Wettbewerb am Energiemarkt bleibt eingeschränkt:

Taskforce von E-Control & BWB: Neuer Plan für fairen Energiemarkt

von Sandra Eisner
Foto: © E-Control/Wilke

Nach der Energiekrise 2022 kämpfen Strom- und Gaskund:innen mit hohen Preisen und fehlendem Wettbewerb. Die gemeinsame Taskforce von E-Control und Bundeswettbewerbsbehörde legt nun einen Bericht mit zehn konkreten Reformvorschlägen vor.

Krisenjahr 2022: Wie die Turbulenzen den Energiemarkt erschütterten

Es begann mit einer Eskalation auf den Großhandelsmärkten. Im Jahr 2022 traf die Energiekrise Österreichs Strom- und Gasversorgung mit voller Wucht. Binnen weniger Monate stiegen die Energiepreise auf nie dagewesene Höhen. Verbraucher:innen waren überfordert, viele Anbieter zogen sich zurück oder schränkten ihre Angebote ein, und auf dem Markt begann eine Phase der massiven Verunsicherung. Während die Politik versuchte, kurzfristig mit Preisdeckeln und Unterstützungszahlungen gegenzusteuern, geriet ein zentrales Element aus dem Blick: der Wettbewerb.

In dieser Ausnahmesituation starteten im Jänner 2023 die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die Regulierungsbehörde E-Control eine gemeinsame Taskforce. Ziel war es, systematisch zu analysieren, welche strukturellen Probleme im Strom- und Gasmarkt die Krise verschärft haben – und wie sich diese künftig verhindern lassen. Die Ergebnisse wurden in zwei Zwischenberichten publiziert. Nun liegt der Abschlussbericht vor – und mit ihm eine klare Analyse: Der Markt funktioniert nicht so, wie er sollte. Hohe Konzentration, lokale Monopole, geringe Transparenz und eine Konsumentenschaft, die kaum aktiv wird, prägen die Lage.

Verfestigte Marktmacht und Trägheit im System

Der Abschlussbericht zeigt anhand umfangreicher Datenanalysen, dass sich die Lage zwar gegenüber dem Krisenjahr verbessert hat – jedoch ohne Rückkehr zum Vorkrisenniveau. Die Anzahl der Anbieter ist insbesondere im Gasmarkt weiterhin reduziert. Im Strommarkt gab es 2024 zwar einen leichten Anstieg bei den aktiven Lieferanten, doch das Vorkrisenniveau wurde noch nicht erreicht.

Bild: E-Control

Hinzu kommt eine besorgniserregende Marktstruktur: Viele kleinere Netzgebiete werden von lokalen Versorgern dominiert, die außerhalb ihrer Heimatregion kaum tätig sind. Bundesweiter Wettbewerb ist in vielen Bereichen de facto nicht existent. Diese Fragmentierung sorgt für eine ungesunde Konzentration, wie BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf betont: „Die Marktkonzentration ist weiterhin sehr hoch. Lokale Fragmentierung, unzählige Kreuzbeteiligungen und niedrige Wechselraten prägen eine eingeschränkte Wettbewerbssituation.“

Ein weiteres Kernproblem: Trotz hoher Preise wechseln viele Kund:innen ihre Anbieter nicht. Die Gründe sind vielfältig: mangelndes Vertrauen, fehlende Transparenz bei Preisen und Konditionen, aber auch schlicht Unwissenheit. Laut einer Umfrage des Market Instituts wissen 70 % der Bevölkerung nicht, was sie pro Kilowattstunde Strom zahlen – bei Gas sind es sogar 84 %. Das Problem: Wer seinen Tarif nicht kennt, kann auch keine besseren Angebote finden.

Preisentwicklung: Entspannung auf hohem Niveau

Die Analyse der Preisdaten durch die Taskforce zeigt: Seit Mitte 2023 sinken die Strompreise wieder – allerdings langsam und auf hohem Niveau. Im Jänner 2025 lagen die Strompreise für Haushalte zwischen 11 und 21 Cent pro Kilowattstunde – weit entfernt vom Vorkrisenniveau. Gas war mit knapp unter 6 Cent/kWh ebenfalls teurer als früher. Besonders alarmierend: Die Preisstreuung ist nach wie vor massiv. Haushalte mit ähnlichem Verbrauch zahlen teils doppelt so viel – abhängig vom Wohnort und Anbieter.

Auch für Kleinunternehmen sieht es nicht besser aus. Zwar ist die Preisentwicklung ähnlich wie bei Haushalten verlaufen, doch die Streuung der Tarife ist noch deutlicher. Das bedeutet: Gerade kleinere Betriebe sind ungleich stärker vom Marktgeschehen betroffen – ein Risiko, das sich auch auf die wirtschaftliche Gesamtlage auswirken kann.

