Es war eigentlich skandalös, aber trotzdem wahr: Elektroinstallationen von Wohnungen mussten in Österreich bisher nicht überprüft werden. Eigentlich logisch, dass unsichere, desolate Elektroanlagen jedes Jahr neben hunderten Verletzten 40 bis 50 Todesopfer als Folge von Stromschlägen und elektrisch gezündeten Bränden forderte. Nach jahrzehntelangen, zähen Verhandlungen hat die Innung mit der Elektrotechnikverordnung 2010 – sie ist seit 13. Juli 2010 rechtskräftig – zumindest bei Neuvermietung von Wohnungen für Elektroanlagen Mindestsicherheitsstandards, dazu eine Überprüfungs-Dokumentations- und Sanierungspflicht durchgesetzt. Damit hat Österreich eine EU-weit vorbildliche, klare Regelung, die mehr elektrische Sicherheit für die meisten Mieter bringt. Bei jedem der geschätzten 45.000 bis 250.000 Mieterwechsel pro Jahr werden step by step die meist unsicheren Elektroanlagen – die Schätzungen gehen in die Hunderttausende – von den Vermietern saniert. Brandschäden und Opferzahlen werden dann endlich sinken.
In Österreich gibt es rund 3,9 Millionen Wohnungen. Von der Elektrotechnikverordnung direkt betroffen sind ca. 2 Millionen Wohnungen in Wohnhäusern mit über 3 Wohnobjekten. Etwa 1,7 Millionen dieser Wohnungen wurden vor 1991 gebaut. Ein Großteil der Elektroanlagen dieser Wohnungen entspricht nicht den Sicherheitsanforderungen des ETG 1992. „Denn es gilt die Vermutung: je älter, desto gefährlicher“, so der Bundesinnungsmeister der Elektrotechniker Ing. Jo Witke im Rahmen der zu diesem Thema kürzlich durchgeführten Pressekonferenz.
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Vermieter in der Pflicht
Entsprechend der Verordnung ist seit Juli 2010 der Vermieter verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Elektroanlage einer Wohnung bei Neuvermietung elektrotechnisch »sicher« ist. Die Sicherheitsstandards des Elektrotechnikgesetzes 1992 müssen eingehalten und alle geforderten Schutzmaßnahmen wirksam sein. „Verkürzt formuliert dürfen entsprechend der aktuellen Elektrotechnik-Verordnung Wohnungen mit unsicheren Elektroanlagen nicht mehr vermietet werden. Die Verpflichtungen der Elektrotechnikverordnung gelten für alle Neuvermietungen von Wohnungen im Voll- und Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. In der Pflicht sind also Vermieter von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ab drei Wohnobjekten, egal ob Altbau oder Neubau, egal ob frei finanziert oder gefördert“, so der Mietrechtsexperte Doz. FH Mag. Christoph Kothbauer.
- Die geforderte Sicherheit muss der Vermieter dem neuen Mieter mit einer umfangreichen schriftlichen Dokumentation basierend auf einer ÖVE-Bestimmung eines befugten Elektrotechnikers beweisen. Diese Dokumentation – auch Elektro-Befund genannt – beschreibt detailliert und genau den aktuellen Zustand der gesamten Elektroanlage. Kurze »Bestätigungen«, die in wenigen Zeilen die Anlagensicherheit zusichern, sind nicht ausreichend und nicht erlaubt!
- Grundlage einer solchen detaillierten Dokumentation ist eine umfangreiche, normgerechte, bis in jedes Detail gehende, nachvollziehbare Überprüfung der gesamten Elektroanlage, auch »Elektro-Check« genannt. Eine solche Überprüfung kostet beispielsweise für eine 70 m² Wohnung inklusive Elektro-Befund etwa 250 Euro.
- Sollten sich bei der Anlagenüberprüfung sicherheitsrelevante Mängel zeigen, sind sie umgehend zu beheben.
- Ältere grundsätzlich mängelfreie Elektroanlagen ohne »Zusatzschutz« – die Steckdosenstromkreise sind nicht mit mindestens einen 0,03-Ampere-FI gesichert – müssen mit mindestens einem zusätzlichen höchst empfindlichen Fehlerstrom-Schutzschalter (Kosten ab 50 Euro) – der Austausch mit einem bestehenden, wenig empfindlichen FI ist verboten! – ausgerüstet werden. Denn nur ein hochempfindlicher FI-Schutzschalter genügt den Sicherheitsstandards der neuen Elektrotechnikverordnung. Er schaltet bei einem Gebrechen den Strom in einer Elektroanlage so rasch ab, dass gefährliche Stromschläge verhindert werden.
- Die ETVO Novelle 2010 ist seit 13. Juli 2010 rechtskräftig. Sie gilt seit diesem Datum ohne Übergangszeit für Hauptmietverträge, die dem Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG unterliegen. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Miete von Wohnungen in vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs errichteten Mehrparteienhäusern zumeist dem Vollanwendungsbereich unterliegen. Mietverträge von Wohnungen in nicht geförderten Neubauten und von Wohnungen in Neubauten, die in Wohnungseigentum stehen, unterliegen meist dem Teilanwendungsbereich des MRG.
