Seit eineinhalb Jahren existiert bei Rittal, dem deutschen Systemanbieter für Schaltschränke, Stromverteilung und Klimatisierung, die Business-Unit »Energy & Power Solutions«. Damit sollen laut Hersteller zukunftsweisende Projekte der ökologischen Energiewirtschaft geplant und verwirklicht werden. Ein entscheidender Vorteil für die Kunden von Rittal ist dabei: Vieles während der Planung kann über Onlinemeetings erledigt werden, was Zeit und Kosten spart.
Interview: Thomas Buchbauer
Text: Siawasch Aeenechi
Rittal hat die Zeichen der Zeit erkannt, Stichwort Energiewende, und möchte in Zukunft die langjährige Erfahrung, die man in den Bereichen Stromverteilung und Schaltschränke sammeln konnte, verstärkt für den klimafreundlichen Netzausbau und bei Projekten der nachhaltigen Energieversorgung anwenden. Der Fokus soll dabei auf große Anlagen mit mehr als 100 kW liegen. Das Unternehmen bietet standardisierte und zertifizierte Lösungen im Bereich der Energiewirtschaft, um seine Kunden bei ihren vielfältigen Vorhaben bestmöglich zu unterstützen. Das i-Magazin traf DI Christoph Unger, den Leiter der Business-Unit »Energy & Power Solutions«, der uns mehr über die Zukunftspläne von Rittal erzählte.
Rittal hat vor einiger Zeit die Business-Unit »Energy & Power Solutions« gegründet – was war der Grund dafür und welchen Vorteil will man den Kunden damit bieten?
Christoph Unger: Seit eineinhalb Jahren existiert die Business-Unit »Energy & Power Solutions« von Rittal. Rittal kannte man bisher vor allem aus Industrie-, Maschinenbau- und IT-Projekten. Wir sind aber auch in der Energiewirtschaft aktiv, sei es im Bereich der erneuerbaren Energien, im Netzausbau oder in der Stromverteilung. Wir konnten in diesen Bereichen über viele Jahre lang wertvolle Erfahrungen sammeln und arbeiten seit Längerem mit verschiedenen Partnern zusammen. Wesentlich ist für uns nun, dieses vorhandene Know-how einem möglichst breiten Kundenspektrum zu zeigen. Wir haben über die Jahre das Rittal-System aufgebaut, das viele Komponenten, vom Schaltschrank über die Stromverteilung bis hin zur Klimatisierung, unter einem Dach vereint. Dieses Wissen möchten wir in Zukunft für die Energiewende und Fragen der erneuerbaren Energien nutzen. Wir bei Rittal haben unsere Expertise bei den Themen des Gehäuseschutzes oder der Stromverteilung, wir kennen also die Normen sowie die rechtlichen Vorgaben in diesen Feldern, die der Österreichische Verband für Elektrotechnik (OVE) bestimmt.
Rittal bietet AC-Verteiler für PV-Anlagen welcher Größenordnung und wen betrachten Sie damit als Ihre Zielgruppe?
Unger: Das Rittal-System hat seine Vorteile eindeutig bei größeren Anlagen, das heißt, Anlagen für den Häuslbauer sind nicht unsere Expertise und das kommunizieren wir auch. Dabei sind mit größeren Anlagen jene mit 100 kW und mehr gemeint. Wir rechnen, dass diese in Zukunft aufgrund der neuen Förderungen, die im Zuge des im März beschlossenen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes kommen werden, verstärkt nachgefragt werden. Betreffend Stromverteilungen werden dies zum Beispiel Anlagen mit bis zu 6.300 Ampere sein. Solche Projekte werden von uns mit den jeweiligen Kunden gemeinsam geplant und in digitaler Form in Kooperation mit Eplan konzipiert. In einem nächsten Schritt werden sie entweder bei uns in der Zentrale im Modification Center vorkonfektioniert oder, falls der Kunde das nicht möchte, direkt von ihm konstruiert und beim Endkunden installiert.
Sie bieten gemeinsam mit Eplan eine »Augmented Reality«-Lösung für diesen Bereich. Ein nettes Gimmick oder sinnvolle Lösung – welchen Zweck hat die Anwendung?
