R&M, der weltweit tätige Schweizer Entwickler und Anbieter von Verkabelungssystemen für hochwertige Netzwerkinfrastrukturen mit Sitz in Wetzikon, informiert im Experten-Interview über neue und einfachere Wege der PoE-Planung für die Gebäudeinstallation.
Kabelinstallation im Smart Building richtig planen
Mit Power over Ethernet (PoE) können Endgeräte direkt über das Ethernetkabel mit Strom versorgt werden – seit Kurzem auch leistungsstarke Endgeräte mit bis zu 90 W, wie Leuchtanzeigen, intelligente PoE-Leuchten und Aktoren. Immer häufiger werden deshalb in der Gebäudeinstallation entsprechende Anlagen geplant. Die Unterstützung von PoE wird mit der Einführung von Fernspeisungskategorien nun auch für die universelle Gebäudeverkabelung geregelt. Doch die tabellenbasierte Auslegung der Installationsnormen gestaltet sich für den Planer in der Praxis als komplexe Aufgabe. Matthias Gerber von R&M erläutert die Problematik – und die Lösung.
Matthias Gerber, nachdem zunehmend PoE-Geräte auf den Markt kommen, befassen sich immer mehr Gebäudebetreiber und Planer mit dem Thema, und erste Erfahrungen mit grossen PoE-Installationen sind nun auch verfügbar. Doch die Normen scheinen kompliziert, die Rückmeldungen aus dem Markt sind nicht immer positiv. Ist der Anschluss der PoE-Kabel so kompliziert, oder wo liegt das Problem?
Gerber: «Das Problem liegt eher in der Art und Weise der Installation, nicht in den Kabeln. Beides hängt jedoch eng zusammen. Die Normen EN 50174-2 für Europa und die ISO/IEC 14763-2 weltweit sind bereits seit 2015 veröffentlicht und beschreiben die Planung und Installation von universellen Gebäudeverkabelungen. Die EN-50173 oder die ISO 11801 beschreiben dagegen die Spezifikation der einzelnen Verkabelungsstrecken. Die Installationsnormen bauen auf den Verkabelungsnormen auf und beschreiben, wie eine Verkabelung in Gebäuden installiert werden muss.
Inzwischen kommen immer häufiger PoE-Endgeräte zum Einsatz, das Wachstum bei den Sensoren und Antrieben ist exponentiell. Darum beschäftigen sich immer mehr Gebäudebetreiber und Planer mit dem Thema und stellen fest: Das ist hochkomplex. Dazu kommt, dass die Leistung der PoE-Anwendungen stetig steigt: Heute sind wir bei 4PPoE mit 90W. Um diese steigende Leistung zu berücksichtigen, wurden die Fernspeisekategorien RP1 bis RP3 (Remote Power Category) vor zwei Jahren in die Normen aufgenommen. Das hat die Komplexität des Themas aber nochmals gesteigert.»
Sind diese Normen denn vorgeschrieben?
Gerber: «Eine Norm ist nicht per se vorgeschrieben, sie gibt den Stand der Technik wieder. Doch die meisten Ausschreibungen für die Installation von universellen Gebäudeverkabelungen basieren auf diesen Normen. Das heisst, der Planer muss sich daran orientieren.»
Und was besagen diese RP-Kategorien, warum wurde das Thema damit so komplex?
Gerber: «Anfänglich lag die Leistungsübertragung von PoE bei 13 W. Mit 4PPoE können seit 2018 nun bis zu 90 W übertragen werden. Wo aber mehr Strom fliesst, entsteht durch den Widerstand mehr Wärme. Um einen dauerhaft sicheren Betrieb der Gebäudeinstallation auch bei höheren Strömen sicherzustellen, wurden deshalb 2020 die Fernspeisekategorien (RP1–RP3) eingeführt: Bei RP1 sind bis durchschnittlich 212 mA erlaubt und es sind keine speziellen planerischen Massnahmen erforderlich. Aber: Im Betrieb muss dann sichergestellt werden, dass der Durchschnittsstrom nicht über den erlaubten Grenzwert steigt. Bei 4PPoE-Geräten ist der Speisestrom in einem Kabel aber bis zu 500 mA. Wenn nun ein 4PPoE Gerät angeschlossen wird, dürfen an anderen Kabeln dieses Installationsbündels keine weiteren PoE-Geräte angeschlossen sein, um den erhöhten Strom auszugleichen. Die Norm schreibt darum vor, dass bei RP1 und RP2 Installationen entsprechende Warnschilder angebracht werden müssen. Vor dem Anschluss eines weiteren PoE-Gerätes muss dann immer die Einhaltung des maximal zulässigen Stromes überprüft werden. Für die Planung einer Installation ist das einfach, aber im Betrieb für den Gebäudebetreiber sehr aufwendig.»
Bei der Remote Power Kategorie 3 ist das anders?
Gerber: «Bei RP3 wird die Verkabelung in der Planung bereits darauf ausgelegt, dass alle Kabel gleichzeitig den maximalen PoE-Strom übertragen können. Das macht die Planung aufwändig, aber im Betrieb macht es die Anlage sehr sicher, denn es sind dann keine weiteren Massnahmen notwendig. Für den Betreiber ist das deshalb der bevorzugte Zustand der Verkabelung – und die EN-Norm empfiehlt deshalb auch die Einhaltung der RP-Kategorie. Die ISO/IEC-Norm schreibt sie sogar vor. Die Herausforderung für den Planer ist aber nun, dass bei RP3 Verkabelungen darauf geachtet wird, dass das Dämpfungsbudget für die Datenübertragung auch bei erhöhter Temperatur immer eingehalten werden muss und die maximal zulässige Temperatur im Kabel nicht überschritten wird. Das erreicht man damit, dass die Link-Längen abhängig von den Umgebungsbedingungen der Installation angepasst werden. Die Installationsnormen bieten dafür Tabellen an, denen die Temperaturerhöhung entnommen werden kann.»