Transparenz und Tarifkenntnis: Warum viele Kund:innen nicht wechseln

Trotz massiver Preissteigerungen blieb die Wechselrate der österreichischen Haushalte in den Jahren nach der Krise überraschend niedrig. Zwar gab es 2023 eine kleine Erholung, doch die Zahlen blieben weit hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. In Italien und Belgien etwa wechselten 18 % bzw. 17 % der Haushalte den Stromanbieter – in Österreich war es deutlich weniger.

„Wir sehen hier noch sehr viel Luft nach oben“, betont E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Der Grund sei vor allem mangelnde Transparenz: Viele Verbraucher:innen wissen schlicht nicht, wie viel sie zahlen – oder dass es Alternativen gibt. Die bereits erwähnte Umfrage belegt: Sieben von zehn Menschen kennen ihren Stromtarif nicht. Bei Gas sind es sogar über acht von zehn.

Dabei gäbe es längst technische Möglichkeiten, um Verbraucher:innen über ihre tatsächlichen Energiepreise zu informieren: Die flächendeckende Einführung von Smart Metern ist abgeschlossen. Diese digitalen Stromzähler ermöglichen eine präzise und regelmäßige Erfassung des Verbrauchs. Doch viele Anbieter nutzen die neuen Daten noch nicht im Sinne der Kund:innen. Die Folge: Ein Großteil der Haushalte erhält weiterhin nur eine einzige Jahresabrechnung – oft unverständlich und mit erheblicher Verzögerung.

Die Taskforce sieht darin ein zentrales Problem für den Wettbewerb. Urbantschitsch erklärt: „Was überall sonst selbstverständlich ist – nämlich eine zeitnahe Abrechnung –, sollte doch endlich auch im Strombereich Realität werden.“ Monatliche Abrechnungen auf Basis von Smart Meter-Daten könnten nicht nur für mehr Kostentransparenz sorgen, sondern auch das Wechselverhalten deutlich ankurbeln.

Abrechnungsmodelle und Produktgestaltung: Eine Frage der Fairness

Ein weiterer Hebel zur Belebung des Wettbewerbs liegt laut Taskforce in der Vereinheitlichung von Produkten. Aktuell existieren am Markt unzählige Tarifmodelle mit unterschiedlichen Grundpreisen, Energiepreisbestandteilen und Bonusregelungen. Für Konsument:innen ist das schwer zu vergleichen – besonders, wenn Vertragsdetails klein gedruckt oder im Kleingedruckten versteckt sind.

Bild: E-Control

Die Taskforce empfiehlt deshalb ein „Best-Practice-Modell der Produktgestaltung“. Dieses sieht vor, dass Angebote standardisiert dargestellt werden: mit klarer Ausweisung des Grundpreises, der Kosten pro Kilowattstunde und einer nachvollziehbaren Erläuterung des Gewinnaufschlags. Ziel ist es, dass Verbraucher:innen auf einen Blick erkennen können, welche Kosten auf sie zukommen – und wie sich Tarife unterscheiden.

Urbantschitsch bringt es auf den Punkt: „Damit kann jeder einfach erkennen, wie hoch der Grundpreis ist und was für die Kilowattstunde bezahlt werden muss – und man darauf vertrauen kann, dass der Gewinnaufschlag unabhängig vom Preis immer gleich hoch ist.“

Standardisierte Produkte und monatliche Abrechnungen könnten nicht nur für mehr Fairness sorgen, sondern auch für mehr Wettbewerb. Anbieter müssten sich dann stärker über den Preis und die Qualität ihrer Angebote differenzieren – ein Gewinn für alle Kund:innen.

Zehn Hebel für mehr Fairness: Die Empfehlungen der Taskforce

Die Analyse der Taskforce endet nicht bei der Diagnose – sie liefert auch eine klar strukturierte Therapie: Zehn konkrete Empfehlungen sollen den Energiemarkt transparenter, gerechter und krisenfester machen. Ziel ist es, strukturelle Probleme langfristig zu beseitigen und Konsument:innen wieder zu echten Marktteilnehmer:innen zu machen.

  1. Einheitliche Produktgestaltung:

Die Einführung eines Best-Practice-Modells für Strom- und Gastarife soll Produkte einfacher vergleichbar machen. So können Konsument:innen Angebote besser verstehen und gezielt auswählen. Der Gewinnaufschlag soll nachvollziehbar und unabhängig vom Energiepreis sein.

  1. Monatliche Abrechnung auf Basis von Smart Meter-Daten:

Regelmäßige Abrechnungen geben Verbraucher:innen einen besseren Überblick über ihre Energiekosten – und ermöglichen schnellere Reaktionen auf Preisänderungen. Die technische Infrastruktur ist vorhanden, jetzt braucht es die Umsetzung.

