„In die Gänge kommen“, „vom Wort zur Tat schreiten“, „in den Turbo schalten“ – viele Stimmen beschreiben auf unterschiedliche Art doch ein und dieselbe Forderung: Das Tempo bei der Energiewende muss erheblich angezogen werden. Mutet für Kritiker die Gesinnung der österreichischen Politik dazu zu lethargisch an, steht man auf der ausführenden Seite bereits in den Startlöchern: Ausbau der Erneuerbaren, Aus- und Umbau der Energienetze und vor allem auch deren Versorgungssicherheit sind dabei zu realisierende Bereiche mit großen Herausforderungen. Wie man diesen in der Sparte der Schaltanlagen und Stromverteilung begegnet, erfragten wir bei einem Spezialisten, der es wissen muss – dem Global Player Rittal.
Interview: Thomas Buchbauer
Text: Mag. Sandra Eisner
Es gibt viel zu tun, denn: Für eine erfolgreiche Energiewende bedarf es eines erfolgreichen Zusammenspiels verschiedenster Akteure. „Rittal ist als Lieferant von Schaltschränken, Stromverteilungen, Klimatisierungslösungen und IT-Technik ein wichtiger Mosaikstein in der Energiewende“, weiß Ing. Helmut Ritter, Branchen- und Produktmanager Energy & Power Solutions bei Rittal. Kommt also nun endlich Bewegung in die Sache? Das Produkt- und Lösungsportfolio des Unternehmens ist enorm: Mit Schaltschränken, Zubehör sowie Baukästen für die Stromverteilung bis 6.300 A bietet das Unternehmen etwa der Energiewirtschaft Unterstützung für Energieerzeugung, -verteilung, -übertragung, -speicherung und -verbrauch. Lesen Sie im nachfolgenden Interview, von welchen Wirtschaftskreisen die Energiewende getragen wird, ob und wie sich das Ausbautempo beschleunigen lässt und was dafür noch notwendig ist.
Frank Stührenberg, CEO von Phoenix Contact, meinte kürzlich vor dem i-Magazin-Mikro, dass es Berechnungen gibt, wonach bei einer Umstellung der Energienetze für eine 100%ige Nutzung von vollständig erzeugter erneuerbarer Energie zum Jahr 2030 rund 20 % zusätzliche Leitungslängen, aber auch 5,5 Mio. neue Schaltschränke samt Steuerungen notwendig sein werden. Würden man diese mit den bisher üblichen Technologien errichten, würden wir hochgerechnet jedoch bis zum Jahr 2040 brauchen. Teilen Sie diese Einschätzungen und wie lässt sich das Ausbautempo – vor allem auch in Anbetracht des Facharbeitermangels – beschleunigen?
Helmut Ritter: Den Zeitpunkt für eine Energienutzung mit 100 % erneuerbarer Energie für 2030 muss man etwas relativieren. Die Energienetze, und hier sind nicht nur Leitungen gemeint, sondern auch die notwenden Komponenten wie Schaltanlagen und Trafos, wo eben der Bedarf an Schaltschränken für Schalt- und Steueranlagen besteht, sind abhängig vom jeweiligen Fortschritt des Ausbaus der Erneuerbaren. Es passiert kein örtlicher Ausbau auf Verdacht, sondern der Netzausbau passiert dort, wo er notwendig, technisch erforderlich und genehmigt ist. Nachdem beim Ausbau von Wind- und Sonnenenergie in Österreich durch das EAG wohl der Turbo gezündet ist – dadurch ausgelöst der Netzausbau voll auf Touren sein sollte – ist der Bedarf in einigen Bundesländern durch z.B. erst jetzt bewilligte und freigegebene Flächen zur Errichtung von Erneuerbaren verzögert, und meiner Einschätzung nach nicht in vollen Maßen mit Stückzahlen zu belegen. Für Berechnungen über eine mögliche Anzahl an Schaltkästen sind sehr große Spielräume möglich. Die Firma Rittal ist im Bereich der Schaltschrankproduktion mit seinen für den europäischen Markt vorgesehenen Produktionsstätten im Hauptsitz Herborn und den Fertigungsstätten in Haiger bestens gerüstet. Mit einem durchschnittlichen Output von rund mehreren tausend Schaltschränken pro Tag ist nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Modernste effiziente Fertigungsabläufe, welche höchste Qualitätsstandards beinhalten, werden laufend überwacht und können den steigenden Kapazitätsanforderungen seitens unserer Kunden angepasst werden.
