Energieerzeugung oder Landwirtschaft? Die Konkurrenz um Flächen steigt und das Thema der Bodenversiegelung polarisiert auf beiden Seiten. Einen verbindenden Lösungsansatz bietet die Agri-Photovoltaik, die eine doppelte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht. Und – diese Art der Freiflächenanlage birgt außerdem ein enormes Potenzial, denn: Laut Einschätzung des Fraunhofer Instituts würden nur rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen genügen, um mit hoch aufgeständerter Agri-PV bilanziell den gesamten aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken! Was das für Österreich bedeuten kann, haben wir uns vor Ort bei einer neuen Agri-PV-Anlage im Waldviertel angesehen.
von Mag. Sandra Eisner
Wir stehen vor Herausforderungen: Die Weltbevölkerung wächst und damit auch der Bedarf an Nahrungsmitteln. Die zunehmenden Wetterextreme zeigen deutliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen. Als Lösungsansatz wird bereits in vielen Teilen der Welt auf Agri-PV gesetzt, da durch die doppelte Nutzung der Fläche Landwirtschaft und Stromerzeugung betrieben werden kann. Doch eine Agri-PV-Anlage kann noch mehr: Als neue Einkommensquelle für Betriebe steigert sie die Wertschöpfung im ländlichen Raum durch den Verkauf von Strom. Agri-PV ist stark im Kommen – wir waren zum Lokalaugenschein bei einem der noch wenigen österreichischen Vorreiter.
Agri-PV auf dem Vormarsch
Einfaches Prinzip mit großem Potenzial: Agri-PV-Anlagen setzen genau da an, wo wir auf unserem Weg in Richtung Klimaziele und Effizienz hinwollen. Sie produzieren erneuerbare Energie, während die Fläche unter den Solarmodulen (weiterhin) landwirtschaftlich genutzt werden kann. Diese perfekte Kombination aus Energieerzeugung und Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt und ihren Vormarsch in fast allen Regionen der Welt begonnen. Laut Informationen des Fraunhofer Instituts stieg die installierte Leistung exponentiell von rund fünf Megawatt Peak (MWp) im Jahr 2012 auf mindestens 14 Gigawatt Peak (GWp) im Jahr 2021. Möglich wurde dies vor allem durch staatliche Förderprogramme in Japan (seit 2013), China (ca. 2014), Frankreich (seit 2017), den USA (seit 2018) und zuletzt Korea.
Vorreiter im Waldviertel
Schließlich fand die Agri-PV auch ihren Weg nach Österreich. Ein Unternehmen, welches das Potenzial der doppelten Flächennutzung schnell erkannt hat, ist die APV – Technische Produkte GmbH. Der international tätige Landmaschinenhersteller aus Dallein im Waldviertel beschäftigt rund 200 Mitarbeiter, APV-Standorte und Tochterunternehmen gibt es in Polen, Rumänien, Russland, Deutschland, Brasilien, in der Türkei und den USA. Das Unternehmen produziert Grünpflege-, Kulturpflege-, Streu- und Sägeräte für den ökologischen Einsatz am Feld – Geschäftsführer Jürgen Schöls erklärt: „Seit der Firmengründung im Jahr 1997 lag der Fokus stets auf der (Weiter-)Entwicklung von Landwirtschaftsmaschinen und deren Optimierung – sowohl für den Nutzer als auch für den Ackerboden. Nachhaltigkeit im Sinne der Umwelt und Natur sind also seit jeher Teil der Unternehmens-DNA.“ Dies zeigt sich auch am Hauptstandort in Niederösterreich: Ein Hackschnitzelheizwerk liefert Wärme aus nachwachsenden Rohstoffen, alle Dächer sind mit Photovoltaik-Anlagen versehen und Ladestationen versorgen die Elektroautos des Fuhrparks sowie der Mitarbeiter. „Es gab bereits vor rund sieben Jahren die Überlegung einer vollflächigen PV-Anlage am Feld“, erinnert sich Schöls an den nächsten Schritt in Richtung optimierter Nachhaltigkeit, „allerdings war dies aufgrund der fehlenden Leitungslänge nicht realisierbar. Mit der Agri-PV hat sich in der Folge eine komplett neue und sinnvolle Möglichkeit aufgetan.“ Also wurde vor rund zweieinhalb Jahren der Entschluss dazu gefasst und die Genehmigungs- und Umwidmungsverfahren gestartet: „Wertvolle Unterstützung erhielten wir dabei von den Energieberatern Gottfried Brandner und Renate Brandner-Weiß, die durch ihre Kompetenz die Kommunikation mit Gemeinde und Ämtern erheblich erleichterten.“
Das Ergebnis der langwierigen Bemühungen kann sich sehen lassen. Auf einer Fläche von ca. 20.000 m2 sorgen nun 2.158 Module (Hersteller: Huasun) mit einer Leistung von je 460 Wp für eine Stromproduktion von rund 1 MWh pro Jahr. Die Länge des rund zweijährigen Genehmigungsverfahrens erforderte ein großes Maß an Geduld, brachte jedoch auch Vorteile mit sich: „Die bifazialen Module wurden bereits im Winter 2021 vorreserviert, deshalb gab es keine Lieferprobleme. Bei den Wechselrichtern (Huawei) war die Situation schwieriger: Wir benötigten 100-kW-Modelle, in Europa waren allerdings nur 50-kW-Modelle verfügbar, weswegen wir auf diese setzen mussten – dementsprechend in der doppelten Menge“, so Jürgen Schöls.
