Energiewende – die Herausforderung!

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Der Kernkraftwerkunfall im japanischen Fukushima vor zwei Jahren hat in vielen Ländern ein Umdenken bei der Energieversorgung bewirkt – weg von Atomkraft, hin zu einem vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energieformen wie Wind und Photovoltaik. Diese Ausrichtung auf eine nachhaltige Energieversorgung einerseits und Energieeffizienzmaßnahmen andererseits wird unter dem Begriff »Energiewende« zusammengefasst.

Verteilte Windparks im Norden und weitläufige Photovoltaikanlagen im Süden Deutschlands bilden neue Stromerzeugungsschwerpunkte, deren Gesamtgröße durchaus mit herkömmlichen Großkraftwerken vergleichbar ist. Dadurch hat sich der Transit in den europäischen Stromnetzen stark verändert, wovon auch Österreich unmittelbar betroffen ist. Diesen neuen Erfordernissen hinkt jedoch der Ausbau der Netzinfrastruktur – auch bedingt durch langwierige Bewilligungsverfahren – hinterher. Neben der fehlenden Netzinfrastruktur macht es das stark schwankende Energiedargebot zusätzlich schwierig, eine gesicherte Stromversorgung aufrecht zu erhalten.

Das österreichische Übertragungsnetz als Teil des europäischen Gesamtnetzes

„Die europäische Stromversorgung durchläuft seit einigen Jahren einen fundamentalen Transformationsprozess. Am Beginn dieses Veränderungsprozesses standen die politischen Entscheidungen zur Liberalisierung des europäischen Strommarkts. Als heimischer Übertragungsnetzbetreiber spielen wir im Rahmen der Liberalisierung und Strommarktintegration eine Schlüsselrolle. Wir arbeiten gemeinsam mit unseren Partnernetzbetreibern in unseren Nachbarstaaten an EU-weit einheitlichen Regeln und Prozessen, welche die Grundlagen dieses integrierten Strombinnenmarkts schaffen werden. Außerdem stellen wir mit unserer Leitungsinfrastruktur die »physische« Voraussetzung für den grenzüberschreitenden Stromhandel zur Verfügung“, führte Gerhard Christiner, Vorstandsdirektor Austrian Power Grid AG, aus und ergänzte: „Auch in Österreich ist das Ökostromaufkommen massiv gestiegen. Die Windkraft wurde in den letzten Jahren vor allem im Osten und Nordosten stark ausgebaut. Der notwendige Umbau der Stromnetzinfrastruktur konnte mit der rasanten Veränderung des europäischen Kraftwerksparks aber bis dato nicht Schritt halten. Als Folge gerät die sensible Balance des Gesamtsystems zunehmend in Gefahr.“

Um die Herausforderungen in Zukunft zu lösen, sind aus Sicht des Übertragungsnetzbetreibers APG dringend folgende Maßnahmen zu setzen: Energiewirtschaftliche Veränderungen in Europa müssen künftig stärker unter Berücksichtigung der Konsequenzen im Gesamtsystem erfolgen. Veränderungen müssen besser aufeinander abgestimmt und zeitlich synchronisiert werden. Neue Anforderungen an eine europäische E-Wirtschaft erfordern auch neue Rahmenbedingungen wie z.B. entsprechende Tarifmodelle oder rechtliche Rahmenbedingungen für den Netzumbau und -ausbau.

Innovative technische Lösungen im Verteilnetz erforderlich

„Die Integration von Strom aus erneuerbaren Energieträgern wird in hohem Ausmaß auf der Verteilnetzebene geschehen. Dies erfordert vor allem eine Abkehr von alten Denkansetzen sowie neue innovative technische Lösungen im Verteilernetz, aber auch in der gesamten Energiebranche. Ein unkoordiniertes Überangebot an erneuerbarer Energie in Europa führt verstärkt zu einem regionalen und zeitlichen Auseinanderfallen von Einspeisung und Nachfrage. Kritische Situationen im Übertragungsnetz nehmen kontinuierlich zu. Mit klassischer Netzverstärkung stoßen wir an unsere Grenzen. Der Einsatz neuer Technologien ist erforderlich, um die stark variierenden Spannungspegel zu beherrschen und den sicheren Betrieb auch weiterhin gewährleisten zu können“, präsentierte Christian Purrer, Vorstandssprecher Energie Steiermark AG, die Sichtweise eines Verteilnetzbetreibers.

