Revolution in der Küche und Abschied vom Fließband

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Am 18. Jänner 2017 zeichnete Austrian Standards Unternehmen, Projekte und Start-ups aus, die durch gezielte Anwendung und strategische Mitentwicklung von Standards weltweite Zukunftsmärkte erfolgreich mitgestalten. Mehr als 100 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik waren zur Preisverleihung am Mittwochabend ins Austrian Standards Meeting Center gekommen; unter ihnen Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, Nationalbankpräsident Claus J. Raidl, Forum-Alpbach-Präsident Franz Fischler und die Leopoldstädter Bezirksvorsteherin Ursula Lichtenegger.

Innovation und Internationalität – dafür stehen jene Unternehmen, die am Mittwoch, 18. Jänner, mit dem Living Standards Award 2017 ausgezeichnet wurden. Der 2014 von Austrian Standards ins Leben gerufene Preis wurde zum dritten Mal an Unternehmen und Organisationen vergeben, die die Entwicklung internationaler Standards nutzen, um sich damit erfolgreich am Weltmarkt zu behaupten, oder ihre Mitwirkung an der Entwicklung von Standards und deren Umsetzung vorbildlich nutzen. Erstmals haben sich heuer nicht nur etablierte, klassische Unternehmen, sondern auch Start-ups, Projekte und Organisationen aus Wissenschaft und Forschung beworben. Der Living Standards Award wurde daher heuer erstmals in drei Kategorien vergeben:

  • Kategorie »Corporate« – für bestehende Unternehmen, für die Standards immer schon große Bedeutung hatten,
  • Kategorie »Project« – für vernetzte Projekte, an denen mehrere Partner grenzüberschreitend zusammenarbeiten,
  • Kategorie »Start-up« – für Jungunternehmen, die in länderübergreifender Kooperation entstehen und die Normen als Basis für ihre Business-Innovationen entwickeln und nutzen.

Standards öffnen Weltmärkte
Einer der beiden Preisträger in der Kategorie »Corporate« ist die Kapsch TrafficCom AG. Der Anbieter von Mautsystemen ist mit seinen intelligenten Transport-Systemen in 44 Ländern auf allen Kontinenten vertreten und nimmt laufend an der Entwicklung von Standards teil. „Um auf den Weltmärkten tätig zu sein, ist die Mitgestaltung von Standards entscheidend“, betonte Refi-Tugrul Güner, Head of Innovation and Standardization, Kapsch TrafficCom AG. Kapsch wendet nicht nur die klassischen Standards an, die bei CEN und ISO entwickelt werden, sondern arbeitet auch in anderen Organisationen und Konsortien mit und nutzt deren Regelwerke. Austrian Standards fungiert dabei als Tor zu internationalen Partnern und Gremien. „Wir nutzen unser länderübergreifendes Netzwerk, um unseren Kunden den Zugang zu jenen Standards zu ermöglich, die sie auf den Weltmärkten brauchen“, sagte Austrian-Standards-Präsident Walter Barfuß bei der Preisverleihung.

Revolution in der Küche
Das Philips Kompetenz- und Entwicklungszentrum in Klagenfurt ist Teil eines weltumspannenden Konsortiums, das an der Realisierung von kabellosen Küchengeräten arbeitet. „Der Strom kommt also nicht aus der Steckdose, sondern von einer unter der Arbeitsplatte montierten Basiseinheit“, erklärte Dieter Maier, Senior Design Engineer bei Philips Klagenfurt. Die Voraussetzungen für die neuartige Energieübertragung werden gemeinsam mit anderen Geräte-, aber auch mit Küchenherstellern spezifiziert, genau definiert und in Standards festgeschrieben. Denn solche neuartigen Küchengeräte können sich nur dann durchsetzen, wenn sie in den am Markt angebotenen Küchen funktionieren. Für seine strategisch ausgerichtete Mitwirkung an der Entwicklung weltweiter Standards wurde die Philips Austria GmbH Österreich mit dem Living Standards Award 2017 in der Kategorie »Corporate« ausgezeichnet. „Als Teil des weltumspannenden »Ökosystems Normung« bringt Austrian Standards die unterschiedlichen Player zusammen, und zwar übergreifend über Branchen und sogar Wertschöpfungsketten hinweg“, betonte Austrian-Standards-Vizepräsident Manfred Matzka bei der Preisüberreichung.

MobilePass erleichtert europaweite Grenzkontrollen
Den Living Standards Award in der Kategorie »Project« gab es für das Austrian Institute of Technology (AIT) als Koordinator des Projekts »MobilePass«, das aus dem EU-Rahmenprogramm 7 mitfinanziert wird und aus einem Konsortium von 11 Firmen, Instituten, Universitäten und Behörden besteht. „Ziel ist es, neue Technologien für mobile Geräte zur Personenidentifizierung bei der Grenzkontrolle zu entwickeln, um die Arbeit der Grenzkontrollbehörden zu erleichtern und zu beschleunigen, die Identifizierung der Personen würdig und bequem durchzuführen sowie Prozesse, Geräte und Kommunikation sicher zu gestalten“, erklärte AIT-Experte und »MobilePass«-Projektleiter Bernhard Strobl.