Der Aufarbeitung des Marktes, insbesondere des Marktes im Bereich der Energiewende, wird Rittal gerecht, indem man die Marktbetreuung nicht nur auf Nachfrage ausgerichtet hat, sondern längst mit unterschiedlichen Kundenlösungen den Bedarf gemeinsam mit Kunden erkennt und abstimmt, somit danach planen und fertigen kann. So wird Rittal den stetigen Nachfrageveränderungen und technischen aktuellen Anforderungen gerecht und hält dem Ausbautempo stand.
Herr Ritter, Sie waren in der Vergangenheit bei einem Energieversorger tätig – sind damit also ein Insider. Oesterreichs Energie – der Dachverband der Energiewirtschaft – spricht von der Existenz eines Netzinfrastrukturplanes. Haben Sie Kenntnis darüber, ob die Industrie in die Erstellung derartiger Pläne eingebunden ist? Und inwieweit können Hersteller wie Rittal zu einem Gelingen derartiger Grundlagen beitragen?
Ritter: Natürlich muss jede Branche bestimmte Grundlagen als Vorgabe haben. Auch alle Energieversorger Österreichs haben sehr umfangreiche Planungen im Bereich ihres jeweiligen Versorgungsnetzes. Daraus ableitbar ist ein mittelfristiger Bedarf, wie bereits vorhin erwähnt, an Trafos, Leitungen, Schalt- und Steueranlagen. Da alle österreichischen Energieversorger für die Versorgungssicherheit des Netzes quasi bürgen und garantieren müssen, ist das in regionalen und nationalen Infrastrukturplänen abgebildet, dokumentiert und sichergestellt. Als Firma Rittal können wir diese Pläne nicht erstellen. Die Firma Rittal ist indirekt in solche Infrastrukturplanungen eingebunden, indem sie Schaltanlagenlösungen für Energieversorger plant, fertigt und liefert. Die Versorgungs- und Einspeiseknoten jedes Netzplanes bilden Niederspannungsschaltanlagen. Rittal stellt mit dem vollständigen und geprüften Baukastensystem VX25 Ri4Power Schaltanlagen für die Energieverteilung zur Verfügung. Bei den Landesenergieversorgern ist Rittal mit den vielen kleinen fast 140 Energieversorgern in Österreich mit Planung, Ausstattung und Lieferung von Niederspannungsschaltanlagen in Geschäftsbeziehung. Rittal liefert nicht nur die Schaltschränke und Komponenten, sondern durch das Schwesterunternehmen Eplan werden Anlagen geplant und digitalisiert. Mit einer Teilefertigung und Auslieferung von Schaltanlagen mit dazugehöriger Kupferbearbeitung durch das Rittal Applikation Center in Wien (RAC-Wien) wird der Netzausbauplan unterstützt. Die Schaltanlage selbst muss durch den Kunden nur mehr geringfügig verkabelt, endmontiert und angeschlossen werden.
Wir müssen in Sachen Energiewende vom Reden in die Umsetzung kommen, lautet es von der gleichen Seite. Kommt aus Ihrer Sicht hier nun endlich Bewegung in die Sache und wenn ja, von welchen Wirtschaftskreisen wird die Wende Ihrer Erfahrung nach hauptsächlich getragen?
Ritter: Die Energiewende ist von der Transformation fossiler Energie zu erneuerbarer Energie vorgegeben. Vieles davon spielt sich im Bereich Strom ab. Hierbei ist eben die Stromgewinnung aus Wasser, Wind und Sonne ein entscheidender und riesiger Faktor. Es sind hier Stromversorger und Stromerzeuger diejenigen, welche die Energiewende sehr stark treiben. Rund um diese Versorger und Erzeuger ist die gesamte Elektrobranche jener Wirtschaftsbereich, der die Energiewende in einem sehr hohen Ausmaß trägt und umsetzt. Rittal ist als Lieferant von Schaltschränken, Stromverteilungen, Klimatisierungslösungen und IT-Technik ein wichtiger Mosaikstein in der Energiewende und trägt hier ganz sicherlich seinen Teil dazu bei.
