Nach 4,5 Jahren Sanierung wurde am 23.3.2023 der weltweit einzigartige Strauss-Saal, das Herzstück des Casino Zögernitz in Wien Döbling, wieder eröffnet. In der Ausstellung „House of Strauss“ wird ab Herbst die Geschichte Wiens als Musikwelthauptstadt von damals und heute erzählt und wiederbelebt.
Mit der sanften historischen Rückführung des Casino Zögernitz bekommt Wien ein Highlight zurück, das die Stadt damals wie heute als Musikwelthauptstadt feiert. Das ursprünglich 1837 errichtete Gebäude wurde sowohl baulich als Denkmal als auch von seiner Funktion als Casino wiederbelebt.
Das Herzstück des Casino Zögernitz bilden das 80 m2 große Oktogon sowie der letzte erhaltene und 350 m2 große Strauss-Saal mit seinen einzigartigen Farben, Materialien und Akustikeigenschaften. Allein die Arbeiten, um die originalgetreue Wandbemalung wieder herzustellen, dauerten 2,5 Jahre. Hinter den historischen Wänden wurde modernste Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik verbaut, die Wärme und Kälte wird von der Wärmepumpe in der benachbarten Energiezentrale geliefert. Die großen Fenster lassen nun wieder wie früher viel Tageslicht in den Saal.
Der Saal in dem Johann Strauss Vater bei seiner Eröffnung dirigierte/spielte und danach mit seiner Dynastie und anderen Musikern wie Joseph Lanner und Carl Michael Ziehrer zahlreiche Konzerte spielte und glänzende Bälle und Volksfeste feierte, gilt als akustisch herausragend. Er wurde später über 25 Jahre von der Teldec Schallplatten GmbH für Tonaufnahmen von klassischen Konzerten genutzt. Teldec war ein Tochterunternehmen des AEG-Konzerns und zählte zu den größten und traditionsreichsten deutschen Schallplattenherstellern. Auch Nikolaus Harnoncourt wirkte hier mit seinem „Concentus Musicus“ genauso wie die Wiener Sängerknaben und diverse OpernsängerInnen und renommierte Chöre.
Ursprüngliches Gebäude, ursprüngliche Funktion
Laut Denkmalpflege handelt es sich beim Casino Zögernitz um eines der wertvollsten Casinos, weil man den Originalzustand rekonstruieren konnte.
Für den Eigentümer, Hermann Rauter, ist es wichtig, dass das Bauwerk und Denkmal nun wieder so dasteht wie einst. Die im Laufe der Zeit außen hinzugefügten Trakte wurden entfernt, der Originalzustand wieder hergestellt. Das Casino bekommt nun auch wieder seine ursprüngliche Funktion: ein vielseitiger Ort der Unterhaltung.
Derzeit bereits fertig gestellt und eröffnet sind ein Restaurant mit einem 500 m2 großen Gastgarten mit altem Baumbestand und einem historischen Brunnen. Nun wird der Veranstaltungsbereich und Konzertsaal inklusive Garderobenräumlichkeiten und Museumsshop eröffnet.
House of Strauss – Ausstellung und Meisterklassen
Im Herbst 2023 soll dann das „House of Strauss“ folgen: Auf 2.000 m2 wird anhand der Familie Strauss erzählt, warum Wien früher die Welthauptstadt der Musik war – und es heute noch ist. Diese Ausstellungsräumlichkeiten wurden von dem renommierten Atelier Brückner gestaltet, das weltweit zahlreiche Museen plante, darunter etwa das BMW Museum in München, das Museum Of The Future in Dubai oder das Grand Egyptian Museum in Gizeh. Auf 600 m2 Ausstellungsfläche im ersten Stock des Casinos werden zwei Räume sogar eine Doppelfunktion haben. Sie werden einerseits als klassischer Ausstellungsraum genutzt, zugleich finden in ihnen aber auch echte Meisterklassen statt, bei denen die BesucherInnen zuhören können. In einer der Meisterklassen wird der Originalflügel von Eduard Strauss, dem letzten Musikers der Dynastie, Verwendung finden.