Aber die Planung und korrekte Auslegung einer RP3-Installation ist mit diesen Tabellen wohl nicht so einfach?
Gerber: «Das ist das Problem. Denn um die Komplexität der Tabellen einzudämmen und die Anzahl von Tabellen überschaubar zu halten, wurden erhebliche Vereinfachungen eingeführt. Die Konsequenz daraus ist, dass es sehr schwierig wird, die richtigen Parameter zu finden. Zusätzlich sind ja die Bedingungen entlang einer Verkabelung nicht immer dieselben. Die Normen sehen dafür vor, dass die Temperaturerhöhungen in den unterschiedlichen Abschnitten einzeln ermittelt werden und dann mit einem komplexen Gewichtungsverfahren gemittelt wird. Die maximal zulässige Verkabelungslänge kann dann mit dieser Durchschnittstemperatur aus einer weiteren Tabelle abgelesen werden.»
Das klingt wirklich sehr aufwändig, Fehler sind dabei doch fast unvermeidlich, geht das nicht auch einfacher?
Gerber: «Doch – R&M hat bereits 2015 den PoE-Rechner entwickelt und diesen nun aktuell um Funktionalitäten für die neuen RP Kategorien erweitert. Der PoE-Rechner bietet Gebäudebetreibern wie auch Planern mehrere Vorteile: Zum einen kann der Planer wesentlich mehr verschiedene Parameter eingeben, als in den Tabellen angegeben sind – das kommt also der Realität deutlich näher. So kann etwa der Kabeltyp eingegeben werden, der auch tatsächlich verwendet wird, statt das Kabel in der Tabelle einer allgemeinen Kategorie zuordnen zu müssen. Weiter lassen sich für bis zu drei Segmente einer Verkabelungsstrecke Kabeltypen, Bündelstärken, Umgebungstemperaturen und weitere Parameter eingeben. Der PoE-Rechner liefert dann sofort die jeweils zu erwartenden Temperaturen innerhalb der Kabelbündel eines Segmentes und als wesentliches Kriterium die daraus abgeleitete maximale Link-Länge.»
Wie viel Zeit spart der Planer so mit dem PoE-Rechner ein?
Gerber: «Bei der ersten Eingabe der Daten ist er nicht viel schneller als mit den Tabellen. Aber er kann die verschiedenen Parameter sehr schnell ändern. So kann er z.B. ein Kabel einer anderen Kategorie wählen, das Kabelbündel schmaler machen, den Kabelkanal oder die Lüftung optimieren und so die Rahmenbedingungen verändern. Das Simulationsprogramm zeigt sofort das Ergebnis dieser Änderungen. Das ist mit den Tabellen viel zu aufwendig, das macht niemand.»
Als weiteren grossen Vorteil nennt R&M die Dokumentationsmöglichkeit. Was ist damit gemeint?
Gerber: «Mit der Dokumentation, die am Schluss der Berechnung generiert wird, hat der Planer automatisch eine Beschreibung seiner Vorgehensweise erzeugt. Sämtliche Rahmenbedingungen sind darin definiert, und es ist sauber dokumentiert, dass die Norm erfüllt wird. Das sind die beiden grossen Vorteile des PoE-Rechners: die Möglichkeit für den Planer, die Parameter durchzuspielen und sofort ein Ergebnis zu erhalten, und am Ende der Berechnung die Dokumentation für den Gebäudebetreiber, dass die Installation auch wirklich seiner Ausschreibung entspricht.»
Bieten das auch andere Hersteller an?
Gerber: «Es gibt noch ein oder zwei andere Tabellenkalkulatoren am Markt – aber in aller Bescheidenheit: Der PoE-Rechner von R&M ist der beste in seiner Funktionalität. Vor allem aber ist er der einzige, der diese Dokumentation gemäss den Remote Power Kategorien erzeugt. Und das ist für Planer, Installateur und Gebäudebetreiber ein enorm hilfreiches und wichtiges Dokument, um die norm- und ausschreibungsgerechte Installation nachweisen bzw. belegen zu können. R&M nutzt dieses Dokument, um im Rahmen des R&Mfreenet-Systems, als erster Hersteller überhaupt, die RP Kategorien im Garantie-Zertifikat aufzuführen und gegenüber dem Endkunden auszuweisen.»
Glossar der PoE-Begrifflichkeiten
PoE: Power over Ethernet
PoEP: Power over Ethernet Plus
4PPoE: Four Pair Power over Ethernet
Link: Datenverbindung zwischen zwei Geräten
PoE in der Gebäudeinstallation
Mit PoE (Power over Ethernet) kann Strom direkt über Ethernetkabel transportiert werden, sodass bei geeigneten Geräten ein eigenes Stromversorgungskabel eingespart werden kann. Dazu wird in das Ethernetkabel neben den Datensignalen zusätzlich Strom eingespeist. Die Normung ist durch die IEEE 802.3 beschrieben. Mit IEEE 802.3bt erlebt PoE nun einen Entwicklungssprung: Statt mit 13 oder 22 Watt können Endgeräte mit bis zu 90 Watt versorgt werden können. Dabei nutzt PoE alle 4 Adernpaare zur Stromübertragung. Über die Büro- und Gebäudeverkabelung lassen sich dann ohne zusätzlichen Stromanschluss leistungsstarke Endgeräte betreiben, wie Wireless Access Points, Multimediageräte und intelligente Endgeräte, IP-Telefone oder Sensoren und Aktoren für das IIoT.
Quelle: R&M