eMokon 2025 – das Podium zum Thema Laden:

„Die Zukunft lädt in beide Richtungen“

von Nakisa Kaltenbach
von von Thomas Buchbauer – Recherche, Konzept und Kuration Foto: © www.i-magazin.com

Auf der eMokon in Teesdorf bei Wien verdichtete sich eine Podiumsdiskussion zu einem Lehrstück über den Stand der Elektromobilität. BVe-Vorstandsvorsitzender und Moderator Helmut-Klaus Schimany zeigte gemeinsam mit sieben Experten, wo die Branche heute steht – und was sie morgen können muss. Zwischen Investitionssicherheit, öffentlichem Raum, Ladehubs, Wohnbau und bidirektionalem Laden griffen ihre Argumente wie Zahnräder ineinander. Am Ende blieb die klare Botschaft: Nicht warten, sondern handeln.

Es ist eine dieser Szenen, die sich einprägen: Auf der Bühne sitzt Helmut-Klaus Schimany gemeinsam mit sieben Experten, jeder tief verwurzelt in seinem Fachgebiet – sie reden nicht in Schlagworten, sondern in Systemen. Die eMokon hat sich längst als Treffpunkt der Elektromobilität etabliert, doch selten wurde so spürbar, wie stark Technik, Politik und Markt ineinander verschränkt sind.

„Die Weichen sind gestellt, Elektromobilität wird kommen – und sie ist schon da“, eröffnete Wolfgang Baumgartner vom BVe die Diskussion mit seinem Impulsvortrag. Doch statt in allgemeiner Euphorie zu schwelgen, legte er sofort die Finger auf die wunden Punkte: Netze, Cybersecurity, Standardisierung. Was folgte, war kein loses Nebeneinander von Meinungen, sondern ein Gespräch, in dem sich Gedanken ergänzten, widersprachen und wieder aufgriffen – wie Zahnräder, die ineinandergreifen und gemeinsam ein komplexes Uhrwerk in Bewegung setzen.

Investitionssicherheit – ein relativer Begriff

Schnell war klar: Das Schlagwort „Investitionssicherheit“ ist in der Elektromobilität ein bewegliches Ziel. Baumgartner zeichnete die Entwicklung vom simplen „Strom aus der Steckdose“ hin zu komplexem Lastmanagement. Entscheidend sind grundsätzlich die Themen: „Wo, wer, was soll auf der Ladestation geschehen“. Partikulare Sichtweise bringt heute nichts mehr. Bereits jetzt müsse jede Anlage in ein Gesamtsystem eingebettet sein – von dynamischen Tarifen bis zu Sicherheitsfragen.

Genau hier knüpfte auch Markus Essbüchl von Schrack Technik Energie an. Während Baumgartner die technische Evolution skizzierte, stellte er die Frage nach der eigentlichen Wertschöpfung. „Die Ladestation selbst ist nicht mehr der Star. Star ist das Energiemanagement, die Intelligenz und die Schnittstellenfähigkeit.“ Sein Punkt: Nur wer in Plattformen investiert, statt in isolierte Hardware, wird langfristig bestehen. Qualität, Updatefähigkeit und Kommunikationsfähigkeit seien Pflicht. „Billig gekauft ist dann oft auch mal teuer bezahlt.“

Damit öffnete Essbüchl auch die Tür für die nüchterne Ergänzung von Gerald Stiepan (Phoenix Contact), der das Thema aus der Systemperspektive betrachtete. „Investitionssicherheit zu hundert Prozent gibt es nie“, stellte er klar. Entscheidend sei, welche Systeme skalierbar und interoperabel sind. Nur dann könne man sicher sein, dass Ladepunkte auch in zehn Jahren noch Teil des Netzwerks sind. Stiepan verwies auf die All Electric Society: Mobilität sei nur ein Hebel in einer viel größeren Transformation, in der Cybersecurity genauso wichtig sei wie Kupferkabel.

So wurde deutlich: Baumgartner blickte auf die Technik, Essbüchl auf das Geschäftsmodell, Stiepan auf das System. Zusammen ergab sich ein Bild, in dem Investitionssicherheit nicht durch einzelne Geräte entsteht, sondern durch die Fähigkeit, alles miteinander zu vernetzen.

Öffentlicher Raum: fair, aber begrenzt

Von hier war es nur ein kleiner Schritt zum nächsten Thema – denn was nützt die beste Hardware, wenn es an Platz mangelt? Die Diskussion wanderte in den öffentlichen Raum, dorthin, wo Elektromobilität auf die harte Realität der Städte trifft.

