Aber auch externe Unternehmen nutzen zunehmend die Möglichkeiten, die sich durch eine solche geballte Konzentration von Spitzentechnologie ergeben. Höchste Zeit also für uns, der BULME einen Besuch abzustatten, um uns vor Ort ein Bild zu machen.
Die höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Graz-Gösting, oder auch BULME genannt – wobei dieses Akronym für Bundeslehranstalt für Maschinenbau und Elektrotechnik steht – bietet die Fachrichtungen Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik, Elektronik und Technische Informatik, Maschinenbau und Mechatronik. Im neuen Lehrplan spielt nun auch das Thema Erneuerbare Energie eine wesentliche Rolle. Die Herausforderung, die sich die Fachlehrer dadurch selbst stellten, war: Wie realisiert man dieses Thema im fachpraktischen Unterricht? Wie macht man die Materie, abseits vom Laborbetrieb, wirklich begreiflich? Aus dieser Fragestellung entstand 2013 die Idee, ein kleines Dorf zu kreieren, in dem alle erneuerbaren Energieträger in Funktion untergebracht sind, an denen die Schüler nach Herzenslust basteln, schrauben und programmieren können. Ein Jahr später ging das Projekt unter dem Namen »Green Village« dann in Betrieb. Doch womit richtet man dieses ehrgeizige Projekt ein, wenn die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel mehr als begrenzt sind? Durch gute Kontakte und viel Laufarbeit ist es schließlich gelungen, über 80 Unternehmen davon zu überzeugen, ihre Produkte zur Verfügung zu stellen. Gekauft wurde praktisch nur die Infrastruktur, wie die drei Container, die nun als »Häuser« des »grünen Dorfes« dienen, und Kleinmaterial. „Anfangs war es gar nicht so einfach, Firmen von unserem Vorhaben zu überzeugen. Die langjährigen Kontakte von Fachlehrer Ing. Wilfried Weigend BEd, aus seinem Arbeitsleben vor seiner Lehrtätigkeit, halfen aber, das Projekt in Schwung zu bringen. Als die Unternehmen dann bemerkt haben, welche Vorteile sich durch ihre Mitarbeit ergeben und immer mehr aufsprangen, waren schließlich auch viele dabei, die anfangs skeptisch reagierten“, erzählt uns WL Ing. Rupert Windisch BEd, einer der Mitinitiatoren des Projektes, bei unserem Besuch in der BULME.
Mehrwert
Diese Vorteile stellten sich schnell ein, denn das Green Village hat in seinen rund eineinhalb Jahren Bestand schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. So gab es bereits Fernsehbeiträge, beispielsweise im ORF-Konsumentenmagazin Konkret und eine Nominierung für den Österreichischen Klimaschutzpreis 2015. Auch in diverse Printmedien hat es das Green Village bereits geschafft. Nicht zu vernachlässigen, ist aber auch die Wirkung auf die Schüler selbst. „Wir haben rund 2.700 Schüler, von denen rund 600 einen unmittelbaren Bezug, insgesamt aber sicher mehr als 1.800 die Möglichkeit haben, im Green Village zu arbeiten“, rechnet WL Windisch vor. Das sind eine Menge junger Menschen, die so Produkte unterschiedlicher Hersteller kennenlernen, die sie in Zukunft vielleicht wieder verwenden wollen.
„Die Herausforderung bestand nun darin, die relativ kurze Lehrzeit, die uns zur Verfügung steht, optimal zu nutzen, um unseren Schülern das Bestmögliche mitzugeben“, so Windisch weiter. Elektrotechnikern wird an der BULME nun ein Paket geboten, bei dem sie alles rund um die Erneuerbaren Energien kennenlernen, aber auch mit Aspekten der Heizung oder Wärmepumpe in Berührung kommen. Doch nicht nur Elektrotechniker können vom Green Village profitieren. „Man weiß schließlich nie, wohin es einen im späteren Leben hin verschlägt. Auch Maschinenbauer können in ihrem zukünftigen Arbeitsleben beispielsweise mit der Windenergie zu tun bekommen – und schon hat man einen Vorteil, mit dem Thema Erneuerbare Energien bereits gearbeitet zu haben“, versichert WL Windisch.
