Totgesagte leben länger

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In den letzten Jahren ging es eher turbulent bei Kopp in Österreich zu. Restrukturierungen, Schließungen, ­Personalwechsel etc. haben in der jüngeren Vergangenheit dazu geführt, dass man glauben konnte, Kopp sei kurz vor dem Ende – eine klare Strategie war nur schwer nachvollziehbar. Wir haben nun mit Stephan Dörrschuck, CEO der ­Heinrich Kopp GmbH, und Österreich-Vertriebs­leiter ­Wolfgang Heidenreich Klartext gesprochen und dabei überraschend offene Antworten erhalten, die uns eines Besseren belehrten. Man erlebt es schließlich nicht oft, dass Interviewpartner bereit sind, Fehler zuzugeben – sogar die Fehler, die sie zum großen Teil gar nicht selbst begangen haben, sondern den Vorgängern zuzuschreiben sind.

Kopp war in der Vergangenheit dafür bekannt, abseits des traditionellen dreistufigen Vertriebsweges zu gehen. CEO Stephan Dörrschuck und Vertriebsleiter Wolfgang Heidenreich machten in unserem Gespräch auch keinen Hehl daraus, den Konsument aktiv im Fokus zu haben. Das steht jedoch nicht dem Vorhaben im Weg, künftig wieder vermehrt auf den Großhandel zuzugehen:

Herr Dörrschuck, Schließungen wie in Tschechien, oder der Personalabbau in Aigen hatten vermuten lassen, dass Kopp bald die Segel streichen wird. Was ist dran an diesen Gerüchten?
Stephan Dörrschuck: Die Produktion in Tschechien wurde zum Teil nach Tunesien verlegt, das ist richtig. Wir produzieren dort aber bereits seit 30 Jahren – neu ist das also nicht sondern es war eine konsequente Fortsetzung der Produktionsstrategie. Dort arbeitet sehr gut ausgebildetes Personal für uns, das High-Tec-Produkte herstellt. Die Entwicklung findet nach wie vor in Deutschland statt und wir sind darüber hinaus in allen relevanten Normgremien vertreten.
Der Wirtschaftsabschwung hat der Elektroinstallationsbranche stark zugesetzt – auch Kopp hat das gespürt und wir mussten reagieren. Nun haben wir uns überlegt, wie wir uns aufstellen wollen. Dazu haben wir uns ganz genau angeschaut, wie Kopp wahrgenommen wird. Meines Erachtens haben wir es in Österreich versäumt, unsere Produkte so zu vermarkten, dass sie als echte Alternative zu den sogenannten »A-Marken« gesehen werden – obwohl diese technisch gleichwertig sind.
Wir wollen unsere Stärken wieder hervorheben und Dinge eliminieren, die uns belasten. So haben wir uns im professionellen Bereich etwa von den schwierigen und sehr wettbewerbsintensiven Bereichen Kabel, Schlauch und Rohr mehrheitlich getrennt. Diese gehören als Handelsware auch nicht zur Kernkompetenz von Kopp. Damit einher ging zwangsläufig auch das FI- und Leitungsschutzschalter-Geschäft zurück.
Kopp hat lange den Dienstleister gespielt, wo andere deutlich besser geeignet waren. Wir sind Produzent und Entwickler, das können wir am besten und das werden wir in Zukunft auch wieder hervorheben.
Eine unserer Stärken ist die Logistik. Bereits vor einigen Jahren haben wir daher begonnen diese auf unser Stammwerk in Kahl zu konzentrieren – mit sehr guten Ergebnissen. Die Verlagerung der Logistik aus Österreich nach Kahl war daher eine logische Konsequent. Wir haben die Logistik so weit ausgebaut, dass wir in der Lage sind, auf einem hohen Leis­tungsniveau zu agieren. Die Standorte in den Benelux-Staaten und in Österreich wurden damit als reine Vertriebsgesellschaften etabliert. Damit sind wir nahe am Markt und mehr denn je am Leben.

Ist Kopp also mehr als nur »Baumarktlieferant«?
Dörrschuck: In der Vergangenheit war Kopp mit genau diesem Prädikat sozusagen stigmatisiert. Dabei wurden andere Bereiche aus dem Industrie und Professional-Bereich aber gerne vergessen – zum Beispiel, dass wir im Bereich des mobilen Personenschutzes Marktführer sind. Weiterhin haben wir ein breites Spektrum an Steckdosenleiten, hier arbeiten wir u. a. mit namhaften Herstellern von Schaltschränken für IT- und Medizintechnik zusammen und beliefern diesen mit intelligent funktionierenden Steckdosenleisten. Wir entwickeln gemeinsam mit Partnern aus der Industrie Steuerungssystem um genau in diesem Marktsegment weiter zu punkten. Auf der vergangenen Light+Building haben wir eine sensitive Glasschalterserie auf Basis einer Zwei-Draht-Verkabelung vorgestellt, die beweist, dass man auch einmal querdenken kann und uns eine Alleinstellung im Markt beschert hat.
All das sind Dinge, die jetzt nicht besonders in der Öffentlichkeit stehen, aber trotzdem zu unserem Geschäft gehören. Vielleicht haben wir versäumt, mehr darüber zu reden.

