Liegt man hilflos in einem Bett einer Health and Social Care-Einrichtung (Spital, Pflege- oder REHA-Z), dann ist 24*7 das wertvollste Hilfstool der rote Tastknopf am Patientenbedienfeld – auch liebevoll »Handgurk’n« genannt – der jeweiligen Schwesternrufanlage. Egal, ob es gerade irgendwo zwickt oder zwackt, die Infusion zu schnell oder zu langsam in den Körper tröpfelt, es zu warm oder zu kalt oder gar zu stickig im Raum ist oder bei Bettlägerigen die Natur ruft – die Pflegekraft eilt bei Auslösung des Ruftasters so rasch als möglich herbei.
Über die pflegerischen Komponenten möchte ich nur sagen, wir sind hier in Österreich mit unserem kompetenten und freundlichen Pflegepersonal gesegnet. Die arbeiten auf höchstem Niveau und unter ständiger Anspannung, aber immer zum Wohle der ihnen anvertrauten Patient*innen. Oftmals ungedankt. Immer unterbezahlt. Dies können wir (ich als Kolumnistin und Sie als Leser*in) hier und jetzt nicht ändern. Aber uns interessieren hierorts ohnedies zuerst einmal auch die technischen Komponenten.
Als Regel der Technik gilt auch in Österreich die DIN VDE 0834-1:2016-06 Rufanlagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ähnlichen Gesundheitseinrichtungen. Ich habe 2020 bereits über die Überarbeitung des Medizinproduktegesetzes geschrieben, es wurde 2021 vom Parlament verabschiedet (109/XXVII GS). Die Reform des MPG 2021 verzweigt nun nur mehr auf zwei Abschnitte (statt bisher drei), die allgemeinen Medizinprodukte sowie den Abschnitt für die In-vitro-Diagnostika, diese tritt erst mit 26.05.2022 in Kraft.
Es obliegt nämlich dem Hersteller von normkonformen Rufanlagen, ob er diese als reine Rufanlagen auf den Markt bringt, oder ob er sie als Medizinprodukt mit entsprechenden zusätzlichen Anforderungen und Regelungen hinsichtlich MPG 2021 sowie Betreiberverordnungen (wie z. B. Bestandskartei, Gerätedatei, wiederkehrenden Prüfungen) zu vertreiben gedenkt. In einer Justizanstalt wird die Rufanlage samt verschärfter Regelung rein nach MPG 2021 wohl keinen Sinn machen, hier zählen andere Sicherungsmerkmale mehr.
Moderne Rufanlagen arbeiten auf Basis IP-Topologie. Österreichisches Beispiel Visocall IP von Schrack Seconet. Für E- & IT-Planer gibt es übrigens einen (herstellerunabhängigen!) Zertifizierungslehrgang zum Rufanlagen-Fachplaner (w/m). Details gerne auf Anfrage. Woraus besteht nun im Groben eine IP-basierte Rufanlage und was sind die Key-Benefits?
Die Grundstruktur ist entsprechend der standardisierten IP-Topologie aufgebaut. Redundante Backbone-Switches-Linkverbindungen werden via LWL an die Etagen-Switches angebunden. Die Etagenverteilung erfolgt (im Idealfall von eigenen 19“-Racks, Patchfelder, SWI9 4fach-Minihubs [über 6 HE/19“-Halterung können bis zu 8 SWI9 vertikal nebeneinander montiert werden]) über Tertiärverkabelung bis zur Bettenschiene für den Anschluss des Patientenbedienfelds mit Schwestern-/Ärztinnen-Ruftaster. Zusatzfunktionen können sein die direkte Lichtsteuerung beim Pflegebett und die Steuerung und Bedienung des Radio- und TV- und gegebenenfalls eines optionalen Infotainment-Contents. Die Einspeisung entsprechender Contents erfolgt 1 x (+ Redundanz) via Multimediacontrollers im Backbone-Switch und ist autark vom reinen Schwesternruf sauber entkoppelt.
Die Patient*innen können somit bequem via multifunktionalem Patientenbedienfeld neben der klassischen Aufgabe auch ihr Radio-/TV-Programm suchen, Lautstärke regulieren und via Standardkopfhörer (Standard-Buchse im Patientenbedienfeld vorhanden) ihre Lieblingssendungen empfangen oder jeden von der Gesundheitseinrichtung bereitgestellten Content abrufen. Diese Contents können sein: Übertragungen aus Andachtsräumen, Gebets-/Meditationsrunden, Informationsvideos zu bevorstehenden Untersuchungen, Behandlungen, OPs und/oder Diätpläne, Diätkochtipps, Stillberatung, Übungen aus der Physiotherapie und zur Re-Mobilisierung und vieles mehr.
Es ist dabei völlig ohne Belang, ob IP-Radio/TV/Content via Bedside-Terminal am Schwenkarm oder über fix montierte TV-Geräte (via Wand- oder Decken-Pendel-Montage) zur Verfügung gestellt wird.
Ebenfalls über die IP-Topologie angesteuert wird das Zimmerterminal. Das Terminal dient zusätzlich zur Anwesenheitsanzeige bzw. Anwesenheitsquittierung beim Verlassen des Patientenzimmers als Kommunikationseinheit in Form einer Freisprecheinrichtung des Personals in Patientenzimmern und anderen Räumen mit z. B. dem Stützpunkt. Somit laufen alle relevanten Informationen in sämtlichen Bereichen sowie eine korrekte umfangreiche Ruf-/Notruffunktions-Abwicklung nach Norm (ÖVE/DIN VDE 0834) einer Station über eine bewährte Kommunikationsplattform aus entsprechender vielfach bewährter Hard- und Software.
Diese Kommunikationsplattform ermöglicht über das Staff-Terminal am Stationsstützpunkt einerseits den Überblick über die aktuelle Rufsituation an der Station. Andererseits ermöglicht die leichte Bedienbarkeit bei power-voller Funktionalität viele Dienste, welche den Stationsalltag erleichtern. Als Beispiel sei die Rufweiterleitung genannt, welche es ermöglicht, z. B. in Nachtdiensten eine erweiterte Erreichbarkeit und Flexibilität der Pflegekräfte und Ärzt*innen zu erhalten.
Die übrigen einfachen Komponenten einer Rufanlage, wie z. B. die Zugtaster in Nassräumen (Dusche, Bad, WC-Anlagen, Behinderten-WC-Anlagen), werden nach wie vor klassisch via Busverkabelung eingebunden.
Was sich hier so einfach liest, bedarf aber einer umfassenden und frühzeitigen Planung, weil es diesbezüglich Schnittstellen zu beachten gilt, die üblicherweise in anderen Planungskreisen bearbeitet werden. Die übergreifende Schnittstellenkoordination ist daher ein entsprechendes Know-how voraussetzendes Spezialgebiet, das nur wenige abdecken können, gilt es doch, ELA, BMA, Fluchtwegs- und Evakuierungswege, Telefonanlagen, Rufnummernkreise, Zutrittskontrollpunkte und Alarmierungsszenarien etc. mit in diese Planungen einzubeziehen. Dies gilt nicht nur für Health and Social Care-Einrichtungen sondern auch und speziell für Justizanstalten.
Wie immer freue ich mich auf Ihr Feedback, Ihren Input und stehe für Fragen sowie Details jederzeit sehr gerne zur Verfügung – zwischenzeitlich bitte xund bleiben oder wieder rasch und vollständig werden!
Herzlich, Ihre
Rudolfine Zachbauer-Zick
techART e.U.
Hetzendorfer Straße 103/2/19, 1120 Wien / +43664 413 4771 / rzz@techart.co.at