Unger: Die Eplan-Lösungen haben einen ganz konkreten praktischen Nutzen, denn damit können wir sämtliche unserer gezeichneten und geplanten Modelle in einer »Augmented Reality« darstellen. So können wir mit den Kunden die Projekte in der Virtual Reality gewissermaßen besichtigen und das maßstabgetreu. Man kann dabei in einzelne Bereiche hineinzoomen und äußere Bauteile auflösen, um Sicht auf das Innere zu bekommen. Es ist sicherlich mehr als nur ein nettes Gimmick, dessen Möglichkeiten bisher noch nicht ganz ausgeschöpft sind. Wir erstellen generell 2D- und 3D-Modelle mittels AutoCAD und Eplan, weil man so die individuellen Anforderungen der Kunden befriedigen kann, die ansprechende Abbildungen von ihren Projekten erwarten. Mit den 3D-Modellen sparen wir den Kunden und auch uns wertvolle Zeit, weil es obsolet wird, spezifische Ansichten per Mail hin und her zu schicken, da sämtliche Perspektiven im 3D-Modell dargestellt werden können.
Was unterscheidet Ihren AC-Verteiler für den Bereich der Erneuerbaren von dem restlichen Sortiment?
Unger: Der Rittal AC-Verteiler wurde in den letzten Monaten in intensiver Arbeit designt und fertiggestellt. Er ist standardisiert und eine Basis für Profis, die einen AC-Verteiler bauen möchten oder ihr PV-Projekt planen. Das Basismodell besteht aus einem Gehäuse sowie einem Stromverteilersystem mit den jeweiligen Abgangsleisten für 200 kW oder 500 kW. Es besteht die Möglichkeit, den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen der Kunden entsprechend, das Basismodell aufzurüsten. Dadurch hat der Kunde eine optimale Wertschöpfung, da er je nach der Größe und Gegebenheit des Projektes mit dem Basismodell die Kosten so gering wie möglich halten kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass unser Verteilersystem in einem kleinen Gehäuse verbaut ist. Dies ist durch unsere Erfahrung im Gehäusebau möglich. Durch den Fokus des Aufbaus auf die Tiefen- und Vertikalchassis bleibt mehr Platz auf der Montageplatte und es können die aktiven Komponenten im vorderen Bereich des Verteilers gesondert installiert werden.
Mittlerweile dürfte es bereits einen Nägel- und Schrauben-Engpass in Europa geben. Hersteller erzählen, dass es aufgrund des Mangels an Nägeln selbst bei Paletten eng wird. Wie verhält es sich bei Ihren Produkten? In welchem Zeitrahmen ist Rittal lieferbar?
Unger: Da wir bei Rittal unsere Produkte in der Region für die Region produzieren, haben wir keine großen Probleme mit Liefer- und Materialengpässen. Ein Thema ist allerdings die Lieferverfügbarkeit bei Stahlblech, das wir für unsere Gehäuse benötigen. Die Preise hierfür sind gestiegen, aber unsere Kunden schätzen die Wertschöpfungskette bei Rittal. Wir haben deshalb keine Probleme, die höheren Preise für das Stahlblech zu zahlen, um die Lieferverfügbarkeit einhalten zu können. Auch bei Chips greifen wir tief in die Tasche, um die vereinbarten Lieferzeiten bestmöglich einhalten zu können, aber wie überall sonst auch sind die Lieferzeiten aufgrund der verschiedenen Krisen natürlich etwas länger. In der Gehäusetechnik und bei Schaltschränken können wir aber grosso modo unsere Liefervereinbarungen einhalten.
Worin sehen Sie bei Ihrer Lösung den großen Vorteil gegenüber anderen am Markt erhältlichen Schränken?
Unger: Ein großer Vorteil des Rittal-Systems ist es, dass wir ein Rundum-Service anbieten. Das reicht über den digitalen Zwilling mittels Eplan und AutoCAD über die Verfügbarkeit sämtlicher Projektdaten bis hin zu Montageanleitungen und Konstruktionshilfen in digitaler Form. Durch die platzsparende und optimierte Größe hat der Kunde auch die Möglichkeit, kreativ und flexibel seine Projekte ausgehend vom Basismodell zu planen.
Warum ist das geringere Gewicht ein derartiger Vorteil?
Unger: Bei der Wandmontage sind die verschiedenen Komponenten an der Wand installiert – und zwar innenseitig und überdacht, um Schutz vor Regen zu bieten. Solche Wandmontagen erlauben es, das Gewicht gering zu halten und damit sind sie für den Installateur einfacher zu transportieren und zu montieren.
Was ist beim PV-AC-Verteiler von Rittal zu erwarten und was kann/muss der Schaltanlagenbauer selbst konfigurieren?
Unger: Der Elektriker hat einige Möglichkeiten, das Basismodell eines Rittal AC-Verteilers auszubauen, womit er die Wertschöpfung optimieren kann. Rittal arbeitet schon seit Langem österreichweit mit Schaltanlagenbauern zusammen, die sich immer wieder von Neuem überlegen, wie man AC-Verteiler oder PV-Anlagen erweitern und modifizieren kann, um interessante Projekte zu ermöglichen.
