Wien Energie investiert kräftig in die Zukunft des Energiesystems. Bis 2023 wird Österreichs größter regionaler Energiedienstleister mit einer Milliarde Euro die Versorgungssicherheit, Erneuerbare Energielösungen und Innovation vorantreiben. Alleine 2019 nimmt Wien Energie 200 Millionen Euro in die Hand und damit doppelt so viel wie im Vorjahr. Strukturell hat sich das Unternehmen dafür in den vergangenen Jahren neu aufgestellt: „Mit einer wesentlich effizienteren Organisation und den erreichten Personaleinsparungszielen können wir die großen Herausforderungen am Markt angehen und die erforderlichen Investitionen in den nächsten Jahren stemmen. Wir sind auf dem richtigen Weg“, so Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung.
Sonnenkraft für Wien
Wohin dieser Weg führt, zeigt sich deutlich in den Zahlen: Etwa die Hälfte der Investitionen, also rund 500 Millionen Euro, fließt in den nächsten Jahren in Energiewende-Projekte, rund 120 Millionen Euro in Innovation und 380 Millionen Euro in die Versorgungssicherheit. Den Schwerpunkt bei den regenerativen bildet die Photovoltaik, die besonders im Stadtgebiet massiv ausgebaut werden soll. Mit über 160 Großanlagen und knapp 17 Megawatt installierter Leistung ist Wien Energie schon heute der größte Solaranlagen-Betreiber Österreichs. „2019 setzen wir aber neue Maßstäbe: Allein in diesem Jahr planen wir 15 Megawatt zusätzliche Leistung zu installieren. Also fast genauso viel wie in den letzten zehn Jahren zusammengenommen“, betont Strebl die Dimension der Solar-Offensive von Wien Energie. Bis 2030 wird Wien Energie 600 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert haben. Mit dieser Leistung können dann bilanziell 250.000 Haushalte oder zwei Städte wie Graz und Linz zusammen mit Sonnenstrom versorgt werden.
145 Hilferufe an Wiener Kraftwerke
Strebl: „Die Steiermark versorgt ganz Wien mit Wasser, wir versorgen mit unseren Wiener Kraftwerken ganz Österreich sicher mit Strom.“ Der starke Ausbau volatiler erneuerbarer Energieträger stellt jedoch das österreichische Stromnetz auf eine harte Probe. Für Wien Energie hat daher die Sicherstellung der Energieversorgung oberste Priorität. Ein Rückgrat dafür sind die hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die neben der Strom- und Wärmeversorgung besondere Bedeutung zur Stabilisierung des österreichischen Stromnetzes haben. Bis Oktober 2018 bat die APG die Kraftwerke von Wien Energie im Rahmen des Engpassmanagements des Übertragungsnetzbetreibers 145 Mal punktuell um Hilfe, seit dem Herbst laufen sie praktisch durchgehend zur Netzstabilisierung. 1.550 Megawatt Reserveleistung hat die APG dafür für die nächsten drei Jahre vertraglich reserviert. Aber: „Die Zurverfügungstellung unserer Kraftwerke als Feuerwehr fürs Stromnetz ist kein Geschäftsmodell. Um weiterhin Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir in die Instandhaltung der Anlagen investieren. Dafür brauchen wir Planungssicherheit und langfristig klare Rahmenbedingungen, sonst sehen wir uns gezwungen, einzelne Anlagen oder ganze Kraftwerke schließen zu müssen“, betont Strebl die angespannte Situation. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Wald-Biomassekraftwerk Simmering, das erneuerbaren Strom und Wärme für zehntausende Wiener Haushalte liefert und dessen Förderung mit Ende Juli 2019 ausläuft. Ob es ab August eine ausreichend hohe Nachfolgeförderung zum Weiterbetrieb der grundlastfähigen Anlage geben wird, ist derzeit offen.
Stabile wirtschaftliche Entwicklung
Die Basis für die Investitionen bildet ein erneut positiver Geschäftsverlauf im Jahr 2018. Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um über 17 Prozent gestiegen, das Ergebnis liegt mit 75,8 Millionen Euro etwas unter dem Vorjahreswert.
Wien Energie-Geschäftsführer Peter Gönitzer: „Höhere Ausgaben in der Instandhaltung, bilanzielle Sondereffekte und ein herausforderndes Marktumfeld, das 2018 von Preiskampf und Strom-Preiszonen-Trennung geprägt war, führen trotz höherer Umsatzerlöse aus Strom, Gas und Wärme zu einem etwas niedrigeren Gesamtergebnis als im Vorjahr.“
Der durchschnittliche Personalstand von Wien Energie lag 2018 bei 2.251 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das sind um 67 Vollzeitäquivalente weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang ist auf die Maßnahmen aus dem konzernweiten Personalprogramm der Wiener Stadtwerke zurückzuführen. Das Programm startete im Herbst 2016 und lief bis Dezember 2018.
