir sowohl vom Industrie- als auch vom Infrastruktursektor. Den Wohnbau sehen wir nicht als Triebfeder. In diesem Segment können wir nur über Preis- und Sortimentsentwicklung zum Erfolg kommen – also höherwertige Produkte, die einen Mehrwert bieten, zu verkaufen. Ein wenig optimistischer sehen wir die Entwicklung im Zweckbau. Ein Effekt, der 2011 mit prägen wird, ist jener der nachgeholten Preisentwicklung – sie hat zum Teil bis zu 24 Monate nicht stattgefunden und die Hersteller ziehen nun sukzessive nach. Unser Ziel ist es, durch das zum Teil preis- und zum anderen Teil volumengetriebene Wachstum, durch eigene Leistungen – und zwar durch kundensegmentorientierte und zum anderen durch dienstleistungsbezogenen Ansätze – wachsen zu können.
Was genau soll man sich darunter vorstellen?
Gletthofer: Wenn ich von »kundensegmentorientiert« spreche, dann meine ich unter anderem unser Angebot im Bereich »Industrial Sales« und wenn von »dienstleistungsbezogen« die Rede ist, dann sind vor allem unsere »E-Services«-Lösungen gemeint. Darüber hinaus wollen wir den Produktverkauf mit lösungsorientiertem Vertrieb ergänzen. Ein glänzendes Beispiel dafür, dass wir auf einem guten Weg sind, ist der Bereich KNX – hier kommen wir unserem Ziel schon sehr nahe. Im Vordergrund steht die Beratung im Vorfeld der eigentlichen Planung und Programmierung anzubieten – natürlich ohne in der Installation tätig zu werden.
Matz: KNX ist aber nur ein Bereich, in dem der lösungsorientierte Verkauf optimiert wird bzw. wurde. Wir haben auch gute Ansätze im Bereich der Energieeffizienz zu verzeichnen – hier gibt es eine Reihe an Lösungen, die teils in der Rexel-Gruppe, teils lokal erarbeitet wurden und die wir künftig anbieten können. Verschiedene Märkte erfordern selbstverständlich unterschiedliche – den Ländern angepasste – Lösungen.
Gletthofer: Eine Erweiterung des Servicegedankens sehen wir auch darin, die Kunden im Bereich des Förderwesens zu unterstützen. Das ist ein Aufgabengebiet, in dem wir in Zukunft professionell auftreten und unseren Kunden unter die Arme greifen werden.
Will man damit auf die Online-Vertriebsunternehmen und ihre Aktivitäten im Elektrobereich reagieren?
Gletthofer: Eine Konkurrenz-Situation zu den Online-Vertriebsformen sehen wir vor allem im Produktvertrieb. Diese Anbieter sind auch deswegen erfolgreich, weil sie mit einem relativ geringen Aufwand arbeiten können. Wir operieren mit einer Vorortstruktur, mit der wir den Kunden Möglichkeiten bieten, die ihnen bei Online-Plattformen nie und nimmer zur Verfügung stehen werden. Da ich davon ausgehe, dass die Komplexität der Themen zunehmen wird und unsere Kunden die Beratung brauchen werden, betrachte ich diese Vertriebsformen langfristig gesehen nicht als den größten Mitbewerb. Unser Ziel ist es, Know-how aufzubauen und Service anzubieten, damit wir dem Preisdruck in dieser Form auch nicht ausgesetzt sind.
Und wie schätzen sie den Stellenwert der Baumarkt-Szene im Elektrobereich ein?
Gletthofer: Ich beobachte die Do-it-yourself-Szene hinsichtlich des Elektrotechniksortiments nun bereits seit 15 Jahren – sie hat auch einen relevanten Stellenwert in der Verteilkette. In dieser Zeit hat es auch immer wieder Anläufe dieser Vertriebsformen gegeben, im Elektrobereich stärker zu reüssieren. Trotzdem kam es nie zu einem starken Wachstum – dafür haben die Baumärkte ein viel zu eng gestecktes Sortiment. Ich behaupte auch, dass der gut entwickelte und strukturiert arbeitende Kunde, mit dem auch wir zusammenarbeiten wollen, kein typischer Baumarktkunde ist.
Welche Bedeutung misst Rexel den Erneuerbaren-Energie-Märkten bei?
Gletthofer: Im Bereich der Photovoltaik haben wir für Österreich eine Sortimentsstrategie festgelegt. Unser Credo ist, mit den Billigprodukten aus China nicht konkurrieren zu wollen. Wir setzen dabei auf qualitativ hochwertige Produkte und Lösungen aus Österreich, die dann preislich natürlich auf einem höheren Niveau angesiedelt sind. Darüber hinaus sind wir gerade im Begriff, die Unterlagen dafür professionell zu gestalten und werden diese dann auch in Kürze anbieten können. Obwohl wir von einem Umsatzvolumen von 100 Mio. Euro für den gesamten Photovoltaikmarkt in Österreich für 2011 ausgehen können, bezweifle ich, dass wir im Bereich der Photovoltaik sowohl heuer als auch im nächsten Jahr Wachstum erzielen werden. Denn in Deutschland gibt es derzeit Überkapazitäten großer Hersteller, die nun massiv nach Österreich drängen und dabei den direkten Vertriebsweg gehen. Kurz: Die Marktlage hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert.
Meine Dame, meine Herren, wir danken für das Gespräch!