Expert:innen Check:

Photovoltaik ist einer der wichtigsten Hebel Österreichs aus der Klimakrise

von Jasmin Fuerbach
Foto: © Austrian Standards/APA-Fotoservice/Schedl

Austrian Standards lud zum Reality-Check rund um das aktuelle Hype-Thema „PV“. Gemeinsam rückten der OVE (Österreichischer Verband für Elektrotechnik), die Stadt Wien, die Flughafen Wien AG und die Wiener Stadthalle Visionen von morgen als auch erste kritische Erfahrungen aus dem noch jungen Betrieb von Großanlagen in den Mittelpunkt der Diskussion.


Aktuelle Umfragen wie zuletzt von Deloitte* prophezeien der Photovoltaiktechnik in Österreich eine wortwörtlich glänzende Zukunft. Nicht mehr nur auf Dächern, sondern auch mit großer Akzeptanz auf Freiflächen. Während in den Jahren 2017 und 2021 laut Deloitte-Stimmungsbarometer* zwischen 10% und 13% der Befragten angaben, innerhalb von 12 Monaten die Installation einer PV-Anlage in Angriff nehmen zu wollen, liegt dieser Wert 2022 bereits bei 32%.

Im Bild v.l.n.r.: Hermann Ponweiser (Leiter Elektrische Energieversorgung, Flughafen Wien AG), Christian Gabriel (Geschäftsführer, OVE Standardization), Beatrix Rauscher (Gruppenleitung des Kompetenzzentrums „Bahninfrastruktur, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen“ der Baudirektion, Stadt Wien), Valerie Höllinger (CEO, Austrian Standards International), Matthäus Zelenka (Geschäftsführer, Wiener Stadthalle) (Bild: Austrian Standards/APA-Fotoservice/Schedl)

Diese massive Nachfrage nach PV-Anlagen verlangt eine weltweit einheitliche „Sprache“, um einerseits Sicherheitsfragen zu beantworten und andererseits Industrieerfolge „Made in Austria“ zu ermöglichen. „Diese gemeinsame Sprache heißt Standardisierung. Schon heute gehen knapp 48% der in Österreich produzierten PV-Anlagen ins Ausland. Wir stehen also am Beginn eines weltweiten Wettlaufs um Know-how, Fachkräfte sowie Produkte. Gemeinsam mit Organisationen, Expert:innen und Entscheider:innen kümmern wir uns darum, dass auch heimische Unternehmen von dieser Entwicklung dauerhaft profitieren“, unterstreicht Valerie Höllinger, CEO bei Austrian Standards, die Bedeutung und Langfristigkeit des Themas

Lernen von Vorreiter:innen

90% der Österreicher:innen* wünschen sich in ihren Gemeinden einen größeren Einsatz an Photovoltaiktechnik. Gerade im städtischen Raum, wo viel Energie benötigt wird, sind Dachflächen meist privat und Freiflächen zugleich rar. Die Stadt Wien geht daher mit gutem Vorbild voran und errichtet Photovoltaikanlagen auf öffentlichen und stadtnahen Gebäuden und Flächen. Gleichzeitig spielen Partnerschaften mit Betrieben und Bauträgern eine große Rolle ebenso wie die stetig wachsende Zahl privater Sonnenstromanlagen. „Bis 2040 will Wien klimaneutral werden. Wichtiger Hebel dafür ist die Sonnenstrom-Offensive. Unsere Zielkurve ist steil: Bereits im Jahr 2025 soll die Sonnenstrom-Leistung 250 MWp betragen, 2030 schon 800 MWp. Das ist nahezu das Zehnfache der heutigen Produktion mit dem Ziel, dass 2030 rund 350.000 Haushalte mit Sonnenstrom versorgt werden. Das ist nicht nur gut für Wien, sondern birgt auch viel wirtschaftliches Potenzial für die gesamte heimische PV-Industrie“, weiß Expertin Beatrix Rauscher, Gruppenleiterin des Kompetenzzentrums „Bahninfrastruktur, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen“ in der Stadtbaudirektion.

Auf die Frage, ob Wien mit diesem Schritt nicht zu stark auf nur einen erneuerbaren Energieträger setzt, antwortet Rauscher: „Grundsätzlich möchten wir so technologieoffen wie möglich über Auswege aus der Klimakrise nachdenken. Für Wien ist Photovoltaik einerseits praktikabel und – auch dank Standards – sicher, effizient und leistungsstark. Wir sehen unseren Sonnenstromfokus als wichtigen Hebel. Gerade auch, weil wir hier dank Normen sehr gut auf die spezifischen technischen PV-Anforderungen vorbereitet sind. Wir sind also schon in der erfolgreichen Umsetzung angekommen.“