  1. Mehr Spotmarktprodukte:

Tarife, die sich an aktuellen Börsenpreisen orientieren, fördern Flexibilität im Verbrauch und schaffen Anreize für energieeffizientes Verhalten. Langfristig können solche Produkte sowohl für Kund:innen als auch für das Gesamtsystem zu Kosteneinsparungen führen.

  1. Klare Sanktionskompetenzen gegen Missbrauch staatlicher Förderungen:

Damit Preismanipulation und Mitnahmeeffekte bei Unterstützungszahlungen vermieden werden, fordert die Taskforce schärfere Kontroll- und Sanktionsinstrumente.

  1. Aufbau einer Datenbasis für zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen:

Staatliche Eingriffe sollen treffsicherer werden. Dazu braucht es eine solide Datengrundlage, etwa zu Verbrauch, Tarifstruktur und Kundensegmenten. Nur so lassen sich Unterstützungsmodelle fair gestalten.

  1. Energiegesetze krisenfit machen:

Das Stromwirtschaftsgesetz soll um Notfallregelungen erweitert werden: Bei besonders gravierenden Marktstörungen könnten etwa Margen offengelegt und Preisexzesse unterbunden werden. So lässt sich das Vertrauen in den Energiemarkt stärken.

  1. Entflechtung von Kreuzbeteiligungen im Energiesektor:

Die Marktstruktur ist durch gegenseitige Beteiligungen zwischen Energieunternehmen massiv verzerrt. Die Taskforce schlägt eine Obergrenze von z. B. maximal 5 % für Minderheitsbeteiligungen und ein Verbot neuer Kreuzverflechtungen vor. Dies könnte die Marktmacht einzelner Akteure deutlich einschränken.

  1. Blacklist für marktbeherrschende Unternehmen:

Eine Liste verbotener Geschäftspraktiken – ähnlich wie im Lebensmittelhandel – soll helfen, Missbrauch einzudämmen. Sie könnte beispielsweise intransparente Preisänderungen oder unangemessene Vertragsklauseln erfassen und als verbindlicher Orientierungsrahmen dienen.

  1. Rascher Beschluss des neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG):

Dieses Gesetz soll eine Balance schaffen zwischen Konsumentenrechten und wirtschaftlicher Effizienz. Es enthält Regelungen zur Netzkostentragung, Preisänderungen, Grundversorgung und Durchsetzung von Verbraucherrechten.

  1. Verlängerung des Krisengesetzes zur Marktregulierung:

Ein 2024 beschlossener gesetzlicher Rahmen für marktbeherrschende Energieunternehmen läuft 2027 aus. Die Taskforce fordert, ihn zu verlängern, um langfristig Wettbewerb zu sichern und Krisenfolgen besser zu bewältigen.

Wettbewerb als Fundament der Energiewende

Ein funktionierender Wettbewerb ist laut Taskforce nicht nur ein wirtschaftliches Ziel – sondern auch eine Voraussetzung für eine gelingende Energiewende. Nur wenn Anbieter unter Druck stehen, bleiben sie innovativ, effizient und kundenorientiert. Urbantschitsch fasst es so zusammen: „In einem wettbewerbsintensiven Umfeld stehen Anbieter unter Druck, ihre Produkte transparent und verständlich zu gestalten, ihre Kostenstruktur offenzulegen und auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden einzugehen.“

Der Bericht zeigt, dass es nicht an Instrumenten fehlt – sondern an deren konsequenter Umsetzung. Jetzt liegt es an Politik, Regulatoren und Unternehmen, die Empfehlungen in konkrete Maßnahmen zu überführen.

Ein Markt in Bewegung – und eine Chance für echte Erneuerung

Der Abschlussbericht der Taskforce von E-Control und Bundeswettbewerbsbehörde macht unmissverständlich klar: Die Energiekrise hat tiefe strukturelle Schwächen im österreichischen Strom- und Gasmarkt offengelegt. Doch aus der Krise erwächst auch die Chance, grundlegende Reformen auf den Weg zu bringen.

Zehn Empfehlungen zeigen, wie der Wettbewerb gestärkt, die Transparenz erhöht und die Rechte der Konsument:innen gesichert werden können. Besonders wichtig: Die technischen Voraussetzungen für viele Verbesserungen – wie etwa durch Smart Meter oder digitale Vergleichsportale – sind längst vorhanden. Es braucht nun den politischen Willen und den regulatorischen Mut, daraus konkrete Veränderungen zu machen.

Wenn Marktregeln klar, Preise nachvollziehbar und Anbieter ehrlich agieren, profitieren alle: die Verbraucher:innen, die Wirtschaft – und letztlich auch das Klima. Denn nur ein fairer, transparenter Markt schafft die Grundlage für nachhaltige Investitionen und eine sozial gerechte Energiewende.

Der Abschlussbericht der Taskforce ist auf folgenden Websites abrufbar:

www.e-control.at/publikationen/untersuchungen
www.bwb.gv.at/news

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