Mit 9. Juli 2020 ist die neue Elektrotechnikverordnung in Kraft getreten. Damit ist auch die Verbindlichkeit der ÖVE/ÖNORM E 8001 aufgehoben und die neue ÖVE/ÖNORM E 8101 erlangt ihre Gültigkeit; mit einjähriger Übergangsfrist. Das trifft sich gut für die Hersteller des AFDDs, also der Fehlerlichtbogenschutzeinrichtung (vormals Brandschutzschalter). Aber ist das auch gut für Elektrotechniker und ihre Kunden? – Kolumne von Thomas Reifetshammer, Produktmanagement Sentron, Electrical Products, Siemens AG Österreich
Haben Sie sich nicht eigentlich bereits auch über unsere neue Norm für elektrische Niederspannungsanlagen gefreut? Mit 100%iger Sicherheit bricht aus Ihnen nun eine der folgenden Aussagen heraus: „Sicher! Jeden Tag aufs Neue!“ oder „Ein Frühstück ohne ein paar Zeilen 8101er ist wie ein Tag ohne Sonne!“
Scherz beiseite, im Moment hört man immer wieder, die neue Norm wäre eine einzige Geldmacherei. Aber wenn ich darüber nachdenke, habe ich den Einwurf eigentlich nur von Elektrotechnikern gehört, jedoch noch nie von einem Endkunden selbst. Stehen wir uns vielleicht selbst im Weg?
Meiner Erfahrung nach steigt die Bereitschaft des Endkunden, mehr für Schutz vor elektrischem Strom und seinen Gefahren auszugeben, wenn man sich die Zeit nimmt und erklärt, was man mit diesen neuen Techniken beherrschen kann. Und dafür braucht es keine Normen oder angstmachende Werbebotschaften. Es genügt aufzuzeigen, welcher Schutz für Hab und Gut zu einem vergleichbar geringen Aufpreis erreicht werden kann. Wenn Sie von der Schutzwirkung überzeugt sind, können Sie es auch leichter Ihren Kunden erklären.
Ein AFDD kann präventiv Brände verhindern. Ja, stimmt. Das kann er gut, die Betonung liegt aber auf kann – es gibt Schutzlücken. Nutzen wir also den Platz dieser Kolumne und sprechen über die Situationen und Bedingungen, in denen ein AFDD nicht schützt.
Spricht ein AFDD auf einen Fehler hinter einem Schaltnetzteil an? Unwahrscheinlich. Und hinter einem klassischen Ringkerntrafo? Auch unwahrscheinlich. Induktivitäten schneiden die charakteristischen Spitzen der zu erkennenden Frequenz des Fehlerlichtbogens ab. Na gut. Aber auch in allen anderen Fällen schützt mich der Brandschutzschalter nicht unbedingt. Schon gar nicht, wenn die charakteristischen Strom- und Spannungsverläufe unter 2,5 A sind. Schützt der AFDD in meinem Hausverteiler wenigstens die 40 m entfernte Gartenhütte mit der ganz normalen Glühbirne und den Mäusen, die sich dort mit meinen Kabeln vergnügen? Schwierig. Müsste man sich ansehen, sicherheitshalber gleich mit einem Feuerlöscher. Bei den Fabrikaten trennt sich die Spreu vom Weizen je nach Entwicklungszeit und Erfahrung, die in einem Gerät stecken. Sie müssen bedenken, dass bei längeren Leitungslängen auch die Dämpfung auf hohen Frequenzen steigt. Das Muster, welches einen Fehlerlichtbogen »verrät«, wird immer verwaschener, je länger die Leitung wird. Die Grenzen der Naturphysik können auch diese Geräte nicht aushebeln. Besser sind daher sicher jene Geräte, die schon mehrere Entwicklungsgenerationen durchgemacht haben. Nichtsdestotrotz erkennen und verhindern AFDDs viele Ursachen eines Brandes in einer elektrischen Leitung und darauf sollten wir aufbauen.
Die neue 8101 ist also keine Geldmacherei. Sie erhöht den Schutz für Ihren Kunden und sein Hab und Gut. Und sie bietet für Sie das Potenzial, hochwertigere Schutztechnik verkaufen zu können. Oder würden Sie heute noch ein Auto ohne Airbag kaufen?
Weitere Informationen auf:
Thomas Reifetshammer
Produktmanagement Sentron
Electrical Products
Siemens AG Österreich
E-Mail: thomas.reifetshammer@siemens.com