Anbieter der Agri-PV-Anlage ist die Next2Sun Austria GmbH, installiert wurde sie gemeinsam mit dem Elektrounternehmen Mörth aus Kammersdorf im Weinviertel. Eine Förderung gibt es für PV-Anlagen in dieser Größenordnung nicht. Laut Informationen des Anbieters Next2Sun liegen die Investitionskosten für die Unterkonstruktion „wegen der hohen Windlasten höher als bei konventionellen Anlagen, bei den derzeit hohen Stahlpreisen meist zwischen 90 und 130 EUR pro kW. Neben den etwas teureren Modulen ist dies der Hauptgrund für die höheren Anlagenkosten. Durch den etwas höheren Stromertrag, die bessere Einspeisevergütung und eine längere Lebensdauer ergeben sich erhebliche Vorteile in der Amortisation.“
Was passiert mit der produzierten Energie?
Durch die Ost-West Ausrichtung der PV-Modulreihen liegen die Spitzen der Stromproduktion vor allem am Vormittag bzw. am Abend. So werden nach Angaben des Anbieters Next2Sun 5 % bis 15 % höhere spezifische Stromerträge pro kW – im direkten Vergleich zu den nach Süden ausgerichteten PV-Anlagen – erreicht. Jürgen Schöls: „Wir haben alle möglichen Varianten durchgedacht, von Wasserstoffproduktion über Gasproduktion bis hin zum Bau eines Speichers, aber für die Größenordnung unserer Anlage sind die entsprechenden Techniken noch nicht ausgereift. Ein Ausbau steht nicht zur Frage, da die Leitungen derzeit ausgelastet sind. Nun wird die über die Sonne produzierte Energie für das Laden unserer Fahrzeuge verwendet, der überschüssige Rest wird abtransportiert. Wir überlegen allerdings auch die Gründung einer lokalen Energiegemeinschaft – eine Realisierung wird zurzeit eruiert.“
Mythen und Vorurteile
Wie in vielen Bereichen, in denen es aufgrund des Innovationsgrades an Erfahrungswerten mangelt, gibt es auch großen PV-Freiflächenanlagen gegenüber zahlreiche Bedenken. Die Versiegelung der Flächen als polarisierendes Thema sei hier etwa erwähnt – der Flächenverbrauch und damit der Verlust wertvoller landwirtschaftlicher Böden. Davon kann bei der Agri-PV jedoch keine Rede sein: Bei einer Ost-West-Ausrichtung der Anlage werden die bifazialen Module senkrecht aufgeständert (Höhe: drei Meter) und die Stahlpfosten mit einer hydraulischen Ramme in den Boden gerammt (etwa zwei Meter tief) – somit ist keine zusätzliche Fundamentierung notwendig. Durch die senkrechte Anordnung der Module mit mindestens 7 Meter breiten Reihenzwischenräumen bleiben über 90 % der Fläche für eine landwirtschaftliche Nutzung verfügbar. Beim Anbieter Next2Sun sind die Stringwechselrichter in das vertikale Gestellsystem integriert. Von den oberirdischen Trafostationen (ca. 2,5 x 3 m) wird der Strom über Erdkabel zum Netzanschlusspunkt transportiert.
Bewirtschaftung der Fläche
Grundsätzlich kann die Fläche einer Agri-PV-Anlage mit einem vertikalen Gestellsystem landwirtschaftlich in Form von Ackerbau, Weide- und Graslandbewirtschaftung sowie für ökologische Aufwertungsmaßnahmen genutzt werden. Getreide, Gemüse oder Obst – was wird es im Fall von APV? „Die Fruchtfolge nach der Luzerne, die jetzt zwei Jahre lang als Bodenverbesserer wirkt, steht noch nicht fest. Als Leguminose reichert sie den Boden mit Stickstoff an und danach sind niedrig wachsende Getreide (bis ca. 1 Meter) aber auch Kürbis, Erdäpfeln oder Karotten und vieles mehr möglich“, blickt Jürgen Schöls in die Zukunft seiner Agri-PV-Anlage.
Auch hier wird die Erfahrung wertvolle Erkenntnisse bringen. Was allerdings heute bereits klar ist: Photovoltaik und Landwirtschaft schließen einander nicht aus, im Gegenteil – im Falle von Agri-PV bilden sie sogar eine überaus effiziente Synergie.
Weitere Informationen auf: www.apv.at sowie www.next2sun.com