Das Dorf an der Schule
Auf dem Schulgelände stehen nun also drei Container und mehrere Reihen Photovoltaikmodule verschiedener Ausführungen und Hersteller. In den drei Containern sind die dazugehörigen Technologien untergebracht. Heizungsrohre, Wärmepumpen, Infrarotpaneele und ganze Reihen von Wechselrichter stehen darin bereit zur Ansicht, Bearbeitung oder Messung. Alles ist einsatzbereit, im ständigen Auf- oder Abbau begriffen und vernetzbar, denn die Integration, zumeist auf Basis von KNX, in ein Smart Home und eine anschließende Visualisierung sind wesentliche Bestandteile des Ausbildungszieles. „Nichts liegt irgendwo herum und verstaubt. Es ist wirklich alles aufgebaut und in Funktion. Auch wird darauf Wert gelegt, dass immer die neuesten Produkte zum Einsatz kommen. Sonst würden wir den Stand der Technik aus den Augen verlieren und innerhalb weniger Jahre ein Museum betreiben“, bekräftigt Wilfried Weigend. Damit das auch so bleibt, muss der regelmäßige Kontakt zu den Firmen gehalten werden, erklärt uns der Fachlehrer. „Durch die laufenden Gespräche bleibt man am Puls der Zeit und kann Trends mitverfolgen.“
Die Anordnung der PV-Module ermöglicht es aber auch, zu experimentieren und bewusste Fehler in den Anlagen zu provozieren. „Wir wurden großzügig mit Messgeräten und Wärmebildkameras ausgestattet, die es erlauben Schäden, wie gebrochene Zellen, Verschattungen oder dergleichen, anschaulich zu machen. Man lernt schließlich am meisten aus Fehlern. Wenn man immer nur gute Anlagen vor sich hat und immer die richtigen Messergebnisse erhält, lernt man die Bedeutung und Auswirkungen von Fehlern oder Schäden nicht kennen.“
Willkommener Ausbildungsplatz
Das Green Village sorgt aber auch dafür, dass das Renommee der BULME sich laufend verbessert, denn die Aufmerksamkeit auf die technische Lehranstalt wird immer größer. Auf einem Neubau in der Nähe der BULME soll zum Beispiel eine PV-Anlage errichtet werden. Der Planer des Projekts kam auf die Schule zu und fragte um Lösungsvorschläge an. Nun sind die Schüler am Zug und tüfteln in einem Projektwettbewerb die beste Lösung aus, die dann, aller Voraussicht nach, auch umgesetzt wird. Realitätsbezogener kann praktischer Unterricht nicht sein. Auch international hat das Green Village bereits Beachtung und Nachahmer gefunden – zum Zeitpunkt unseres Besuchs war beispielsweise gerade eine französische Delegation auf Lokalaugenschein in der Schule.
Damit das Green Village auch in den Ferienmonaten betrieben wird, nutzen mittlerweile auch bereits einige Firmen die Gelegenheit, ihre Mitarbeiter oder Kunden an den verschiedenen technischen Einrichtungen zu schulen. „Diese Anordnung der verschiedenen Technologien und Produkte gibt es bislang kein zweites Mal in Österreich. Viele Firmen nutzen diese Möglichkeit zur Ausbildung und Netzbetreiber testen bei uns die Auswirkungen Erneuerbarer Energieformen auf das Netz. Auch die PVA hat im Zuge ihrer TÜV-Ausbildung drei Tage im Green Village vorgesehen“, berichtet uns Wilfried Weigend nicht ohne Stolz.
Stolz, der durchaus berechtigt ist, denn „letztlich geht es uns darum“, beschreibt Weigend, „unsere Schüler für das Thema Erneuerbare Energie zu begeistern und ihnen die Möglichkeiten der Energiewende in die Hand zu geben. Wir wollen ihnen klar machen, dass der Umgang mit erneuerbaren Energieformen etwas Spannendes, Aufregendes und absolut Notwendiges ist! Die Absolventen unserer Schule steigen in der Regel in der mittleren Führungsebene ein – als Planer, Projektmanager, im technischen Verkauf oder dergleichen. Sie werden dort sehr wahrscheinlich zwar keinen Schraubenzieher mehr in die Hand nehmen, aber sie wissen Bescheid. Wir wollen unseren Schülern in der relativ kurzen Zeit, die sie hier sind, Weitblick vermitteln. Die Schüler von heute sind schließlich die Entscheidungsträger von morgen und wer soll die Energiewende letztlich leben, wenn nicht sie?!“