MMM – Menschen, Marken, Motive, Teil 13 – Interview mit dem Geschäftsführer von H. Gautzsch Österreich:

Das Abenteuer Österreich

von Sandra Eisner
von Mag. Sandra Eisner Foto: © H. Gautzsch Firmengruppe

Vor fünf Jahren war es, als die deutsche H. Gautzsch Firmengruppe begann, auch auf österreichischem Gebiet Fuß zu fassen. Schritt für Schritt erweiterte der renommierte Elektrogroßhändler seine Kompetenzen bis hin zu einem neuen Zentrallager bei Wien. Ist damit das Ende der (österreichischen) Fahnenstange erreicht?

Interview: Thomas Graf-Backhausen

Text: Mag. Sandra Eisner

 

Helmut Lindinger, Geschäftsführer der H. Gautzsch Großhandel Österreich GmbH, kann auf äußerst aktive und bewegende fünf Jahre zurückblicken. Nach dem Eintritt 2017 in den österreichischen Markt wurde seitens des Elektrogroßhändlers stets daran gearbeitet, die Klientel vor Ort noch umfassender und besser betreuen zu können. Es folgten Übernahmen und Eingliederungen in die H. Gautzsch-Familie. Welche logistischen Herausforderungen damit zusammenhängen, wie sich die Unternehmenspräsenz in Österreich weiterentwickeln soll und warum H. Gautzsch beim Thema Außendienst einen ganz eigenen Weg geht, erfragten wir bei Helmut Lindinger im Rahmen unserer exklusiven MMM-Interviewreihe.

 

„Wir befinden uns in einem wandelnden Prozess hin zur Automatisierung der Gebäude und dabei ist der Großhandel ein unverzichtbarer Partner, weil er die Ware von verschiedensten Herstellern vorselektiert und bei Bedarf pünktlich zur Verfügung stellt“, so Helmut Lindinger, Geschäftsführer der H. Gautzsch Großhandel Österreich GmbH. (Bild: H. Gautzsch Firmengruppe)

Herr Lindinger, wann hat das »Abenteuer Österreich« für die H. Gautzsch Gruppe begonnen?

Helmut Lindinger: Das war im Jahr 2017 und zwar mit der Übernahme des Grazer Elektrogroßhandelsunternehmens F. Schantl Elektro GmbH. Ende 2018 wurde in weiterer Folge die TEG Technischer Elektrogroßhandel Ges.m.b.H. in die Gautzsch-Familie aufgenommen. Anfang 2021 wurde schließlich die H. Gautzsch Linz GmbH & CO. KG gegründet, die nun ins zweite Geschäftsjahr eintritt.

 

Was können Sie uns zur Übernahme des Elektrogroßhändlers Technid Handel GmbH sagen?

Lindinger: Ende 2019 hat die H. Gautzsch Firmengruppe die Mehrheit der Anteile an der Firma Technid Handel in Wien übernommen. Wir haben einen neuen Geschäftsführer, Hans Georg Hadwiger, eingestellt, der aktuell am Ende des Einarbeitungsprozesses steht. Karl Eliasch wird mit September operativ als Geschäftsführer aus dem Unternehmen ausscheiden, bleibt aber weiter als Gesellschafter erhalten. Mit Hans Georg Hadwiger haben wir einen jungen, dynamischen Nachfolger, der das Geschäft mit Sicherheit weiterausbauen wird.

 

Wie wichtig ist das Thema der Logistik für die Performance von H. Gautzsch in Österreich?

Lindinger: Aus meiner Sicht befindet es sich auf der Prioritätenskala ganz oben. Davon zeugt auch das neue Logistikcenter in Himberg bei Wien. Dieses Projekt startete Ende 2019/Anfang 2020, im Februar 2021 wurde der Bau fertiggestellt, es folgten die Lagertechnik im März desselben Jahres, die Erstbestückung im April/Mai und die Aufnahme der operativen Tätigkeit ebenso im Mai 2021. Parallel dazu wurden die Läger in Wien und Graz geräumt und zusätzlich sind wir auch noch in Wien in neue Geschäftsräume umgezogen, was insgesamt im Jahr 2021 einen riesigen Kraftakt darstellte. Wir waren natürlich sehr stark mit unseren Veränderungen und uns selbst beschäftigt und ich bin sehr stolz darauf, dass wir alles geschafft haben, ohne dass es für unsere Kunden große Auswirkungen gab. Im Regelfall sind solche logistischen Änderungen, wenn man von einem Regionallager- auf ein Zentrallagerkonzept wechselt, meistens mit Problemen behaftet, wie zum Beispiel schlechtere Lieferqualität. Wir haben die Ware jedoch vom ersten Tag an pünktlich ausgebracht und es geschafft, die Organisation ohne größere Ausfälle umzustellen. Seit März letzten Jahres befinden wir uns nun im Optimierungsprozess, wir widmen uns sozusagen dem Feinschliff und werden die Organisation verbessern. Außerdem arbeiten wir stark an der Lieferqualität für unsere Kunden und verfolgen aktiv unser Ziel der Null-Fehler-Strategie: Wir messen die Fehler, die wir machen, und haben aktuell eine Quote von 0,3 bzw. 0,4 %. Das heißt, bei 1.000 Positionen passieren drei oder vier Fehler (z. B. falsches Produkt oder falsche Menge) und das ist unserer Ansicht nach zu viel.

