(K)ein Ende in Sicht?

von

Das Vertrauen in den Salzburger Spezialisten für kundenindividuelle lineare LED-Lösungen und intelligente Lichtmanagementsysteme schien bei vielen Kunden bereits verloren gegangen zu sein: Lieferprobleme, Personalwechsel – unternehmensintern wurden wohl auch nach außen spürbare, existenzielle Kämpfe ausgefochten. Doch wo lag der Ursprung? Was genau führte zum gefürchteten Rand des Abgrunds und wie ist die jetzige Lage? Bilton-Geschäftsführer Patrick Müller stand uns in einem offenen Gespräch Rede und Antwort zum Unternehmen sowie zu einer Branche, die seiner Aussage nach „zum Wachsen verurteilt ist.“

Herr Müller, wie alt ist das Unternehmen Bilton?
Patrick Müller: Sieben Jahre.

Diese Jahre waren – nach außen hin – geprägt von stetigem Wachstum, aber auch von Personalwechsel sowie entstehenden Lieferschwierigkeiten. Was genau ist schließlich letztes Jahr passiert?
Müller: Das Unternehmen ist im Laufe von 6 Jahren extrem gewachsen, so schnell und so intensiv, dass im siebten Jahr eine Konsolidierung notwendig wurde. Wir haben stets jeglichen Gewinn, der über die Jahre erzielt wurde, in Innovationen, Marktaufbau sowie Marketing investiert, dem Unternehmen selbst jedoch haben wir nie die Substanz zugeführt, die es gebraucht hätte. Außerdem haben wir weder den Mitarbeitern noch den Produkten die notwendige Zeit gegeben, die ein derartig rasches Wachstum erfordert hätte… Im Bereich der Steuerungen waren wir der klassische »First Mover«, wir haben Produkte generiert, die niemand sonst hatte. Es gab natürlich Kinderkrankheiten – durchaus üblich und keineswegs kritisch zu betrachten – allerdings muss man es sich leisten können, die Dinge auszureifen. Auch Fehler zu machen, muss man sich leisten können. Wir haben letztes Jahr 40 Mitarbeiter eingestellt und hatten so zu Spitzenzeiten 90 Beschäftigte – bei einem derartigen Wachstum kommen die Prozesse teilweise nicht nach.

Was wurde schlussendlich unternommen?
Müller: Wir haben begonnen, Outsourcing zu betreiben, die Logistik wurde ausgelagert, die gesamten Servicebereiche (Personal, Buchhaltung, Qualität) wurden nach Salzburg verlagert zu meinem ehemaligen Partner. Der Übergang vom alten zum neuen System dauerte 8 Monate – in dieser Zeit wussten wir nicht, ob es funktionieren würde. Das war für mich eine sehr lehrreiche Zeit. Ich war bis letztes Jahr zu 100 % Eigentümer, leider ist es mir bis dahin nicht gelungen, dem Unternehmen samt seinem Wachstum die notwendigen (organisatorischen) Standards zu schaffen. Ende letzten Jahres begaben wir uns schließlich auf Investorensuche – das Unternehmen selbst hat ja Substanz und Wert, denn sowohl der technologische als auch der Marktzugang bestehen durchaus und die Managementfehler sind für einen möglichen Investor prinzipiell zu lösen. Schlussendlich ist es uns gelungen, Kapitalgeber zu finden, die die finanzielle Stabilität sicherstellen konnten.

Dieser Erfolg könnte eine wichtige Botschaft für Ihre Kunden darstellen…
Müller: Durchaus! Wir mussten uns von veralteten, trägen (Unternehmens)-Strukturen komplett lösen, so wurden auch die Geschäftsführungspositionen verändert: Nun gibt es zwei Geschäftsführer und einen Prokuristen. Wir haben uns einen CEO aus der Industrie geholt, der den technischen Part abwickelt und das operative Geschäft gänzlich leiten, verantworten und führen wird, der kaufmännische Part, die Finanzbuchhaltung, wird ebenfalls gänzlich von einer Person übernommen.

Was ist nun Ihre Aufgabe im Unternehmen?
Müller: Ich habe die Geschäftsführung für den Vertrieb und für das Marketing inne, ich fokussiere mich also da, wo ich mich am wohlsten fühle.