Welche Planungsunterstützung bekommen Ihre Partner?
Unger: Rittal bietet von der Erstberatung bis hin zur fertigen Lösung Unterstützung und Beratung an. Wir begleiten damit unsere Kunden bei allen Teilschritten eines Projektes. Das stellt eine unserer Kernkompetenzen dar und ist uns ein großes Anliegen. In diesem Zusammenhang ist das neue »Energy & Power Solutions«-Team derart aufgestellt, dass wir Vertriebsspezialisten in den einzelnen Regionen haben, die die Kunden über die Themen Energy und Power beraten. Dabei wird stets Rücksicht genommen auf die IEC 61439-Norm, um sicherheitsrelevante Fragen und Anforderungen zu berücksichtigen. Dann gibt es auch das Rittal-Lösungscenter RLC, in dem unsere Ingenieure die Kundenprojekte mittels Eplan oder AutoCAD designen und Kosten-, Gewichts-, und Größenfragen der einzelnen Projekte ermitteln. Aktuell ist es zum Beispiel von besonderem Interesse, wie viel Kupfer in einem Projekt eingesetzt werden soll, da es durch die Engpässe zu Verzögerungen und höheren Kosten kommen kann. Es ist immer unser Ziel, die Kosten für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten.
Wie geht Rittal mit dem Thema der Zertifizierungen um?
Unger: Speziell bei großen Anlagen wie dem Rittal-Powersystem ist es essenziell, dass sie nach der erwähnten IEC 61439-Norm geplant und zertifiziert werden. Unsere Prüflabore in der Zentrale im deutschen Herborn oder externe Labore in Bonn und Berlin prüfen diese Zertifizierungen. Wir haben ein weitreichendes System, um unsere Produkte zertifizieren zu können, worauf wir bei Rittal auch stolz sind. In der Stromverteilung besteht die Möglichkeit, zusätzliche Zertifizierungen auf die Rittal-Systeme durchzuführen, z.B. im Bereich der Störlichtbogensicherheit. Letztes Jahr haben wir eine Zertifizierung für die NH-Sicherungsleisten von Jean Müller durchgeführt, damit das Produkt auch für unser hauseigenes System zertifiziert ist. Die Rittal-Systeme sind herstellerneutral, das ist für uns entscheidend.
Kooperieren Sie beim Thema »Energy & Power Solutions« auch mit dem Großhandel?
Unger: Wie wir konkret mit dem Großhandel zusammenarbeiten werden, ist noch nicht fixiert. Wir haben, wie erwähnt, vor Kurzem das standardisierte AC-Verteilersystem entwickelt und müssen nun schauen, wie wir mit Schaltanlagenbauern, größeren Elektronikausrüstern und dem Elektrogroßhandel kooperieren werden.
Sie haben vor Kurzem die Rittal Expert-Days abgehalten – was haben Ihre Kunden und Partner in dieser Event-Reihe erfahren?
Unger: Die Expert-Days wurden im März pandemiebedingt online veranstaltet und finden erfreulicherweise in der zweiten Juniwoche in Wien und Linz vor Ort statt. Es wird vor allem um das Thema OVE E 8101 gehen, also um die Errichtungsbestimmungen für elektrische Niederspannungsanlagen. Thema ist die Zertifizierung unserer Systeme. Peter Newet, ein Experte der Elektrotechnik, wird einen Vortrag über die Norm OVE E 8101 halten, bei der einige Änderungen gegenüber der Vorgängernorm realisiert wurden. Die Norm ist maßgeblich auch in Zusammenhang mit der Zertifizierung von Projekten der erneuerbaren Energien, die immer wichtiger werden.
Welche Erfahrung bringen Sie in das Kompetenzzentrum ein und wie viele Kollegen unterstützen Sie bei Ihrer Arbeit?