David Berger von Wien Energie sprach eine unbequeme Wahrheit aus: „Es gibt keine Exklusivität.“ Kein Geschäftsführer kann auf einen Ladepunkt vor der Haustür bestehen, kein Betrieb auf ein Dauerrecht im Straßenraum. Der öffentliche Raum gehöre allen – und müsse allen dienen.

Die aktuelle Dimension in der Bundeshauptstadt ist beeindruckend: 1,3 Millionen Ladevorgänge verzeichnete Wien Energie im Vorjahr, über 28 Gigawattstunden Strom flossen durch die Säulen. Besonders die Taxis treiben den Hochlauf – denn seit Anfang 2025 dürfen in Wien keine Verbrennermodelle mehr für das Taxigewerbe zugelassen werden.

Doch während Berger auf die Fairness pochte, öffneten andere Stimmen den Blick für die Details. Ladezonen für kleine Installationsbetriebe, die keinen eigenen Standort haben? Pilotprojekte laufen. Aber auch hier gilt: „Es muss Konzepte geben, die sicherstellen, dass gerade diese Unternehmen nicht durchs Raster fallen“, so Berger.

Stiepan ergänzte dahingehend, Nutzerfreundlichkeit sei der Schlüssel: Nur wenn Laden einfach und verlässlich funktioniert, wird es akzeptiert. Korbinian Kasinger von kW-Solutions wiederum erinnerte: „Am Ende zählt, dass die Menschen Erfahrungen machen – und merken, dass es funktioniert.“

So griffen die Stimmen erneut ineinander: Berger betonte die Gerechtigkeit, Stiepan die Sicherheit, Kasinger die Akzeptanz. Zusammen ergab sich die Erkenntnis: Der öffentliche Raum ist nicht nur eine Fläche, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen.

Die großen Räder: Ladehubs mit Megawatt-Power

Von der Enge der Stadt führte die Diskussion auf die Weite der Autobahnen – dorthin, wo Lkw, Busse und Pkw im Transit sind und wo Ladeinfrastruktur ganz andere Dimensionen braucht.

Kurt Portschy von der Asfinag schilderte die Pläne: Alle 60 Kilometer sollen Ladehubs entstehen, ausgestattet mit Netzzugängen bis zu 12,5 Megawatt pro Standort. „Das ist gewaltig“, sagte er, „aber notwendig, um den Hochlauf von Lkw und Bussen abzusichern.“

Erste Musteranlagen wie Roggendorf und Hausruck sind Realität. 400-kW-Lader für Lkw, getrennte Bereiche für Overnight- und Schnellladen, ausreichend Rangiermöglichkeiten für die großen Fahrzeuge, dazu Serviceangebote von Duschen bis Fitnessbereiche. „Das ist der Rastplatz der Zukunft“, so Portschy.

Doch auch hier zeigte sich das Ineinandergreifen der Argumente: Während Portschy die Dimensionen skizzierte, erinnerte Baumgartner daran, dass höhere Leistungen massive Investitionen bedeuten – und diese sich zwangsläufig in den Ladepreisen widerspiegeln werden. Essbüchl wiederum ergänzte, dass solche Hubs nur dann wirtschaftlich funktionieren, wenn sie in Plattformen eingebettet sind, die auch künftige Standards erfüllen. Und Stiepan warnte, dass Megawatt-Leistungen ohne Cybersecurity neue Angriffsflächen schaffen.

So verband sich das große Rad der Autobahnen mit den kleineren Rädern von Technik, Wirtschaft und Sicherheit.

Die kleinen Räder: Mehrparteienhäuser als Nadelöhr

Von den Autobahnen kehrte die Diskussion zurück in die Alltagswelt der Städte – und in die Tiefgaragen von Mehrparteienhäusern. Zwei Drittel der Bevölkerung leben in solchen Strukturen, und hier entscheidet sich, ob Elektromobilität massentauglich wird.

Korbinian Kasinger schilderte die Praxis: „Wenn wir Liegenschaften im Streubesitz bearbeiten, haben wir von zehn Eigentümer immer zwei, die dagegen sind – und dann scheitert das Projekt.“ Leichter sei es bei Neubauten oder wenn eine Liegenschaft in einer Hand liegt.