Stichwort »Benchmark«: Welche Möglichkeiten der Kontrolle sowie der Bewertung gibt es? Wird eine vergleichende Analyse überhaupt stattfinden?
Müller: Wir haben ein sehr straffes Controlling: Es gibt ein monatliches Reporting, um wichtige Indikatoren zu finden, ob wir am richtigen Weg sind oder nicht. Man braucht in dieser Konsolidierung einen Fahrplan, der vom Management bzw. von der Geschäftsführung eingehalten werden muss. Das Unternehmen braucht jetzt eine konsequente und starke kaufmännische Führung, wir werden einfach lernen müssen, den »aktiven Wachstum« herauszunehmen, den wir aber dennoch brauchen, da wir in einer Branche beheimatet sind, die »zum Wachsen verurteilt« ist – das ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung, um in unserem konkreten Fall Stabilität gewährleisten zu können.

Wie verteilen sich nun die Eigentumsverhältnisse?
Müller: Ich habe in Summe 53 % meiner Eigentümerschaft abgegeben, diese verteilt sich auf mehrere Teilhaber in unterschiedlichsten Formen und Größen – so ehemalige Vorstände von Osram, aber auch Investoren aus der Immobilien- sowie Retail-Branche sind beteiligt.

Wie gestaltete sich der Prozess der »Investorensuche«?
Müller: Ich habe gefühlte 70 Gespräche mit Investoren geführt, jedem einzelnen meinen Business Case dargelegt. Unser Wachstum aus 2016 war ja geplant und nach dem Fehlen der grundlegenden Unternehmenssubstanz war es uns durchaus bewusst, dass wir Eigenkapital brauchen, das wir aus eigener Kraft nicht (mehr) generieren konnten – das war uns klar, folglich war auch die Suche nach Investoren ein logischer Schritt. Natürlich ist es schwierig, vor allem für ein Unternehmen in dieser Größe, den oder die richtigen Partner zu finden – schlussendlich wollen natürlich alle Geld verdienen. Nun ist der Prozess allerdings abgeschlossen, wir haben ausreichend Kapital, um das Unternehmen so zu führen, um wieder in eine Ertragssituation zu kommen, die IT und das Controlling passen nun.

Innerhalb der Branche und vor allem aus Kundensicht wurden kritische Stimmen laut, die die Lieferschwierigkeiten Biltons und die damit zusammenhängende Unzuverlässigkeit bemängelten – wie gingen und, aus jetziger Sicht, gehen Bilton-Geschäftsführer Patrick Müller stand uns in einem offenen Gespräch Rede und Antwort zum Unternehmen sowie zu einer Branche, die seiner Aussage nach „zum Wachsen verurteilt ist.“Sie damit um?
Müller: Das hat sich mittlerweile beruhigt, wir sind ja schließlich wieder liquide. Ein oder zwei Jahre werden allerdings schon noch vergehen, bis wir die finale Standardisierung und Stabilität erreicht haben werden. Das Unternehmen braucht eine klare Position und diese kann nicht auf dem endlosen Wachstum gründen. Allerdings ist das Wachstum sehr wohl grundlegend, immerhin sind wir Produzent. Wir müssen effizienter werden, unsere Produktionen skalieren, eine stärkere Produktivität haben sowie einen Zugang finden – sei es die Position am österreichischen Markt noch auszubauen, sei es die Stabilisierung im internationalen Umfeld. Wir wollen den Schritt vom klassischen Komponenten-Lieferanten zu einem System-Lieferanten schaffen, vergleichbar mit dem des Motorenherstellers zu einem Autoproduzenten. Am Ende interessiert die Effizienz eines bestimmten Moduls niemanden, der Kunde will »bloß« das Licht in der gewünschten Form. Mit diesem Weg finden wir auch zur notwendigen Rentabilität: Mit den Zubehörteilen verkaufen wir nämlich eine Lösung, die wirklich genial ist.

Kann man sich demnach auf Bilton (wieder) verlassen?
Müller: Eine Liefersicherheit können wir gewährleisten, diese ist gegeben. Wir haben u.a. auch Personal abgebaut, weil es finanziell nicht mehr tragbar war und haben den Mitarbeiterstand auf 60 reduziert – die organisatorische Misswirtschaft hat viel blockiert, nicht nur die Kostenstruktur. Das Ärgste ist nun allerdings überstanden und ich durfte wertvolle Erfahrungen sammeln. Man lernt nie aus und muss stets seine Hausaufgaben machen.

Wie ist das Unternehmen nun strukturiert?
Müller: Ich habe wieder die Vertriebsleitung übernommen, in dieser Rolle fühle ich mich sehr wohl. Ich habe jetzt in Österreich vier Außendienstmitarbeiter und einen Servicemitarbeiter, um die internationalen Geschäfte kümmern sich zwei Außendienstmitarbeiter, außerdem agieren wir mit zwei Handelsvertretungen. Der Export geht größtenteils (60 %) in die DACH-Region, in Deutschland haben wir Kooperationen, in der Schweiz haben wir noch im letzten Jahr eine Niederlassung gegründet. Der Rest verteilt sich auf den Nahen Osten und den skandinavischen Markt – hier arbeiten wir sehr stark im Projektgeschäft.