„Wir sind deutlich schlanker geworden und haben unsere Struktur zukunftsfit getrimmt. Durch Digitalisierung und Generationenwechsel sind wir mit neuen Herausforderungen konfrontiert. In den nächsten Jahren werden alleine bei Wien Energie 250 neue Jobs entstehen, ganze Berufsbilder werden sich durch die Digitalisierung verändern. Bei konstantem Personalstand suchen wir die besten Köpfe, unterstützt von Initiativen wie unserem Traineeprogramm. Der Frauenanteil soll – besonders in den technischen Sparten – deutlich erhöht werden“, so Gönitzer.
Heiß wie nie zuvor
Der Wärme-Absatz sank im Vergleich zum Vorjahr um -4,3 Prozent auf 5.868 Gigawattstunden, der Absatz bei Gas um -8,3 Prozent auf 5.985 Gigawattstunden. Der Strom-Absatz bewegt sich mit 8.757 Gigawattstunden ebenfalls leicht unter den Vorjahreswerten. Der Gesamtenergieabsatz von Wien Energie lag somit mit 20.611
Gigawattstunden um -4,9 Prozent etwas unter dem des Vorjahresniveau. Die Erzeugung von Wien Energie lag in 2018 mit 11.334 Gigawattstunden knapp unter dem Vorjahresniveau (11.436 Gigawattstunden). „Laut Klimabilanzen war 2018 das wärmste Jahr in der mehr als 250-jährigen österreichischen Messgeschichte. Diese Witterungsverhältnisse spiegeln sich deutlich im Energie-Absatz und in der Erzeugung wider“, so Karl Gruber, Wien Energie-Geschäftsführer.
Die Niederschlagsmenge fiel 2018 unterdurchschnittlich aus. Aufgrund der witterungsbedingten ungünstigen Wasser- aber auch Windverhältnisse kam es in diesen Bereichen zu einer geringeren Produktion erneuerbarer Energien. Die Stromproduktion aus Sonnenenergie konnte hingegen im Vergleich zum Vorjahr um 6,4 Prozent gesteigert werden. „Mit 1.100 Gigawattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien können wir umgerechnet schon heute rund 440.000 Haushalte mit Ökostrom versorgen. Auch im Wärme-Bereich setzen wir wichtige Meilensteine, um noch umweltfreundlicher zu werden. Wir haben hier in Wien mit dem weitläufigen Fernwärmenetz und der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung ideale Voraussetzungen“, betont Gruber. „Die größte Herausforderung ist es, die Wärme erneuerbar zu machen.“
Eine zentrale Rolle spielt die aktive Bewirtschaftung des Fernwärmenetzes als Speicher für die Sektorkopplung, wie etwa im Bereich Power-to-Heat, wo Wien Energie zwei Elektrodenkesseln mit je 10 MW Leistung betreibt, die mit überschüssigem Strom Wasser auf über 160 °C erwärmen. Bereits installiert ist im Bezirk Simmering die mit rund 40 MW größte Wärmepumpe Mitteleuropas, die den Kühlkreislauf vorhandener Kraftwerke sowie das Wasser eines Donaukanals als Wärmequelle nutzt. Diese speist ebenso wie eine 700 m2 große Solarthermieanlage mit einer Leistung von 1 MW ins Fernwärmenetz ein, künftig soll auch grünes Gas genutzt werden. Wien Energie hat mit ecofys einen Dekarbonisierungspfad für den Großraum Wien bis 2050 entwickelt, der aufzeigt, wie CO2-Emissionen in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr drastisch reduziert werden können. „Die Dekarbonisierung ist in der Praxis angekommen. Es gibt keinen Grund, diese auf die lange Bank zu schieben“, sagt Gruber.
Das Jahr von Blockchain und Local Energy Communities
Nicht nur bei den Investitionen, sondern auch am Markt legt Wien Energie im Jahr 2019 den Vorwärtsgang ein. Strebl: „Der Wettbewerb wird sich weiter verschärfen. In diesem Spannungsfeld müssen wir innovative Lösungen präsentieren und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten. Vernetzung wird immer wichtiger. Kooperationen mit großen Partnern wie den Wiener Linien und sektorenübergreifende Angebote schaffen einen Mehrwert über die reine Energielieferung hinaus“. Im Bereich Elektromobilität wird Wien Energie 2019 mit 550 geplanten Ladestellen um 60 Prozent mehr Infrastruktur errichten als im Vorjahr. Und auch im Bereich Innovation ist einiges geplant.
Was mit dem Ökostromgesetz im Mehrfamilienhaus rechtlich möglich geworden ist, soll mit dem Clean Energy Package noch ausgedehnt werden. Lokale Kommunen und Stadtviertel sollen unterstützt werden, wenn sie sich bei der Energieproduktion und der Weiterverwertung zusammentun wollen. Der lokal erzeugte Strom wird je nach Bedarf unter den Bewohnern aufgeteilt. Wenn keiner den Strom nutzt, wird der Strom weiterverkauft oder auch für Stromtankstellen im Quartier verwendet. Mithilfe neuer Technologien wie Blockchain könnte das künftig vollautomatisch und nach ökonomischen Kriterien passieren.
Quelle: APA