Unger: Ich arbeite seit eineinhalb Jahren bei Rittal und so lange existiert auch die Business-Unit »Energy & Power Solutions«. Uns ist es wichtig, dass wir diese Unit als gesamtes Team angehen und weiterentwickeln. Wir haben österreichweit drei Vertriebsspezialisten, für Mitte-West, für den Osten und den Süden. Diese Mitarbeiter stehen unseren Kunden vor Ort zur Verfügung und beraten sie bei ihren jeweiligen Projekten. In Wien existiert weiters das Rittal-Lösungscenter (RLC), wo unsere Projektingenieure die Planungen und Konstruktionen ausarbeiten und über Onlinebesprechungen in Kontakt mit unseren Kunden sind. In neuerer Zeit haben sich unsere Mitarbeiter der immer wichtiger werdenden Themen erneuerbare Energien und Energiewende angenommen, weil die Projekte unserer Kunden, Stichwort PV-Anlagen oder Kleinwasserkraftwerke, vermehrt in diese Richtungen gehen. Es kommen laufend neue Firmen auf uns zu mit interessanten Prototypen und Ideen, wodurch sich neue Arten von Projekten ergeben. Für solche Prototypen können wir dann im RLC schnell 3D-Modelle mit der kompletten Stromverteilung designen. Damit haben wir einen guten Überblick, was sich in Österreich im Bereich der erneuerbaren Energie und allgemein im Energiesektor so tut.
Wie schätzen Sie den Markt der erneuerbaren Energie in Österreich ein? Haben Sie dazu greifbare Marktdaten, die Sie an dieser Stelle auch Ihren Partnern zur Verfügung stellen wollen, oder gehen Sie ans Werk, weil Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben?
Unger: Die »Energy & Power Solutions« sind eine globale Business-Unit und wir sammeln dementsprechend global die Daten. Betreffend der Energiewirtschaft in Österreich ist ein Viertel der verbrauchten Gesamtenergie elektrische Energie und von dieser werden ca. 60 % aus Wasserkraft, ein größerer Anteil aus Gasquellen sowie Windkraft und lediglich 1 % aus PV-Anlagen gewonnen. Man sieht, es besteht also in diesem Bereich ein immenser Wachstumsmarkt. Um etwas Persönliches zu erzählen: Mich hat das Thema erneuerbare Energie bereits vor zehn Jahren auf der Universität interessiert und es hat damals schon geheißen, dass es in Zukunft in diesem Bereich, Stichwort Green Jobs, attraktive Karrieremöglichkeiten geben wird. Aber es war trotzdem ungewiss. Was wir nun in dem Feld der erneuerbaren Energie beobachten ist schon beeindruckend und durch die Energiekrise wird der Ausbau dieser Form der Energiegewinnung nochmal beschleunigt. Ich kann daher allen Unternehmen nur empfehlen, das Geschäftsmodell in diese Richtung zu erweitern. Wer das macht, hat mit Rittal im Bereich der Gehäusetechnik, Stromverteilung und Klimatisierung einen verlässlichen Projektpartner.
Seit Sommer 2021 gibt es das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz, das bedingt durch den Mangel an Verordnungen dazu noch immer nicht seine volle Kraft auf die Straße bringen kann. Nun warten wir gespannt auf ein neues Energieeffizienz- bzw. Erneuerbare-Wärme-Gesetz. In einem geleakten Entwurf ist zu lesen, dass Gasheizungen im Neubau bereits ab 2023 – statt wie geplant ab 2025 – verboten werden und defekte Öl- und Kohleheizungen durch ebensolche auch ab 2023 nicht mehr ersetzt werden dürfen. Welche Perspektiven hat das für die Elektrobranche und im Speziellen für Rittal aus Ihrer Sicht zur Folge?
Unger: Es wird in der Elektrobranche in Zukunft verstärkt einen Mangel an Elektrotechnikern geben, das beobachten wir jetzt schon. Wir müssen in diesen Bereich investieren und es passiert auch einiges, aber ich denke zu wenig. Die Anmeldezahlen für das Studium der erneuerbaren Energien sind zwar hoch, aber bei der Lehre und der Ausbildung zum Elektrotechniker gibt es noch Luft nach oben. Ich kann deshalb nur dafür appellieren, dass sich die Politik auf diesen Bereich konzentriert, damit die Zahlen steigen. Betreffend die gesetzlichen Rahmenbedingungen kann man beobachten, dass diese immer zügiger verabschiedet werden. Wenn man sich erinnert, wie lange es gedauert hat, bis das Europäische Energieeffizienz-Gesetz 2014 verabschiedet wurde, und jetzt vergleicht, wie schnell das Energieeffizienz- bzw. Erneuerbare-Wärme-Gesetz und das Gesetz zum Verbot von Gasheizungen bei Neubau ab 2023 verabschiedet wurden, dann staunt man schon. Energiegesetze, die früher in Fünf- bzw. Zehn-Jahres-Intervallen verabschiedet wurden, werden nun im Jahresintervall ausgearbeitet. Die Politik reagiert schneller und versucht mit dem rascheren Tempo des Marktes mitzukommen und das ist gut so.
Herr Unger, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen auf: www.rittal.at/energy