Wird es aus technologischer Sicht in naher Zukunft etwas geben, womit Sie den Markt überraschen werden?
Müller: Nein, denn ich glaube, dass der Markt ohnehin von zu vielen Innovationen überflutet wird. Ich will den Kunden nicht mit Produkten verschrecken. Die Branche lebt ohnehin mit so viel Dynamik, dass es nicht notwendig ist, jeden Tag ein neues Produkt zu erfinden. Wir wollen unser Geschäftsmodell weiterhin verkaufen können, wir werden mehr in unseren Service investieren. Die Kunden sollen sich von unserer Qualität überzeugt fühlen. Wir wollen unser Geschäftsmodell den Kunden besser erklären, wir wollen Service bieten. Dafür haben wir nun einen eigenen Mitarbeiter in Österreich, der sich dem »After-Sales-Marketing « widmet, also Schulungen macht, Reklamationsbehebung etc. Diesen Service bieten wir auch im Innendienst, so wird sich nach dem Verkauf intensiv um den Kunden gekümmert, sei es eine Reklamation oder eine weitere Dienstleistung. Wir wollen einen stärkeren Service bieten, das sind wir unseren Kunden schuldig. Die Qualität, die in Österreich immer gerne angesprochen wird, soll sich nicht immer nur auf das Produkt fokussieren, sondern auch auf das Unternehmen. Das ist notwendig und das wird unsere größte Innovation sein – damit zusammenhängend sind vielleicht dann auch viele Infrastrukturlösungen notwendig (Konfigurator, Servicetool etc.).

Sie wollen also den Systemgedanken forcieren.
Müller: Richtig. Ein System bietet für unsere Kunden viel mehr Flexibilität, auch was die Lagerhaltung betrifft. Der Elektriker kann mit einer Rolle von uns, einem Profil, einer Abdeckung, mit einem begrenzten Baukasten, jeden Tag individuelle Lösungen anbieten. Diese Botschaft wollen wir stärker vermitteln. In diesem Bereich sehen wir uns in Österreich als Marktführer. Wir müssen jetzt einfach unsere Hausaufgaben machen und der Mannschaft aber auch den Kunden die Zeit geben, mit dem Produkt, mit dem System zu arbeiten.

Wie sind die Erfahrungswerte, wie ist das Feedback der Elektriker im Umgang mit Ihren Lichtlösungen in der Praxis?
Müller: Das Feedback war durchwachsen. Die Elektriker setzen unsere Produkte zwar ein, sehen aber nach wie vor noch nicht den wirklichen Vorteil und das wirkliche Produkt dahinter. Die Kernbotschaft unsererseits ist die, dass es beinahe grenzenlose Möglichkeiten gibt und Geschäftsmodelle für den Installateur entstehen, die es früher nicht in dieser Art gab. Der Elektriker kann damit Geld verdienen, wir wollen ihm die Möglichkeiten an die Hand geben, als Systemlieferant für seine Kunden zu wirken. Diesbezüglich wollen wir Partnerprogramme entwickeln für Elektriker, die dann selbst lineare Lichtlösungen anbieten können, nach dem Motto »create your profile«. Der Elektriker kann für eine ganz andere Eigenpositionierung sorgen, wenn er Produkte nicht »von der Stange« kauft, sondern individuelle Lösungen für Kunden anbietet. Wir als Bilton bieten das erforderliche Geschäftsmodell dazu.

Ihre abschließende Botschaft?
Müller: Höhen und Tiefen sowie Gegenwind sind durchaus üblich in der Wirtschaft, man muss nur frühzeitig reagieren können. Bilton hat viel gelernt und das ist ein unbezahlbarer Mehrwert.

Herr Müller, vielen Dank für das ehrliche Gespräch!

Das Interview wurde geführt von Thomas Buchbauer und Thomas Graf-Zoufal
Text: Mag. Sandra Eisner

Ähnliche Artikel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Zur Speicherung Ihres Namens und Ihrer E-Mailadresse klicken Sie bitte oben. Durch Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der möglichen Veröffentlichung zu.

Unseren Newsletter abonnieren - jetzt!

Neueste Nachrichten aus der Licht- und Elektrotechnik bestellen.