Doch regulatorisch gebe es längst Lösungen: das „Right to Plug“, das jedem Eigentümer erlaubt, eine Ladestation zu errichten, oder gemeinschaftliche Anlagen, die netztechnisch korrespondieren. Die Stadt Wien geht noch weiter: Laut Garagengesetz muss jeder zehnte Stellplatz in Neubauten mit einem Ladepunkt ausgestattet werden.

Und das Potenzial ist enorm: Schließlich steht ein Auto im Durchschnitt 12 bis 16 Stunden pro Tag – Zeit, die genutzt werden kann, um Strom dann zu beziehen, wenn er günstig und erneuerbar verfügbar ist. „Das ist keine Utopie, das ist Realität“, betonte Kasinger.

Hier griff Berger wieder ins Rad: Je besser Menschen zu Hause oder am Arbeitsplatz laden können, desto weniger Druck entsteht im öffentlichen Raum. Und Baumgartner ergänzte: Solche Modelle entlasten nicht nur Nutzer, sondern auch Netze.

So zeigte sich: Die kleinen Räder im Wohnbau sind ebenso entscheidend wie die großen Räder der Autobahnen – und beide greifen ineinander.

Bidirektionales Laden: kurz vor dem Durchbruch

Spätestens hier führte die Diskussion ins Herzstück der Zukunft: das bidirektionale Laden. Seit Jahren angekündigt, nun kurz vor der Umsetzung (das i-Magazin und SmartGyver berichteten darüber im Detail in den letzten Monaten).

Kurt Leonhartsberger von der V2G Allianz Österreich sprach den Zuhörern Mut zu und ist sich gleichzeitig sicher: „2026 gibt es marktreife Lösungen, die jeder kaufen kann“, erklärte er. BMW, Mercedes, VW – sie alle haben entsprechende Produkte angekündigt, konkrete Preise sind schon einsehbar.

Doch Leonhartsberger warnte: Technik allein reicht nicht. „Ich mache mir Sorgen, dass wir irgendwann die Technik haben – und dann sagen alle: Das geht ja nicht, weil …“ Dieses „weil“ umfasst steuerliche Fragen, Leasingverträge, fehlende Schnittstellen. Themen, die von der V2G Allianz Österreich aufgegriffen und zu Lösungen weiterentwickelt werden, die Politik, Industrie und Nutzer gleichermaßen voranbringen sollen.

Stiepan griff daraufhin ein weiteres heißes Eisen auf: Proprietäre Systeme, bei denen Auto und Ladestation nur innerhalb einer Marke kommunizieren, seien Sackgassen. Und Essbüchl ergänzte: Ohne Updatefähigkeit und Normung werde jede Lösung schnell wertlos. Woraufhin Baumgartner noch einmal erinnerte: „Schließlich soll das Auto ein flexibler Speicher auf Rädern werden.“

Damit schloss sich der Kreis: Von der Frage der Investitionssicherheit über Fairness im öffentlichen Raum, von Megawatt-Hubs bis zu Wohnbau-Garagen – überall läuft es auf die Fähigkeit hinaus, Energie nicht nur zu laden, sondern auch zurückzugeben.

Nicht warten – handeln

Die Podiumsdiskussion spannte den Bogen von Autobahnrastplätzen bis Tiefgaragen, von Cybersecurity bis Tarifmodellen. Was blieb, war ein gemeinsamer Tenor: Technik ist belastbar und bereit. Die derzeit geltende Normung, die Regulierung, das Service und die Akzeptanz spiegelt eine aktuelle Realität wieder und funktioniert. Aber für die nächsten Schritte, V2H und V2G – da muss in der Normung und in der Fiskalisierung nochmals „angetaucht“ werden.

„Der richtige Zeitpunkt, um auf Elektromobilität umzusteigen, ist jetzt“, fasste Leonhartsberger zusammen. Warten auf die perfekte Lösung sei ein Fehler. Wer heute in ein intelligentes Lademanagement investiert, könne morgen auch bidirektional profitieren.

Oder, wie Stiepan es formulierte: „Wir leben in einer schnellen Welt. Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Aber wir können uns die Rahmenbedingungen schaffen, die wir brauchen.“

Am Ende wirkten die sieben Stimmen wie ein präzises Uhrwerk. Jedes Zahnrad drehte das nächste, mal mit Widerstand, mal mit Schwung. Und genau das war die Botschaft der eMokon: Elektromobilität funktioniert nur, wenn Technik, Politik und Nutzer ineinandergreifen – und wenn man das Rad jetzt weiterdreht.

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