EY-Studie: 

ESG-Kriterien und ihre Rolle in einer performanceorientierten Vergütung

von Sandra Eisner
Foto: © EY

Die Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Unternehmen erkennen zunehmend die Notwendigkeit, verantwortungsvolle Maßnahmen zu setzen, um den steigenden Erwartungen von Investor:innen, Kund:innen, Mitarbeiter:innen und der Gesellschaft gerecht zu werden. Ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung ist die kommende Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Unternehmen in der Europäischen Union dazu verpflichtet, detaillierte Informationen zu ihren Aktivitäten im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung offenzulegen. Heuer sind es bereits rund 2.000 Unternehmen in Österreich, die im Jahr 2025 der CSRD zufolge einen Nachhaltigkeitsbericht über das Geschäftsjahr 2024 erstellen müssen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum nachhaltige Unternehmenspraktiken in vielen Firmen bereits einen hohen Stellenwert einnehmen. Gesamt erachten vier von zehn Unternehmensvertreter:innen (39 %) diese Kriterien im eigenen Betrieb als sehr wichtig und weitere 53 Prozent schreiben ihnen einen eher hohen Stellenwert zu – das sind insgesamt 92 Prozent. Zwar gibt es Unterschiede zwischen den Branchen, doch insgesamt zeigt sich eine breite Akzeptanz: Im Handel bewerten sechs von zehn Betrieben (60 %) den Stellenwert von ESG-Kriterien als sehr hoch, weitere 40 Prozent als eher hoch. Im Gewerbe sehen 33 Prozent einen sehr hohen und 59 Prozent einen eher hohen Stellenwert für ESG-Kriterien.

Je umsatzstärker die Unternehmen, desto höher der ESG-Stellenwert

Deutlich erkennbar ist der Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien. Je umsatzstärker das Unternehmen, desto wichtiger werden diese Aspekte. Während bei Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro nur 32 Prozent der Befragten ESG-Kriterien einen sehr hohen Stellenwert zuschreiben, steigt dieser Wert bei Unternehmen mit einem Umsatz von über 200 Millionen Euro auf knapp die Hälfte (47 %). Dies überrascht insoweit nicht, als größere Unternehmen aufgrund der größeren öffentlichen Wahrnehmung und der in der Regel strengeren regulatorischen Anforderungen diesbezüglich nicht nur stärker gefordert sind, sondern aufgrund ihrer Ressourcen auch eher in der Lage sind, sich auf den Bereich ESG zu fokussieren. Die zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien in der Unternehmenslandschaft ist somit nicht nur ein Spiegelbild gesellschaftlicher Erwartungen, sondern auch ein Resultat der zunehmenden regulatorischen Anforderungen seitens regulatorischer Instanzen in Österreich und der EU, denen aktuell größere Unternehmen mehr Aufmerksamkeit zuwenden.

Das sind die Ergebnisse einer Studie der Beratungs- und Prüfungsorganisation EY zur Verankerung von ESG-Kriterien und diesbezüglicher Maßnahmen bei heimischen Unternehmen. Das Augenmerk lag auf der konkreten Erhebung von ESG-Maßnahmen als Kernbestandteil der Unternehmensstrategie und insbesondere, inwieweit sich dies auch bereits in der Vergütungspolitik der Unternehmen wiederfindet. Dafür wurden 100 Unternehmensvertreter:innen von Betrieben mit mehr als 100 Mitarbeitenden unterschiedlicher Branchen sowie Größen in Österreich im Juli 2024 befragt.

