Photovoltaik-Kongress 2023:

Rekordbudgets und Scheinklimaschutz

von Oliver Kube
von Oliver Kube Foto: © Peter Stender

Am 29. März fand im Wiener Allianzstadion der PV-Kongress 2023 statt. Unter dem Motto »Die Zukunft will gestaltet werden« gab es neben einigen Updates zu Förderungen und aktuellen Entwicklungen auch scharfe Kritik eines Klimawissenschaftlers an sogenanntem »Scheinklimaschutz«. Doch was genau ist damit gemeint? Wie lief der erste Fördercall der Photovoltaik-Förderung 2023 bisher – und warum kann es im Sinne eines raschen PV-Ausbaus sinnvoll sein, nicht alles auf Förderungen zu setzen?

„Die Zukunft will gestaltet werden“ – das Motto des PV-Kongress 2023 zog sich wie ein roter Faden durch die ganze Veranstaltung am 29. März im Allianzstation in Wien-Hütteldorf (Heimstadion des SK Rapid). „Wir brauchen nicht nur schöne Zielvorstellungen, wir brauchen auch die praktische Umsetzung“, sagte Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Photovoltaic Austria, in seiner Begrüßungsrede. Klima- und Umweltministerin Leonore Gewessler stellte die neue Photovoltaik-Förderung ins Zentrum ihres Redebeitrags. Mit den rund 600 Millionen Euro stehen 2023 laut Gewessler etwa 12-mal so viele Mittel zur Verfügung wie noch vor vier Jahren. „Wir wollen beim PV-Ausbau nicht in der Regionalliga spielen, sondern in der Champions-League“, sagte Gewessler. Zum Start des ersten Fördercalls am 23.März wurden direkt am ersten Tag rund 140.000 Tickets gelöst, das sind laut Gewessler fast so viele wie im gesamten Jahr 2022. Davon seien bis 28. März zirka 50.000 Anträge vollständig eingereicht worden. Trotz des Rekordbudgets sei es jedoch nach wie vor wichtig, „die Fördermittel leichter zugänglich zu machen.“ Aktuell stünden dem einerseits rechtliche Hürden im Wege, die man mit dem derzeitigen Fördersystem nicht so leicht umgehen könne. Andererseits konnte sich Gewessler bislang in der Regierung mit einer möglichen Umsatzsteuerbefreiung nicht durchsetzen. „Da brauche ich Ihre Unterstützung in der Sache, um weiter Druck für den Umsatzsteuer-Erlass zu machen“, richtete sie einen Aufruf direkt an das Publikum. Bernd Vogl vom Klima- und Energiefonds hingegen warnte davor, sich zu einseitig auf die Förderungen zu fokussieren. „Die Amortisationszeit bei Photovoltaik-Anlagen ohne Förderungen liegt derzeit bei knapp 7 Jahren.“ Wer es sich leisten könne, solle es lieber „einfach so“ machen, statt viel Zeit mit Förderanträgen zu verbringen und dann womöglich aus Ärger über bürokratische Schwierigkeiten auf die PV-Anlage ganz zu verzichten.

Scharfe Kritik an »Scheinklimaschutz«
Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU

„Jugendliche halten den Erwachsenen den Spiegel vor, während die Erwachsenen sich gegenseitig Märchen erzählen“, sagte Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU. (Foto: www.i-magazin.com)

Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien, sieht die aktuelle Klimapolitik trotz Rekordbudget für PV-Förderungen nicht in der Champions League, sondern wohl eher in der Stadtliga oder Bezirksklasse. Die Vorstellung, man könnte „den Klimawandel alleine durch Technik und Innovationen aufhalten“, sei „aus wissenschaftlicher Sicht ein Märchen“, sagte Steurer. Trotz 30 Jahren internationaler Klimakonferenzen und aller Fortschritte seien Emissionssenkungen bis heute nicht in Sicht, sondern bestenfalls ein Bremsen des Anstiegs. Der Methanausstoß wachse exponentiell und erreicht jedes Jahr neue Rekordwerte. Ein Teil des Problems bzw. Hemmnis für mögliche Lösungen sei der sogenannte Scheinklimaschutz: „Politiker täuschen gerne und Wähler lassen sich gerne täuschen“, so sein nicht gerade schmeichelhaftes Urteil über Regierende und Regierte. Das ziehe sich über alle Ebenen, von der individuellen bis hin zur nationalen und internationalen Klimapolitik. Der Zweck von Scheinklimaschutz ist laut Steurer das „gute Gewissen“. So sei auf individueller Ebene zwar nichts gegen Müll trennen oder recyceln und Licht abdrehen einzuwenden, aber sich einzureden, man hätte damit schon richtig was gegen die drohende Klimakatastrophe getan, sei Selbsttäuschung. „Leider ist es so, dass die Dinge, die wirksam sind, nicht leicht sind und umgekehrt die leichten Dinge wenig wirksam sind“, erklärte er. Zu den wirksameren persönlichen Maßnahmen zählen etwa der Verzicht auf Fleisch, Fliegen oder Verbrenner-Autos. Doch letztlich könne das Problem nur auf politischer Ebene gelöst werden. Als Beispiele für nationalen Scheinklimaschutz nannte Steurer die Zielsetzung der Klimaneutralität bis 2040, die zwar nicht prinzipiell unmöglich zu erreichen sei, aber ganz sicher nicht mit den bisher dafür vorgesehenen Maßnahmen. Auf EU-Ebene prangerte er die Deklaration von Gas als »grün« an. Es sei absurd, „dass Jugendliche den Erwachsenen den Spiegel vorhalten, während die Erwachsenen sich gegenseitig Märchen erzählen. Wir müssen die Klimarealität anerkennen, die Folgen thematisieren und Wege finden statt Ausreden“, appellierte Steurer. Auf ironische Weise passend dazu präsentierte direkt im Anschluss an Steurers Vortrag ein Sprecher des Wiener Flughafens ein Photovoltaik-Freiflächenprojekt – die klimapolitische Problematik des Flugverkehrs kam hierbei nicht zur Sprache.

4. Innovationsaward für integrierte Photovoltaik gestartet

Doch auf dem Kongress wurde erwartungsgemäß nicht nur über das Problem, sondern auch über Lösungsansätze gesprochen. Verschiedene Unternehmen, die beim Kongress als Aussteller und Sponsoren fungierten, präsentierten ihre Produktneuheiten und Projekte, darunter den Sonnenkraft-Campus auf einer alten Raststation in Kärnten, wo das „größte Erlebnis- und Kompetenzzentrum mit E-Ladepark im Alpen-Adria-Raum“ entstehen soll.

Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik Austria, stellte die Ausschreibung zum »4. Innovationsaward für integrierte Photovoltaik 2024« vor. Ziel des Innovationsaward ist es, Chancen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die Photovoltaik in integrierter Form bietet. Für das Jahr 2024 werden explizit auch Ansätze abseits der klassischen Gebäudeintegration gesucht. Der Wettbewerb fokussiert auf Projekte, die sich bereits in der Umsetzungsphase befinden. Eingereicht werden kann vom 29. März 2023 bis zum 10. Februar 2024 unter www.pvaustria.at/innovationsaward. Eine internationale Expertenjury bewertet die eingereichten Projekte unter anderem nach dem energetischen Gesamtkonzept, Umweltverträglichkeit, Kosteneffizienz, architektonischer Qualität und Kommunikation. Die Sieger werden im Zuge des PV-Kongresses im Frühjahr 2024 gekürt.

Mehr Informationen auf: www.pvaustria.at

An den Ständen der Aussteller und Sponsoren gab es in den Pausen regen Austausch über die Neuheiten der Photovoltaik-Branche. (Fotos: www.i-magazin.com)

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