Die Entwicklung von Standards wird dabei als wesentliches Instrument gesehen, um Projektziele zu erreichen und dabei die Bedürfnisse und Erwartungen unterschiedlicher Interessensgruppen vorweg miteinzubeziehen. Deshalb wurde »MobilePass« mit dem Living Standards Award 2017 in der Kategorie »Project« ausgezeichnet. Es sei „äußerst sinnvoll“, bei Entwicklungsprojekten und Innovationen schon sehr früh an Standards zu denken, erklärte dazu Austrian-Standards-Vizepräsident Stefan Ehrlich-Adám: „Man muss einerseits schauen, ob es schon Standards gibt, auf denen man aufbauen kann. Andererseits sollte man überlegen, ob man nicht zuerst mit Hilfe gemeinsamer Standards Schnittstellen klären sollte, um nicht später mit einer inkompatiblen Insellösung dazustehen.“

Aus fürs Fließband
Ebenfalls in der Kategorie »Project« ausgezeichnet wurde das Forschungsprojekt der TU Wien, »REFLex«, das für eine gewaltige Effizienzsteigerung bei der Automatisierung von Produktionsprozessen sorgt. Prof. Holger Arthaber entwickelte mit seiner Arbeitsgruppe Mikrowellentechnik die Distanzmessung zu passiven Funk-Etiketten – so genannten RFID-Tags. „In diesem Projekt geht es darum, dass man die Etiketten nicht nur identifiziert, sondern auch die Entfernung zu ihnen bestimmt. Das heißt, ich kann Produktionsprozesse automatisieren“, erläuterte Arthaber das Projektziel und veranschaulichte es anhand eines konkreten Beispiels: „Distanzmessung ermöglicht es, dass beispielsweise mobile Roboter in Erfahrung bringen können, wo gerade welches Werkzeug zu Verfügung steht, um damit zu einer Montageinsel zu fahren.“ Schnellere, individualisierte Massenproduktion in der Industrie 4.0, wie sie beispielsweise in der Autoherstellung bereits umgesetzt wird, wird dadurch erleichtert. An einer noch genaueren Lokalisierungslösung wird gearbeitet.

Das Ende des Fließbands naht. Die Industrie zeigte bereits Interesse, einen Standard zu entwickeln, damit das Verfahren zur Anwendung kommen kann, womit ein in Österreich entwickeltes patentiertes Verfahren als internationaler Standard publiziert wird. Da die fortschreitende Automatisierung vielfältige, auch gesellschaftliche Auswirkungen haben wird, ist es sehr wichtig, ethische Aspekte in die Ausarbeitungen miteinfließen zu lassen. Deshalb sitzen bei diesem Projekt auch Ethiker in dem Komitee. Als einen der ganz großen Vorteile bei der Entwicklung von Standards bezeichnete es Austrian-Standards-Vizedirektor Wolfgang Steigenberger, dass man „gesamtheitlich denkt, in einem 360-Grad-Blick alle Aspekte einer Entwicklung betrachtet, alle miteinbezieht und vertretbare, allgemein akzeptierte Lösungen sucht“.

Standards als Geburtshelfer und Turbo für Start-up
Preisträger in der Kategorie »Start-up« ist das Klagenfurter Jungunternehmen Bitmovin, dessen Existenz „als Ergebnis jahrelanger, aktiver Forschungs- und Standardisierungsarbeit gesehen werden kann“, versicherte Geschäftsführer Christian Timmerer. Ihm und seinen Start-up-Mitgründern ist es zu verdanken, dass es beim Abspielen von Videos im Internet nicht mehr ruckelt und zuckelt. Bereits lange vor der Unternehmensgründung haben sie federführend an der Entwicklung des MPEG-DASH-Standards (ISO/IEC 23009) mitgearbeitet, der eine effiziente und unterbrechungsfreie Videoübertragung im Internet ermöglicht. Der Erfolg des Unternehmens basiert auf der Entwicklung dieses Standards. „Denn erst durch die Schaffung eines internationalen Standards wurde Interoperabilität möglich“, betont Timmerer.

„Egal, welches Videoformat zur Verfügung steht, man kann einen Player bauen, mit dem es einwandfrei abspielbar ist. Das bedeutet: Der Standard hilft dabei, eine Basis zu schaffen, auf die man seine Innovation aufsetzen kann.“ Eine Botschaft, die Austrian-Standards-Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha an andere Start-ups weitergeben möchte: „Wissen um Standards macht Sinn. Standards beinhalten bewährte Praxislösungen und sind damit eine wertvolle Unterstützung für Jungunternehmen.“ Deshalb hat Austrian Standards ein spezielles Start-up-Paket zusammengestellt, das unter anderem eine kostenlose Erstberatung bietet oder zehn frei wählbare Standards zu einem ermäßigten Fixpreis.

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