„Diese Ergebnisse spiegeln auch den Trend der letzten Jahre wider, in denen Nachhaltigkeit zwar unternehmensstrategisch weiter an Bedeutung gewonnen hat, hinsichtlich der Verankerung von ESG-Kriterien in der Performancebeurteilung allerdings auch weiterhin Aufholbedarf besteht. Vor allem jüngere (potenzielle) Arbeitnehmer:innen fordern messbare Maßnahmen, und somit ein zukunftsfittes Employer Branding mit Fokus auf ESG. Konkret sind Arbeitgeber:innen angehalten die Zeit zu nutzen, das eigene Vergütungssystem hinsichtlich der sinnvollen Integration von ESG-Kriterien zu hinterfragen, unternehmensspezifische und relevante KPIs zu definieren und zu gewichten, um auch die Vergütung mit den strategischen ESG-Zielen im Einklang zu bringen. So werden die richtigen Anreize gesetzt, um neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen und die bestehenden Leistungsträger:innen längerfristig an das Unternehmen zu binden“, erläutert Herwig Debriacher, Partner bei EY Österreich im Bereich People Advisory Services and Reward (am Titelbild).

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Wie Unternehmen ESG-Ziele umsetzen

Ein genauerer Blick auf die ESG-Kriterien zeigt, dass Umweltaspekte bei den befragten Unternehmen deutlich im Vordergrund stehen. Drei Viertel der Unternehmen (74 %) geben an, dass Umweltaspekte eine zentrale Rolle in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie spielen, wobei dieser Wert mit steigendem Umsatzvolumen noch zunimmt. Unter den Unternehmen mit einem Umsatz von über 200 Millionen Euro fokussieren sich sogar 94 Prozent auf Umweltaspekte. Die Implementierung von ESG-Zielen variiert stark zwischen den Unternehmen. In 56 Prozent der Unternehmen werden bereits messbare Ziele im Bereich Umwelt festgesetzt und evaluiert, während ein Viertel der Unternehmen dies zumindest geplant hat. In 17 Prozent der Unternehmen existieren weder feste Ziele noch ist deren Einführung geplant.

Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch bei den Social- und Governance-Zielen: In über der Hälfte der Unternehmen (54 %) sind bereits messbare Ziele in beiden Bereichen vorhanden, und in jeweils einem Fünftel (Social: 20 %, Governance: 21 %) ist geplant, diese einzuführen. Der Anteil der Unternehmen, die weder Ziele festgesetzt noch geplant haben, liegt jedoch bei fast einem Viertel (beide Bereiche je 23 %). Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit sind durch die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz jedoch Auswirkungen auf KMUs zu erwarten, die ausreichend Vorlaufzeiten benötigen, um die neuen Vorgaben ab 2026 vollständig umzusetzen. Hier haben knapp 25 Prozent der befragten Unternehmen noch Aufholbedarf.

Im Umweltbereich haben 62 Prozent der Unternehmen, die bereits Ziele definiert haben, auch Maßnahmen für ein diesbezüglich nachhaltiges Agieren in allen Unternehmensbereichen festgelegt, während sich knapp die Hälfte (48 %) auf die Reduktion klimaschädlicher Emissionen und die Herkunft der Ressourcen konzentriert. Im Bereich Social legen zwei Drittel der Unternehmen (66 %) Wert auf Inklusion und Diversität sowie Anti-Diskriminierung und 53 Prozent geben an, auf die Einhaltung der Menschenrechte über die gesamte Lieferkette hinweg zu achten. Jedes zweite Unternehmen (52 %) hat Beschäftigungsstandards eingeführt. Governance-Ziele wurden vor allem im Bereich Werte, Vision und Ethik im Unternehmen festgelegt: Hier haben 79 Prozent der Unternehmen klare Visionen und Strategien erarbeitet, die durch die Unternehmenswerte untermauert werden. 66 Prozent konzentrieren sich auf Ethik, 52 Prozent auf Compliance.

ESG unter der Lupe: Wer übernimmt die Verantwortung?

Für die Evaluierung und Bewertung der ESG-Ziele sind in den Unternehmen für die unterschiedlichen ESG-Kriterien unterschiedliche Abteilungen und Verantwortliche zuständig. In 3 von 10 Unternehmen ist die Evaluierung Chefsache, in jedem fünften Unternehmen (21 %) ist die eigene Nachhaltigkeitsabteilung dafür zuständig, in 17 Prozent das Qualitätsmanagement. Mitarbeiterbefragungen und interne Audits sind häufig genutzte Methoden zur Evaluierung von Social- und Governance-Zielen. Wenig überraschend ist in den befragten Großunternehmen die HR-Abteilung maßgeblich für die ESG-Dimension Social zuständig (41 %), bei Governance ist zu 56 Prozent die Geschäftsführung zuständig.