Die Gründe liegen auf der Hand
Elektrische Sicherheit war und ist ein hochbrisantes Thema. Denn elektrischer Strom ist in Österreich die häufigste Brandursache: er zündet jährlich rund 2.800 Brände und verursacht dabei einen Schaden von rund 99 Millionen Euro. Mindestens 45 bis 50 Menschen sterben jährlich an den Folgen stromgezündeter Brände und an Strom-schlägen.
Warum gibt es in Österreich jährlich so viele elektrogezündete Brände und Stromopfer? „Nun, Schätzungen zu Folge gibt es noch zehntausende alte Elektroanlagen in Wohnungen – zum Teil aus der Kaiserzeit. Sie werden ohne jede Überprüfung, ohne jede Wartung, ohne jede Sanierung bis heute weiterverwendet. Und jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn man an eine alte Elektroanlage, die für ein paar Glühbirnen ausgelegt war, herumbastelt oder einfach einen Heizlüfter anschließt! Von den Sicherheitsmängeln ganz zu schweigen“, skizziert Witke die Sachlage.
Es ist eigentlich skandalös, aber trotzdem wahr: Wohnungs-Elektroanlagen mussten in Österreich bisher theoretisch zwar überprüft werden, aber kein Gesetz sagt, wann und wie oft. Daher sah auch niemand Handlungsbedarf. Denn das Elektrotechnikgesetz nimmt zwar den Anlagenbetreiber – in der Regel also den Mieter in die Pflicht – normiert aber keinen Überprüfungszeitpunkt, also keine Fristen, und bleibt daher unwirksam.
Doch nun ist alles anders – der Mieter kann seinen Rechtsanspruch auf eine sichere Elektroanlage durchsetzen: „Die Nichtvorlage eines Prüfprotokolls entsprechend ETVO erfüllt einen Verwaltungsstrafbestand. Der Mieter kann das bei der zuständigen Behörde – in Wien MA 36 – anzeigen und der Vermieter bekommt eine Verwaltungsstrafe“, unterstreicht der Leiter der MA 36. Dr. Gerald Junker darüber hinaus.
Erfolg verbucht
Jahrzehntelang hat sich die Elektroinnung in schwierigen Verhandlungen für eine wirksame Anlagenüberprüfung und -sanierung, für mehr Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, eingesetzt. Jetzt hat es endlich – nicht zuletzt dank des medialen Druckes – doch geklappt. Die ETVO Novelle 2010 ist unter Dach und Fach. „Die Elektroanlagen in Österreichs Haushalten werden sicherer“, gibt Witke vor der versammelten Presse bekannt und meint dazu ergänzend: „In vorbildlicher Zusammenarbeit mit Mag. Dittler vom zuständigen Ministerium und lobenswerter Kompromissbereitschaft der Immobilienbranche konnte der Durchbruch erreicht und eine tragfähige Lösung gefunden werden.“
Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Die ETVO gilt in nicht nachvollziehbarer Weise nicht für alle Wohnungen. Warum sich die Verordnung auf Neuvermietungen beschränkt, und warum bei Neuvermietung Untermietverträge und Ein- und Zweifamilienhäuser ausgenommen sind, ist nicht verständlich. Es geht bei der Norm ja um den Schutz des Mieters. Angesichts der Sicherheit einer Elektroanlage gibt es keinen Grund zur Differenzierung. Wir Elektrotechniker fordern daher alle Wohnungen in die ETVO einzubeziehen und darüber hinaus regelmäßige Anlagenüberprüfungen auch bei bestehenden Mietverhältnissen.
Der Mietrechtsexperte Doz. FH Mag. Christoph Kothbauer informiert umfassend:
„Die Verpflichtungen der ETVO treffen sowohl gewerbliche (professionelle) als auch private Vermieter, also neben den (gewerblichen) Vermietern im Mehrparteienhaus (Zinshaus) auch private Vermieter von Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern.
Grundsätzlich ausgenommen aus dem Geltungsbereich der ETVO sind Wohnungen im Vollausnahmebereich des MRG, also Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Ebenso ausgenommen sind Wohnungen mit aufrechten Mietverträgen. Ferner grenzt die ETVO ihren Anwendungsbereich auf Hauptmieten ein.
Die ETVO gilt in nicht nachvollziehbarer Weise nicht für alle Wohnungen. Angesichts der Sicherheit einer Elektroanlage gibt es keinen Grund zur Differenzierung. Falls man aber nur die gewerblichen Vermieter in die Pflicht nehmen wollte, wäre der Anwendungsbereich der neuen ETVO wiederum zu weit. Die aktuelle Elektrotechnikverordnung verpflichtet den Vermieter dem Mieter zu beweisen, dass die Elektroanlage der anzumietenden Wohnung sicher im Sinne des ETG 1992 ist. Als Beweis muss er dem Mieter eine ausreichende schriftliche Dokumentation, die die Sicherheit der Anlage bestätigt, vorlegen. Ein solches Prüfprotokoll – es gilt in Verfahren als Beweismittel – wird nach einer umfassenden Anlagenüberprüfung von einem Elektrotechniker ausgestellt. Eine einfache Bestätigung des Vermieters, die Elektroanlage sei sicher, genügt nicht den Anforderungen der ETVO.