Für welche Bereiche der Erneuerbare-Energie-Erzeugung hat Rittal das passende Produktportfolio?
Ritter: Im Zeichen der Energiewende sind Lösungen erforderlich, die hohe Anforderungen hinsichtlich Qualität, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erfüllen. Rittal unterstützt die Energiewirtschaft mit seinem maßgeschneiderten Portfolio für Energieerzeugung, -verteilung, -übertragung, -speicherung und -verbrauch. Mit der Business Unit Energy & Power Solutions in Österreich als auch in weiteren fünf Ländern in Europa und letztendlich in Summe mit geplanten 30 Ländern weltweit bietet Rittal mit Schaltschränken, Zubehör sowie Baukästen für die Stromverteilung bis 6.300 A in den genannten Bereichen ein umfangreiches Produkt- und Lösungsportfolio an.
Welche speziellen Anforderungen stellen Energieversorger und Netzbetreiber an Unternehmen wie Rittal in diesem Zusammenhang?
Ritter: Nicht nur die Energieversorger, sondern die gesamte Elektrobranche stellt an Rittal die Anforderung, ein starker Partner für einen zukunftsfähigen, von der Energiewende getriebenen Steuerungs- und Schaltanlagenbau zu sein. Das Thema lautet maximale Verfügbarkeit mit höchster Effizienz. Es geht aber nicht nur um Schaltschränke und Stromverteilung mit höchster Qualität, sondern auch darum, Lösungen anzubieten, welche dem Kunden große Flexibilität ermöglichen. Z.B. ist Rittal mit allen marktüblichen Schaltgeräteherstellern geprüft, wodurch bei Lieferverzögerungen ein Switchen auf verfügbare Geräte problemlos möglich ist.
Welchen speziellen Herausforderungen muss sich Rittal im Umfeld der Erneuerbaren im Vergleich zu herkömmlichen Anwendungen stellen?
Ritter: Jeder Bereich hat seine spezifischen Anforderungen. Nur wer die Bereiche kennt, kann ein System anbieten, das sich anpasst. Das System muss maßgeschneidert, lösungsorientiert und effizient sein. Zum Beispiel ist im Bereich der Energieversorgung der Erneuerbaren und deren Schaltanlagen rasche Verfügbarkeit von bauartgeprüften Komponenten und deren funktionale Zuverlässigkeit, ergänzt mit effizienter digitaler Planung, notwendig. Nur so kann die Versorgungssicherheit für den umfangreichen Aus- und Umbau der Netze gewährleistet werden.
Welche Angebote stellt Rittal den Kunden zur Verfügung, um die Prozesse im Schaltanlagenbau zu beschleunigen?
Ritter: Dazu braucht es ein Verständnis für die übergreifenden Ökosysteme, für das große Bild der Industrie. Wenn wir die Ökosysteme nutzen und klug vernetzen, können wir von einer smarten Fertigung reden und sie erfolgreich den Kunden anbieten. Die Unternehmen der Friedhelm Loh Group Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud zeigen, wie sie die entscheidenden Ökosysteme bei Produkten, Anlagen und Fertigungsprozesse verbinden. Dabei treiben zum Beispiel Rittal und Eplan gemeinsam mit den Steuerungs-, Schaltanlagen- und Maschinenbauern den Aufbau des digitalen Zwillings der Maschinen und Anlagen voran und machen die Daten im Betrieb nutzbar. Cideon und German Edge Cloud sind stark auf die Bereiche Digitalisierung und Vernetzung von Daten fokussiert.
Welchen Vorteil der Rittal-Schaltschrankbaureihen würden Sie entscheidend im Vergleich zu Mitbewerber-Produkten betrachten?