 

Wurde der Lagerbestand seit Inbetriebnahme des Logistikcenters bereits erhöht?

Lindinger: Bei der Erstbestückung wurde natürlich nicht alles optimal und zu 100 % getroffen, was bedeutet, dass wir das Sortiment weiterausbauen. Wenn ich ausgehend von der aktuellen Situation einen Blick in die Zukunft werfe, dann machen wir bei H. Gautzsch im Bereich des regulären Installationsmaterials einen sehr guten Job, aber wir haben noch Schwächen in einigen Bereichen. Wir arbeiten aktuell daran, diesen Umstand zu verbessern, etwa im Bereich regenerative Energietechniken, also PV oder Elektromobilität, sowie beim Thema Datennetzwerktechnik. Hier rüsten wir personell auf und wollen auch die Lagerkapazitäten entsprechend anpassen. Was den Lagerbestand bzw. die Lagerkapazität betrifft, so haben wir unseren Bestand zum Vorjahr exakt verdoppelt, da wir auch die Lagerreichweite aufgrund der Marktprobleme, was die Liefersituation anbelangt, berücksichtigen. Im Moment wird die Branche von Lieferengpässen durch die Hersteller gebremst und das fordert von uns, die Bestände dementsprechend zu erhöhen.

 

Das Konzept von H. Gautzsch sieht vor, nicht nur das Sortiment und die Organisation auszubauen, sondern auch konkret zu wachsen, neue Standorte zu belegen und die Marktbedeutung dementsprechend zu erhöhen. (Bild: H. Gautzsch Firmengruppe)

Wie wird sich die Präsenz von H. Gautzsch in Österreich weiterentwickeln? Welche Vorstellungen haben Sie dazu?

Lindinger: Wir haben eine Grundlage bzw. eine Plattform geschaffen, auf der man handeln kann. Wir gehen jetzt daran, die Gesellschaftsstruktur zu verändern: Die Gesellschaften sind ja bereits alle rechtlich selbstständig (Wien, Graz, Linz) und nun beteiligen wir das Management daran. Das bedeutet, die Geschäftsführer werden geschäftsführende Gesellschafter. Unser Konzept sieht vor, nicht nur das Sortiment und die Organisation auszubauen, sondern wir wollen auch konkret wachsen, neue Standorte belegen und unsere Marktbedeutung dementsprechend erhöhen.

 

In Gesprächen mit Ihnen ist bereits öfter der Begriff eines »außendienstlosen Großhandels« gefallen – was genau meinen Sie damit?

Lindinger: Wir haben bereits vor Jahren begonnen, einen Großhandel mit weniger oder gar keinem Außendienstanteil zu betreiben. Zu behaupten, wir verfügen über keinen Außendienst (mehr), wäre jedoch falsch. Tatsächlich ist es so, dass wir auf jene Außendienstmitarbeiter verzichten, die in bestimmten Perioden immer wieder zu denselben Kunden fahren, um zu erfragen, was sie brauchen. Ich bin der Meinung, in Zeiten der Digitalisierung hat der Kunde viele Möglichkeiten, sich schneller, tagesaktueller über Produkte, Preise, Liefermöglichkeiten etc. zu informieren, wofür er früher den Außendienstbesuch genutzt hat. Heute ist es bei uns so, dass Kunden von einem Vertriebsleiter besucht werden – der durch seine Position über mehr Kompetenz als der »Vertreter« von früher verfügt und der auch deutlich mehr entscheiden kann, was etwa Logistikvereinbarungen betrifft. Zusammengefasst: Wir brauchen beim Kunden Vertriebsleiter mit Kompetenzen in der Ware, in der Kondition und in den Abläufen und keine Mitarbeiter, die »nur« Aufträge abholen. Diese Änderung hat dazu geführt, dass heute nur noch halb so viele unserer Mitarbeiter zum Kunden fahren wie vor ein paar Jahren.

 

Energiegewinnung, -speicherung, -verteilung, Smart Home, Licht – die Technologien werden immer komplexer für Elektroinstallateure. Ist es deshalb nicht auch Aufgabe eines Großhändlers, auf Zuruf und Wunsch des Kunden ihm mit Kompetenz und Planung zur Seite zu stehen?