Auf welchen Märkten agiert Kopp also, und wo sollen Steigerungen erreicht werden?
Dörrschuck: Wir setzen auf drei Standbeine und unterscheiden zwischen Retail, also dem Einzelhandel oder den »do-it-yourself-Bereich«, dem Industriemarkt und dem Elektrogroßhandel. Letzteren nennen wir den »professional«-Vertriebsweg, also den mehrstufigen Vertriebsweg. Darin sind Produkte enthalten, die Kompetenz und Beratung, also eine Marktbetreuung durch den Großhandel, voraussetzen. Darüber hinaus gibt es eine kleine Kundengruppe an Elektroinstallateuren, die aufgrund ihrer Anforderung auch weiterhin von uns beliefert wird, diese wird aber aller Voraussicht nach nicht vergrößert werden.
Was wir aber zugegebenermaßen versäumt haben, ist es anzustreben, dass der Markt beim Großhandel aktiv nach unseren Produkten fragt. Darum wollen wir nun wieder die Nachfrage nach unserer Eigenfertigung stärken und diese über den Großhandel einbringen.
Wolfgang Heidenreich: Wir wollen auch ein vernünftiges Großhandelskonzept auf die Beine stellen. Wir sind bereit für Gespräche und haben auch die Produkte dazu. Produkte, die sich aufgrund ihrer Spezifikationen von der Baumarktware unterscheiden und so nicht ohne Weiteres im Internet vergleichbar sind. Das ermöglicht dem Elektrotechniker einen gewissen Schutzbereich. Zwei, drei gute Großhandelspartner könnten also von uns profitieren. Aber nicht zu jedem Preis!
Dörrschuck: In den langen Jahren, in denen Kopp in Österreich tätig ist, wurden meines Erachtens manche strategische Weichen falsch gestellt, bzw. die Zeichen der Zeit verpasst. Wie auch immer, das gehört der Vergangenheit an. Wir sind überzeugt, mit der neuen Strategie, aufgrund unserer Kompetenz und einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur erfolgreich zu sein.

Ganz großes Thema zur Zeit ist der Umgang der Branche mit dem Internethandel auf Plattformen wie Amazon und Co.
Dörrschuck: Das ist eine entscheidende Frage: Wo geht es in Zukunft hin? Wird der Elektrotechniker zum reinen Dienstleister? Wird »do it yourself« zum »buy it yourself«? Das Internet hat nicht nur die Chance gebracht, Transparenz in den Markt zu bringen, sondern auch Unternehmen wie Kopp wieder vermehrt am Markt teilnehmen zu lassen. Denn damit werden die Leute erreicht, die entscheiden, welche Produkte eingebaut werden. Heute ist das noch der Elektroinstallateur, der einem in der Regel eine limitierte Auswahl ihm liebgewonnener Produkte zeigt. Morgen wird das der Endverbraucher bzw. der Konsument sein, der bestens informiert klare Anforderungen an das Produkt stellt. Je besser man dann insbesondere im Internet zu finden ist, je besser man dann vernetzt ist, desto attraktiver werden wir für den Entscheider, desto mehr Geschäft wird man machen können. Die Frage ist nur, wie lange dieser Veränderungsprozess, diese Evolution wie ich sie nenne, dauern wird.

Kopp sucht also auch aktiv den Weg zum Konsumenten?
Heidenreich: Ja. Wir sind schon vor einiger Zeit beispielsweise zu einem der größten Fertigteilhäuser-Anbieter Österreichs gegangen und haben angeboten, einen Schauraum zu gestalten, um dem Kunden eine bessere Auswahl bieten zu können. Das hat aber leider noch nicht geklappt, da die Strukturen zu festgefahren sind. Das Baugewerk ist einfach extrem traditionell. Wer heute beispielsweise auf dem Land ein Haus baut, hat üblicherweise einen Stammelektriker und der hat sein Sortiment, das er verbaut. Da gibt es keine große Bandbreite. Unser Ansatz ist es, dem Kunden eine größere Auswahl zur Verfügung zu stellen – dort entscheidet dann der Kunde.
Dörrschuck: Was hebt einen Baumarkt heute von seiner Konkurrenz ab? Ich weiß von Baumarktketten, die heute schon zum Lösungsverkauf übergehen. Dabei wird das Material und der Einbau zum Fixpreis angeboten. Das sollte den Elektroinstallateur wachrütteln! Das kann aber auch ein Türöffner sein für diejenigen, die damit umgehen können und wollen, und die Beratung zu den im Einzelhandel gekauften Produkten anbieten.
Wir wollen und müssen mit Kopp in der oben angesprochenen Evolution mitspielen. Im Rahmen von intelligenten Kooperationen versuchen wir etwa, mehrere Aspekte, beispielsweise im Bereich des Smart Home, zusammenzupacken. Denn Lichtschalter gehören da schließlich genauso dazu. Die Kommunikation in der Öffentlichkeit wird aber durch ganz andere beherrscht – Apple, Google, Nest und wie sie alle heißen, bestimmen die Sprachen der modernen Welt. Diese geben vor, was der Konsument in Zukunft unter Smart Home und diesen Dingen verstehen wird. Damit müssen wir uns anfreunden und in diese Richtung müssen wir uns auch orientieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir in einem halben Jahr Kopp-Schalter mit Apple Home Kit schalten können. Zusätzlich bauen wir unser etabliertes FreeControl um und aus und werden es mit neuen Features und Energiestandards versehen. Dazu gehört auch ein »All for one Gateway«, das mit nahezu allen Protokollen, die am Markt üblich sind, kompatibel ist. Sie sehen also, dass wir mit Kopp noch sehr viel vorhaben!

Herr Dörrschuck, Herr Heidenreich, wir danken für das Gespräch!

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