Nicht alle Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten ins Ausland, viele versuchen die Energiewende in ihren deutschen Betrieben zu vollziehen“, sagt Jane Enny van Lambalgen, CEO der Beratungs- und Managementfirma Planet Industrial Excellence, die unter anderem Energieumstellungen in der Wirtschaft vornimmt. Doch die Anpassung der Fertigung an neue Energieformen ist „äußerst aufwändig, sehr teuer und weitgehend ungewiss“, weiß die Expertin aus zahlreichen Projekten. Als sogenannte Interim Managerin geht Jane Enny van Lambalgen als Führungskraft auf Zeit für mehrere Monate in Betriebe, um unter anderem die Energiewende von innen heraus zu bewältigen.
Mittlere und untere Verwaltungsebenen verhindern die Wende
Als größte Herausforderung hat sie die Umstellung der Industrie auf elektrischen Strom als primären Energieträger ausgemacht. „Die Politik will die Wirtschaft motivieren, weite Teile der Produktion auf Strom umzustellen, doch die mittleren und unteren Verwaltungsebenen tun alles, um dies zu torpedieren“, weiß die Expertin aus der Betriebspraxis. Einer der häufigsten Gründe dafür, hat sie festgestellt: Die notwendigen Stromkapazitäten reichen nicht aus oder sind schlichtweg gar nicht vorhanden, etwa, wenn Ladestationen für E-Autos fehlen bzw. deshalb nicht genehmigt werden.
Jane Enny van Lambalgen gibt ein weiteres Beispiel: „Eine Lagerhalle mit einem Solardach zu versehen ist zwar technisch keine große Sache, aber bürokratisch in der Regel eine langwierige Angelegenheit.“ Sie sagt: „Der Reigen der Bürokratie reicht von der Baugenehmigung über die Absprache mit den Netzbetreiber, die Anmeldung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetzgebung, die Gewerbeanmeldung, falls der überschüssige Strom verkauft werden soll, bis zum Brandschutz, der im Grunde jede bauliche Maßnahme in Deutschland dominiert. Allein die Baugenehmigung kann sich unter Umständen über Monate hinziehen, die Abklärung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen dauert in der Regel sogar noch länger. und es werden oft zusätzliche Brandschutzmaßnahmen verlangt.“ Zudem müsse der bauliche Zustand des Dachs vorab geklärt und dokumentiert werden.
Ihr Tipp: „Mit der beauftragten Firma, die die PV-Anlage installieren wird, sollte explizit festgehalten werden, dass diese gemäß VDI 6012-1-4-Norm montiert wird.“ Diese 2016 verabschiedete Richtlinie regelt „regenerative und dezentrale Energiesysteme für Gebäude; Grundlagen; Befestigung von Solarmodulen und -kollektoren auf Gebäuden bei Konstruktion und Auswahl der verfügbaren Montagesysteme und Befestigungsmittel“. Je nach Situation, beispielsweise Flach- oder Schrägdach, kommen zudem die Vorschriften DIN EN 1991-1 mit „Anweisungen und Angaben zur Lastbemessung sowie zur Tragwerksplanung von Hochbauten und Ingenieurbauwerken“, DIN 1055-4:2005-03 („Einwirkungen auf Tragwerke: Windlasten“) und DIN 1055-5:2005-07 („Einwirkungen auf Tragwerke: Schnee- und Eislasten“) zum Tragen.
Wer auf Windenergie setzt, ist nicht weniger bürokratisch dran, gibt die Expertin zu bedenken. Sie verweist auf Baugenehmigung, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Genehmigung nach dem Naturschutzgesetz, forstrechtliche und denkmalschutzrechtliche Genehmigungen sowie etliche landesrechtliche und häufig auch kommunale Vorschriften. Zudem gibt es nur wenige geeignete Orte, um Windräder überhaupt aufzustellen.
Volatile Energiepolitik steht Investitionssicherheit entgegen
Als weitere Hürde beklagt Jane Enny von Lambalgen die „volatile Energiepolitik Deutschlands, die dem Bedarf der Wirtschaft an Investitionssicherheit diametral entgegensteht.“ Sie gibt ein Beispiel: „Mit dem sogenannten Industriestrompreis hat die Regierung eine politische Krücke gebastelt, von der einige Hundert Unternehmen profitieren. Doch niemand weiß, wie lange diese Strompreiskompensation angesichts knapper öffentlicher Kassen aufrechterhalten wird. Schon ab 2026 gilt der Vorbehalt der Gegenfinanzierung. Für Fertigungsbetriebe, die auf Jahrzehnte hinweg verlässlich planen müssen, ist die deutsche Energiepolitik leider so ungewiss wie der Wetterbericht für die nächste Woche, und damit praktisch wertlos.“
Hohe Hürden für Kraft-Wärme-Kopplung
Nach Erfahrung der CEO von Planet Industrial Excellence erwägen viele Unternehmen, sich durch sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mehr Unabhängigkeit von der Energieversorgung zu verschaffen. Dabei wird die Abwärme, die sonst ungenutzt verloren gehen würde, im Betrieb sinnvoll verwendet. Als die wichtigsten Vorteile zählt Jane Enny von Lambalgen auf: Senkung der Energiekosten, Reduzierung der Umweltbelastung und hohe Versorgungssicherheit. Da die Anlagen dezentral betrieben werden können, seien sie weniger anfällig für Stromausfälle oder Netzstörungen.
Doch die hohen Investitionskosten, die Komplexität der Technik, die mangelnde Verfügbarkeit von KWK-Fachpersonal auf dem Arbeitsmarkt, die häufigen Änderungen bei den staatlichen Förderprogrammen, die Auflagen beim Anschluss sowohl an das Strom- als auch an das Wärmenetz sowie die laut van Lambalgen „unzähligen Prüfungen, Gutachten und Nachweise“ lassen viele Firmen bei der Errichtung von KWK-Anlagen zögern. Hinzu kommt nach Einschätzung von Jane Enny van Lambalgen die ungewisse Zukunft bei der politischen Bewertung der Kraft-Wärme-Kopplung. Heutige brennstoffbetriebene KWK-Anlagen erzeugten letztlich weiterhin CO2-Emissionen und bei erneuerbaren Energieträgern wie Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen fehle die Versorgungssicherheit.
Kleiner Lichtblick nach Erfahrung der Interim Managerin: Die Isolation von Gebäuden sei sehr effektiv und recht einfach zu bewerkstelligen, um Strom- und Heizungskosten zu senken. Allerdings: „Die Brandschutz-Bürokratie steht auch in diesem Fall häufig im Wege.“
Jane Enny van Lambalgen resümiert: „Tatsächlich kommen viel Unternehmen nach Begutachtung aller Alternativen zu dem Schluss, dass die Produktionsverlagerung ins Ausland einfacher, kostengünstiger und langfristig zuverlässiger ist als die Energiewende in Deutschland zu versuchen.“
Mehr Informationen unter: www.planetie.ch
Quelle: Planet Industrial Excellence