Ritter: Das Rittal-Schaltschranksystem ist ein vollständiges und einheitliches System für den Innenausbau. Ergänzt wird »Rittal – Das System« mit einem umfangreichen, vielfältig anwendbaren Zubehör für perfekte Innenausbauanwendungen. Basierend ist das auf einem einheitlichen, technisch einzigartigen, patentierten Schaltschranktyp VX25. Ein weiterer zusätzlicher Vorteil ist die Bauartprüfung der Komponenten gemäß IEC 61439 oder auch UL. Nachdem Rittal weltweit sein Schaltschranksystem anbietet, sind selbstverständlich auch Zertifizierungen nach einem anderen Standard vorhanden.
Inwieweit spielen innovative Klimatisierungstechnologien eine Rolle und wie können sie dazu beitragen, die Nachhaltigkeit der Systeme zu steigern?
Ritter: Im Bereich der Schaltschrankklimatisierung findet das Blue e+ als patentiertes System mit der weltweit höchsten Energieeffizienz seine Anwendung. Die einzigartige Hybrid-Technologie sorgt im Vergleich zu herkömmlichen Systemen für eine Energieeinsparung von durchschnittlich 75 %. Das sorgt für eine signifikante Reduzierung des CO2-Footprints und leistet einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität. So lassen sich im Durchschnitt 2.100 kWh pro Gerät einsparen. Dies entspricht dem Jahresenergieverbrauch eines durchschnittlichen Haushaltes. Eine längere Lebensdauer der installierten Komponenten, weltweite Einsetzbarkeit und umfangreiche (auch remote) Service-Angebote sorgen darüber hinaus für Nachhaltigkeit auf allen Ebenen.
Welche Lösungen hat Rittal auf der IoT-Ebene anzubieten und was können sie bewirken?
Ritter: Im ersten Schritt haben wir ein IoT-Interface für die Klimatisierungslösungen, womit auch Sensoren angebunden werden können. Das IoT-Interface ist zentraler Bestandteil zur intelligenten Vernetzung von Rittal-Kühllösungen oder Sensoren zur Überwachung von physikalischen Umgebungsbedingungen. Ausgestattet mit einer großen Vielfalt an Schnittstellen und Protokollen, dient es der Datensammlung und -übertragung an übergeordnete IT-Systeme oder an Systeme zur lokalen Überwachung von Maschinenzuständen. Als Zusatz haben wir unsere Schwesterfirma German Edge Cloud, die die Aufbereitung, Visualisierung und automatische Adaption von Prozessen durchführen kann.
Was versteht Rittal unter »smarten« Service-Konzepten?
Ritter: Ausfälle und Leistungsverlust kosten Zeit und Geld. Deshalb bieten wir unseren Kunden ein besonders umfangreiches und individuell auswählbares Service-Portfolio – von Konfiguration und Inbetriebnahme bis After-Sales-Service. Wir versorgen schnell und unkompliziert mit Original-Ersatzteilen und helfen im Störungsfall vor Ort mit unserem Serviceteam. Wenn es doch einmal zu einem Ausfall kommt, muss es vor allem eins: schnell gehen. Im Fall der Fälle unterstützt Rittal deshalb rund um den Globus 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr. Unsere Service-Techniker haben alle wichtigen Ersatzteile direkt parat – und reduzieren so die Zeit des Stillstandes auf ein Minimum. Rittal-Kunden profitieren dabei auch vom Expressversand aus unserem Distribution Center in Haiger mit 24 Stunden-Lieferversprechen an Werktagen für zahlreiche Ersatzteile.
Welche Rolle spielt das Schwesterunternehmen Eplan in diesen Themenkomplexen?
Ritter: Für die Abbildung der Wertschöpfungskette und die Digitalisierung der (Arbeits-)Prozesse ist diese Kombination derzeit am Markt ein Alleinstellungsmerkmal. Durch die Betrachtung der Value Chain – immer in Kombination mit Eplan und Rittal – von Kunden können große Einsparungspotenziale identifiziert und ausgeschöpft werden.
Herr Ritter, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen auf: www.rittal.at