Spitzenkoch Stefan Glantschnig kommt
Um ein Parkplatzproblem zu vermeiden, wurde eine hauseigene Tiefgarage mit 50 Stellplätzen geschaffen. Mit 14. April 2023 wird zudem Stefan Glantschnig, bester Nachwuchskoch Europas 2017, das Restaurant im Zögernitz übernehmen.
Strenge Auflagen
Zögernitz-Eigentümer Hermann Rauter: „Das Casino Zögernitz ist ein magischer Ort. Hier haben die großen Meister gespielt und wir erwecken es zu neuem Leben und lassen Wien als Welthauptstadt der Kultur hochleben.“ Über die Sanierung meint Rauter: „Mit dem Bundesdenkmalamt haben wir hervorragend zusammengearbeitet. Wegen der Umwidmung von Hotel auf Museumsnutzung haben wir aber auch viele Herausforderungen in der Revitalisierung gehabt. So mussten wir in den meisten Teilen des alten Gebäudes den strengen Neubaubestimmungen hinsichtlich der Energie und Statik – Stichwort Erdbebensicherheit – genüge tun. Auch das ist uns letztlich gut gelungen.“
Trivia
Casinos waren früher der einzige Ort, den Frauen aufsuchen durften, um öffentlich zu tanzen. Sie waren ein auch ein Platz für Rendezvous der gehobenen Gesellschaft.
400 originale Thonetstühle konnten erhalten werden und stehen dem Publikum zur Verfügung. Ergänzt wurden sie durch moderne Möbel, die von dem österreichischen Startup Trastic aus recyceltem Plastik hergestellt wurden.
Um weiterhin erstklassige Aufnahmen im Strauss-Saal zu ermöglichen, wurde ein Tonstudio mit Sichtkontakt zum Saal integriert.
Zur offiziellen Eröffnungsfeier inklusive Konzert wurden nur jene eingeladen, die es ermöglicht haben, das Denkmal wieder herzustellen, also etwa die BauarbeiterInnen – sie seien die wahren VIPs, so Eigentümer Hermann Rauter. Der Präsident des österreichischen Nationalrates, Wolfgang Sobotka, dirigierte als Ehrengast ein Musikstück bei der Eröffnung.
Zur einzigartigen Klangqualität und Akustik
Jörg Birhance, Dirigent und Leiter des Europäischen Musikinstituts Wien erklärt die Einzigartigkeit der Akustik des Strauss-Saals so: „Der Saal des Casino Zögernitz führt uns zurück zu einer ursprünglichen Idee von Akustik. Nicht die Frage, ob der Saal eine Akustik hat, also wie sich der Klang als Schall im Raum entwickelt, steht hier zur Debatte, sondern die erstaunliche Erkenntnis, dass der Raum selber Akustik ist, und selber als Ganzes klingt. Selten hat man so eine Gelegenheit, sich sozusagen selbst im Inneren einer Geige zu befinden, und dieser Saal ist einer der wenigen überhaupt existierenden, wo dieses Phänomen zu erleben ist.“
Adresse
- Casino Zögernitz Döblinger Hauptstraße 76 1190 Wien
- Anfahrt mit öffentlichem Verkehr
- 37 Pokornygasse
- U6 Nussdorfer Straße
- U4/U2 Spittelberg
- Auto: Parkgarage unter dem Geböude
Die Geschichte des Casino Zögernitz
1837: Der Wiener Bürger Ferdinand Zögernitz lässt eine Residenz im Biedermeierstil auf ehemaligem kaiserlichen Besitz erbauen. Das alte Casino Zögernitz wird am 21. Juni des Jahres 1837 eröffnet und avanciert fortan mit seinem „reich dekorierten Saal“ und wunderschönem Garten zum beliebten Treffpunkt der besten Wiener Gesellschaft.