Die Gründe, warum Nachhaltigkeitsziele in einigen Unternehmen noch nicht festgesetzt wurden bzw. nur untergeordnete Bedeutung haben, sind vielfältig. Im Bereich Umwelt nannten Unternehmen unter anderem, dass sie keine Notwendigkeit sehen oder dazu nicht verpflichtet sind, solche Ziele zu definieren. Auch fehlen oft Ressourcen oder es gibt keinen Verantwortlichen für die Implementierung dieser Ziele. Im Bereich Social ist die häufigste Begründung, dass der aktuelle Sozialstandard ausreichend sei oder dass es keine gesetzliche Vorgabe für solche Ziele gibt. Im Bereich Governance wird häufig argumentiert, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichend sind oder die Zuständigkeiten fehlen.

Jedes fünfte Unternehmen berücksichtigt ESG-Ziele in der Vergütung

Während die Zuständigkeit und Evaluierung von ESG-Zielen in vielen Unternehmen noch nicht eindeutig geklärt ist und teils mit Herausforderungen einhergeht, zeigt sich eine weitere Hürde bei der Integration dieser Ziele in der Performance-Bewertung und Vergütungspolitik. Diese sollen Mitarbeitende dazu motivieren, die unternehmerischen Nachhaltigkeitsziele aktiv zu unterstützen. Das stellt jedoch Unternehmen vor die Herausforderung, einerseits klare und messbare Vorgaben zu definieren und diese in der Folge fair in der Leistungsbewertung zu berücksichtigen.

Obwohl sich die Häufigkeit von ESG-Zielen in der Vergütungspolitik seit 2018 fast verdreifacht hat, werden diese Kriterien in der Performance-Bewertung von Mitarbeitenden bislang immer noch nur in jedem fünften Unternehmen berücksichtigt. Während 22 Prozent der Unternehmen ESG-Ziele in ihr Entlohnungssystem integriert haben, planen dies weitere zehn Prozent fest ein. Ein Großteil der Unternehmen (64 %) sieht jedoch auch aktuell noch keine Notwendigkeit für eine Integration in diesem Bereich. Gründe dafür sind unter anderem, dass die Erreichung von nachhaltigen Zielen als zu schwierig zu bewerten gilt oder dass dies nicht als Aufgabe der Mitarbeitenden gesehen wird.

Gleicher Lohn, gleiche Chancen: 6 von 10 Unternehmen treffen Maßnahmen für gleichberechtigte Vergütung

Die Auseinandersetzung mit fairer Vergütung führt zu einem weiteren ESG-Aspekt. Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz, die bis 7. Juni 2026 in Österreich in nationales Recht umzusetzen ist, hat viele Unternehmen dazu veranlasst, bereits jetzt Maßnahmen zur Verhinderung geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede zu ergreifen. In knapp sechs von zehn Unternehmen (56 %) gibt es bereits Maßnahmen, um den Gender Pay Gap entgegenzuwirken. Allerdings gibt es nur in einem Drittel der Großunternehmen (32 %) Maßnahmen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Das zeigt, dass in vielen Unternehmen noch Verbesserungspotenzial besteht, um eine faire und gleichberechtigte Vergütung zu gewährleisten.

„Da Frauen in der EU nach wie vor für gleiche oder gleichwertige Arbeit durchschnittlich 13 Prozent weniger als Männer verdienen, ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz essenziell, um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu beseitigen. Je früher Arbeitgeber sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, desto besser. Einerseits kann der diesbezüglich erforderliche Ressourceneinsatz vorausschauend besser geplant werden, andererseits geht damit eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität am Arbeitsmarkt einher“, so Rainer Rainer, Senior Manager bei EY Österreich im Bereich People Advisory Services and Reward, abschließend.

Weiter Informationen auf: www.ey.com/at

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