Man darf gewerblichen oder professionellen Vermietern die Kenntnis der aktuellen Rechtslage (ETVO) unterstellen. Abgesehen von einigen schwarzen Schafen werden sie diese auch umsetzen. Vermieter im privaten Bereich werden diese Rechtskenntnis eher nicht haben. Hier scheint ein besonders hohes Gefährdungspotential zu schlummern.
Bei Nichtvorlage eines Prüfprotokolls, beziehungsweise bei Vorlage einer nicht genügenden, einfachen Bestätigung kann der Mieter entsprechend der ETVO nicht davon ausgehen, dass die Elektroanlage sicher ist.
- Der Mieter kann bei Nichtvorlage eines Prüfprotokolls kurzfristig den Mietzins wegen der latenten Gefährdung, die ihn zu einem sorgsameren Umgang mit dem Mietgegenstand zwingt, mindern. Er kann nicht davon ausgehen, dass die Elektroanlage sicher ist. Damit vermindert sich sein Wohnwert, denn ihn treffen – vor allem wenn Kinder im Haushalt leben – besondere Sorgfalts- und Aufsichtspflichten Das gilt bis zum Beweis des Gegenteils, also bis zur Vorlage eines positiven Prüfprotokolls durch den Vermieter. Eine Minderung von geschätzt etwa 10 bis maximal 20% müsste gerichtlich durchsetzbar sein. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass Mietzinsminderung sofort durchgesetzt werden muss, liegt doch in der vorbehaltlosen Zahlung des Mietzinses ein stillschweigender Verzicht auf Mietzinsminderung.
Abhängig davon, ob die betreffende Wohnung in den Voll- oder Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt, kann der Mieter bei Nichtvorlage eines Prüfbefundes auf verschiedene Weise seinen Anspruch auf eine sichere Elektroanlage entsprechend der aktuellen ETVO durchsetzen.
- Im Vollanwendungsbereich des MRG trifft den Vermieter (seit 1. Oktober 2006) eine zwingende Pflicht zur Beseitigung erheblicher, vom Mietgegenstand ausgehender Gesundheitsgefährdungen. Der Mieter kann bei einer Schlichtungsstelle (kostengünstiges Außerstreitverfahren) einen Antrag auf Herstellung eines sicheren Betriebszustandes der Elektroanlage – nur dann liegt keine Gesundheitsgefährdung vor – gemäß ETVO stellen und durchsetzen.
- Im Verfahren ergeben sich zwei Möglichkeiten:
1. Die Anlage ist sicher. Der Vermieter kann zum Beweis der Anlagensicherheit einen Prüfbefund nachreichen. Damit ist das Verfahren erledigt.
2. Die Anlage ist nicht sicher. Der Vermieter kann keinen positiven Prüfbefund vorlegen. Der sichere Anlagenzustand gemäß ETVO ist herzustellen und mit einem Prüfbefund zu beweisen. Kommt der Vermieter seiner Verpflichtung nicht binnen einer angemessenen Frist (maximal binnen dreier Monate) nach, kann der Mieter die Wohnung dauerhaft auf Kategorie D unbrauchbar herabstufen lassen (EURO 0,77 je m² und Monat), an einer Behebungspflicht des Vermieters ändert sich hierdurch allerding nichts.
- Im Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes trif ft den Vermieter keine zwingende Erhaltungspflicht. Es herrscht Vertragsfreiheit, Erhaltungspflichten können vertraglich ausgeschlossen werden.
Trotzdem wird es im Lichte der ETVO-Novelle so sein, dass auch hier die Herstellung eines sicheren Zustandes der Elektroanlage vom Mieter durchgesetzt werden kann. Denn eine vertragliche Bedingung, die darauf gerichtet ist, dass der Vermieter den von der ETVO geforderten Anspruch des Mieters auf einen sicheren Zustand der Elektroanlage nicht erfüllen muss, setzt sich damit über eine gesetzliche Verpflichtung hinweg. Eine solche Vereinbarung wird vermutlich sittenwidrig und daher unwirksam sein. Denn ein Mieter kann nicht rechtswirksam auf seinen Schutz durch eine Rechtsverordnung verzichten.
- Ungeregelt ist der Vollausnahmebereich des MRG (Ein- / Zweifamilienhäuser)
Hier wird davon auszugehen, dass eine Wohnung auch ohne Erfüllung der aktuellen Sicherheitsstandards vermietet werden darf. Aufgrund der ihn treffenden vertraglichen Schutz- und Aufklärungspflichten wird aber der Vermieter den Mieter über den nicht betriebssicheren Zustand der elektrotechnischen Einrichtungen informieren müssen. Andernfalls träfe den Vermieter im Falle von Stromunfällen eine Haftung für die erlittenen Schäden.“