Technik für Menschen

Die steigende Akzeptanz für Photovoltaiktechnik geht Hand in Hand mit dem Wunsch, selbst zur/zum Energieproduzent:in zu werden. Die Sonne in Kombination mit innovativer Technik machen‘s möglich. Dabei dienen elektrotechnische Normen und Standards der Sicherheit und Zuverlässigkeit von Produkten und Systemen, bei denen elektrische Energie im Spiel ist. Sie bilden die Basis für die gefahrlose Nutzung. Der sichere Umgang mit der Technologie bei der Errichtung dieser Anlagen ist u.a. Teil der OVE E 8101, der Errichtungsbestimmungen für elektrische Niederspannungsanlagen. Für die elektrotechnische Normung ist in Österreich per Gesetz der OVE, der Österreichische Verband für Elektrotechnik, zuständig. Zusätzlich gibt es mehrere OVE-Richtlinien, etwa zu den Themen Brandschutz, Blitz- und Überspannungsschutz, Netzanforderungen oder Blendung. Sie alle haben ein Ziel: Die Sicherheit und Funktionalität von Photovoltaik-Anlagen sicherzustellen.

Eine besondere Herausforderung an die Normung stellen aktuell die so genannten „Balkonkraftwerke“ dar, das sind steckerfertige Mini-PV-Anlagen mit einer Maximalleistung von 800 Watt. Es gilt hier, einen geeigneten Weg zu finden, der die Installation dieser Anlagen vereinfacht und gleichzeitig deren Sicherheit garantiert. Christian Gabriel, Geschäftsführer OVE Standardization, hebt die starke Bedeutung der Standardisierung in diesem Bereich hervor: „Als elektrotechnische Normungsorganisation ist es unsere Aufgabe, die Sicherheit und Funktionalität von elektrischen Produkten, Anlagen und Systemen sicherzustellen. Die Energiewende ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wir arbeiten daher intensiv daran, innovativen Technologien zum Erfolg zu verhelfen, indem wir durch entsprechende Normen zu deren Sicherheit, Zuverlässigkeit und Systemkompatibilität beitragen.“

Vorteile für Unternehmen: Hohe Energie-Autarkie und größtmögliche Preisstabilität

In den letzten Wochen spürten Privathaushalte und Betriebe die anhaltend hohen Energiepreise. Gerade bei Aufrechtbleiben des Merit-Order-Prinzips ist der Antrieb, selbst mittels Photovoltaik zur/zum Produzent:in der eigenen Energie zu werden, hoch. Über jahreszeitliche Schwankungen und Speicherprobleme hinaus gibt es von prominenten „Heavy-Usern“ wie dem Flughafen Wien bereits klare Zusagen für weitere PV-Projekte. Die Gründe dafür beschreibt Hermann Ponweiser, Leiter Elektrische Energieversorgung der Flughafen Wien AG: „Bereits seit 2011 verfolgt der Flughafen Wien eine konsequente Klimaschutz- und Energiesparoffensive und hat dafür bereits viele Maßnahmen umgesetzt. Photovoltaik spielt dabei eine große Rolle: Aktuell betreibt der Flughafen Wien acht Photovoltaikanlagen, darunter mit 26 Hektar die größte Österreichs. 2023 werden die PV-Kapazitäten auf 45 Hektar erweitert, damit produziert der Airport künftig 40% seines Strombedarfs aus Sonnenergie. Seit Jänner 2023 führt der Flughafen Wien seinen Betrieb CO2-neutral.“

Aber auch innerstädtisch bewegt sich einiges: Die Wiener Stadthalle ist ein Unternehmen der Wien Holding. Mit der PV-Anlage verbaute man eine Fläche von rund 5.500 m² oder umgerechnet 21 Tennisplätzen in 25 Meter Höhe. „Dieses Projekt ist ein Meilenstein für die wichtigste Eventlocation des Landes und ein wesentlicher Schritt für die Nachhaltigkeitsstrategie der Wiener Stadthalle. Dem Team der Wiener Stadthalle ist es in dieser herausfordernden Zeit gelungen, das bedeutende Projekt im geplanten Zeitrahmen fertigzustellen. Unser Ziel ist es, durch das Zusammenspiel von Energiesparmaßnahmen sowie dem Ausbau weiterer Dachflächen in den nächsten fünf Jahren 100% des am Standort verbrauchten Stroms vor Ort grün zu erzeugen“, erklärt Matthäus Zelenka, Geschäftsführer Wiener Stadthalle.

Am Ende der Veranstaltung bestand Einigkeit: Auf dem Weg aus Klima- und Energieautarkiekrise wird Photovoltaik der vermutlich stärkste und nachhaltigste Hebel für Österreich und gleichzeitig ein wesentlicher Wirtschafts- und Industriefaktor der kommenden Jahrzehnte.

Weitere Informationen auf www.ove.at

Quelle: Austrian Standards

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