Lindinger: Aktuell erweitern wir unser Kompetenzcenter im Bereich regenerative Energien. Außerdem haben wir etwas, worüber unsere Wettbewerber nicht verfügen: unsere Tochtergesellschaft Assistec, die Schaltanlagen und Steuerungen für Industrieunternehmen baut. Im Moment bilden wir einen ihrer Mitarbeiter speziell zum Thema Energieverteilung, Energienutzung usw. aus und wir werden in Kürze in der Lage sein, Kunden sowohl in der Planung als auch in der Ausführung im Bereich PV (Einbindung von PV in E-Mobilität oder Nutzung von E-Mobilität für Gewerbebetriebe) zu unterstützen. Ein ähnliches Projekt haben wir in der Datennetzwerktechnik mit einem neuen Mitarbeiter, um auch hier die Kompetenzen auszubauen. In Deutschland haben wir außerdem damit begonnen, Kunden beim Spleißen zu unterstützen – ein derartiges »Spleiß-Team« wird im zweiten Halbjahr wahrscheinlich auch in Österreich eingeführt werden, um Kunden in der Datennetzwerktechnik bis hin zum Spleißen zu unterstützen.

 

Wir alle stehen kurz davor, dass Heizöl und -gas wortwörtlich »abgedreht« werden und in Zukunft vermehrt entweder auf Fernwärme oder elektrische Varianten (Infrarot, Wärmepumpe) zurückgegriffen werden wird. Was haben Sie in diesen Bereichen anzubieten?

Lindinger: Das Thema Haustechnik ist in unserer Prioritätsskala eher unten angesiedelt. Technisch bin ich davon überzeugt, denn ich persönlich heize mein Privathaus seit 35 Jahren mit Erdwärme. Im Geschäftsbereich ist es jedoch schwierig, mit Wärmepumpen als Großhändler erfolgreich zu sein. Einerseits gibt es sehr viele Anbieter – auch gegenüber dem Endanwender – und andererseits ist wenig Interesse und Engagement seitens der Elektriker für diesen Bereich gegeben, da sie höchstwahrscheinlich mehr als genug »reguläre« elektrische Arbeiten auszuführen haben. Darum ist es für uns als Elektrogroßhändler schwierig, erfolgreich in das Wärmepumpengeschäft einzusteigen.

 

Bild: H. Gautzsch Firmengruppe

Der Großhandel mit seinen Strukturen und Prozessen gilt als sehr traditionelle Vertriebsform. Wie wird der Elektrogroßhandel Ihrer Meinung nach in 10 Jahren gestaltet sein?

Lindinger: Ich glaube, dass der Großhandel in 10 Jahren eine noch größere Rolle im Logistikbereich haben wird, weil der Elektroinstallateur in Zukunft wahrscheinlich mehr im Objektgeschäft tätig sein und sein eigenes Lagerrisiko aufgrund der vielen Produktänderungen reduzieren wird. Wir befinden uns in einem wandelnden Prozess hin zur Automatisierung der Gebäude und dabei ist der Großhandel ein unverzichtbarer Partner, weil er die Ware von verschiedensten Herstellern vorselektiert und bei Bedarf pünktlich zur Verfügung stellt. Ich sehe also für den Großhandel eine große Zukunft. Es gibt mit Sicherheit auch Bemühungen und Versuche der Industrie – am österreichischen Markt stellen wir das in der Beleuchtungstechnik fest – einen direkten Weg zu gehen. Das ist auch in Ordnung so, allerdings gibt es viele Installationsbereiche und damit zusammenhängend sehe ich eine große Bedeutung des Elektrogroßhandels.

 

Dennoch gibt es wohl kaum eine zweite Branche, in der Konsumenten so wenig direkt angesprochen bzw. adressiert werden … Aufgrund fehlender Beratung begeben sich viele von ihnen im Internet selbst auf die Suche nach Lösungen – wird hier nicht ein enormes Potenzial tatsächlich links liegen gelassen?

Lindinger: Ja, das ist ein Mangel in unserer Branche. Es gibt so viele tolle Lösungen und Konzepte, die jedoch in relativ miserabler Qualität an den Anwender und den Endkunden seitens der Branche vermittelt werden. Der Hersteller kommt nur schwer an den Endkunden heran und kann nur über Fragmente informieren. Der Elektroinstallateur unternimmt mangels Zeit oder Liebe zu den Produkten auch keine umfassende Beratung und der übliche Großhändler auch nicht. Wir haben da eine Lücke und ich bin überzeugt, dass viele Verbraucher bereit wären, sich bessere, modernere, hochwertigere und teurere Installationen anzuschaffen, wenn sie nur darüber Bescheid wüssten bzw. ausreichend informiert werden würden.

 

Wer soll sich bei Ihnen melden, wenn er mit seinem bisherigen Job unzufrieden ist?

Lindinger: Wir haben hauptsächlich Bedarf in den Bereichen Vertrieb und Logistik – unter den üblichen Voraussetzungen (Stapler fahren, Ware kommissionieren) aber auch für Wareneingangs- sowie Qualitätskontrolle. Vor allem suchen wir Mitarbeiter mit Branchen- und insbesondere Materialkenntnissen.

 

Herr Lindinger, vielen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen auf: www.oesterreich.gautzsch-gruppe.de

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