»Smart« zu sein wird keinesfalls ausreichen, um den Netzherausforderungen eines zunehmend individualisierten Umfelds gerecht zu werden. Planungssicherheit und ein stabiles regulatorisches Umfeld – insbesondere für das Roll-out des »Smart Meter« – sind erforderlich, um die nötigen finanziellen Investitionsmittel für die entsprechend leistungsfähige Infrastruktur bereitstellen zu können“, so Purrer weiter.

Solide technische Fachausbildung gefragt

Aus der Sicht der Wissenschaft analysierte Lothar Fickert, Universitätsprofessor an der Technischen Universität Graz, Institut für Elektrische Anlagen, die Herausforderungen der Energiewende für Forschung und Lehre: „Die Energiewende betrifft das energiewirtschaftliche Gesamtsystem, bestehend aus den Verbrauchern, den Netzen, den Einspeisern und den wirtschaftlich-juristischen Randbedingungen. Solitäre Einzellösungen können kein Optimum erzielen. Wegen der Langfristigkeit der Investitionen und der Umsetzung der Planungsvorhaben ist auch ein langfristiger Rahmen erforderlich“, und er präsentierte auch gleich die Lösung: „Der einzige Weg, um langfristige Erfolge auf diesem komplexen Gebiet zu erzielen, führt unter anderem über eine solide, grundlagenorientierte und breite technische Fachausbildung unter Berücksichtigung wirtschaftlich-juristischer Aspekte der Betroffenen“.

Laufender Umbau des europäischen Energiemarktes

„Die Herausforderungen der Energiewende sind die Integration der Erneuerbaren Energien und der Atomkraftausstieg. Dies ist parallel zum bereits laufenden Umbau der europäischen Energiemärkte zu bewältigen. Österreich wird wegen seiner Position mitten im kontinentaleuropäischen Netzbereich durch diese internationalen Entwicklungen stark beeinflusst. Das dritte Energiemarkt-Liberalisierungspaket sieht bereits umfangreiche Maßnahmen vor, die derzeit in Entwicklung bzw. Umsetzung sind. Beispielhaft seien hier die Netzwerkkodizes und der europäische 10-Jahres-Netzentwicklungsplan genannt“, erläuterte Walter Boltz die Position des Regulators.

Fünf Punkte sind aus Sicht der E-Control von besonderer Bedeutung: die Berücksichtigung der verbraucherseitigen Potentiale, eine verbesserte Koordination der Übertragungsnetzbetreiber, zügige und effiziente Durchführung von erforderlichen Infrastrukturinvestitionen, die Integration der Regelenergiemärkte sowie die Verhinderung von marktverzerrenden Kapazitätsmechanismen.

Hohe Versorgungssicherheit in Österreich weiterhin gewährleisten

OVE-Präsident Franz Hofbauer hob die hohe Versorgungssicherheit für Stromkunden in Österreich hervor, die europaweit an dritter Stelle liegt. Um diese hohe Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, sind bereits heute die richtigen Schritte zu setzen: „Das österreichische Hochspannungsnetz, aber auch die Verteilnetze müssen ausgebaut werden. Eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren für den Netzausbau ist vonnöten. Durch die Dargebots-abhängige Stromproduktion werden innovative Speichermöglichkeiten erforderlich, einerseits zentrale Speicherkraftwerke, andererseits aber auch dezentrale Speicher. Schließlich gilt es aber auch, das Bewusstsein der Kunden im Umgang mit dem Strom in Hinblick auf Energieeffizienz zu schärfen. Energieberatung wird daher an Bedeutung gewinnen.

Die Herausforderung ist groß – aber zu bewältigen

Alle Sprecher waren einer Meinung: Die Herausforderungen, welche die Energiewende mit sich bringt, sind groß. Aber sie sind zu bewältigen, wenn jetzt die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Energiewirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Öffentliche Hand sind gefordert, dazu gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

www.ove.at

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