1850: Im Sommer 1850 veranstaltete Johann Strauß „zu seinem Benefice“ im Casino Zögernitz ein großes Wiener Volksfest mit einem glänzenden Ball, imposanter Illumination und Feuerwerk. Wie er es von seinem Vater gelernt hatte, gab er diesem Fest auch einen auftrumpfenden Titel: „Prunkszene aus der Residenz“. Für den Ball versprach der junge Strauß als Attraktion einen neuen Walzer: „Johannis-Käferln“. Es ist durchaus möglich, daß die Gäste auch echte „Johannis-Käferln“ zu sehen bekamen, denn so nennt man in Wien die Glühwürmchen, und diese sind in freundlichen Sommernächten gerade im Raum Döbling sehr oft und zahlreich zu sehen.
1868: In den folgenden Jahren nach 1868 bestritten Volkssänger und Komiker, wie Pepi Steidler, Luise Montag, Josefine Schmär und der „Alte Drahrer“ Guschelbauer das Unterhaltungsprogramm. Der Straußsaal war auch ab 1880 der Ort für zahlreiche Konzerte der Brüder Johann und Eduard Strauß sowie vom damaligen Hauskapellmeister Fahrbach.
Von 1870—1903 war an Stelle des später neuerrichteten Speisegartens die Endstation und Remise der Pferdetramway. Erst nach der Elektrisierung der Straßenbahn wurde die Endstation auf die Hohe Warte verlegt.
1913 übernahm das Gastronomen-Ehepaar Alfred und Maria Stegbauer das Casino und richteten ab 1920 für mehrere Jahre ein Freiluftkino im Garten ein. Da das Casino im Zuge des ersten Weltkrieges schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, entschlossen sie sich 1926, einem vielfach geäußerten Wunsch, insbesondere der Döblinger Bevölkerung, Rechnung tragend, Neubauten auszuführen. In etwas modernisiertem Altwiener Stil wurde der Neubau dem alten Casino angepasst.
1945: Ab Mai 1945 feierten hier bis zu 600 sowjetische Soldaten ihren Sieg durch Apelle und Gartenfeste. Nach der 4-Zonenteilung Wiens veranstalteten die Amerikaner im Casino ausgelassene Triumphfeiern.
Nach dem Abzug der ausländischen Besatzungsmächte wurde das Casino Zögernitz zu neuem Leben erweckt. Der Wiener Fasching, Bälle, Kränzchen, Sommerfeste, Versammlungen politischer Parteien, Theater- und Opernaufführungen kehrten wieder ein.
1950 wurde das anschließende Hotel, wo Künstler wie Marcel Prawy, Helge Rosvaenge, Walter Wallner etc. logierten, errichtet.
1967: Im Straußsaal fanden seit 1967 große Schallplattenaufnahmen von alter und klassischer Musik statt. Nikolaus Harnoncourt wirkte hier mit seinem „Concentus Musicus“ und viele bekannte Opersänger sowie Chöre beehrten das Haus.
1976: Seit 1976 gehörte das Casino Zögernitz der Rudolf Stegbauer KG. Nach dem Tode von Rudolf Stegbauer ging die Liegenschaft an seine beiden Schwestern, die vor einigen Jahren verstarben. Sie vermachten das Casino Zögernitz der Erzdiözese Wien.
2007: Der mittlerweile historische Altbau und das gesamte Grundstück sind in einem schlechten Zustand und steht seit Jahren leer. In den vergangenen Jahren wurden von verschiedenen Besitzern behelfsmäßige Schuppen um den Altbau gebaut und das Gelände ist verwuchert.
2008: Seit Februar 2008 ist das Casino Zögernitz durch das Bundesdenkmalamt unter Denkmalschutz gestellt.
Im selben Jahr erwirbt der Immobilienentwickler Hermann Rauter die Liegenschaft und entwickelt das Konzept zur Revitalisierung des alten Casinos, finanziert durch den Bau neuer Wohnungen auf dem brach liegenden Grundstück.
2017: Eine sanfte historische Rückführung in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt, sowohl im Baulichen, als auch in der Funktion beginnt.
2023: Die Sanierungsarbeiten im Veranstaltungsbereich (Strauss-Saal, Oktogon, Restaurant) sind nach 4,5 Jahren abgeschlossen.
Weitere Informationen auf https://zoegernitz.com/
Quelle: Immobranche Pressecafe