Sanierung des Audimax der TU Braunschweig

Dynamische Fluchtweglenkung im Audimax Braunschweig

von David Lodahl
Foto: © Thomas Robbin architektur-bildarchiv.de

In denkmalgeschützten Gebäuden sind intelligente Lösungen gefragt, um allen Anforderungen von Brandschutz, Denkmalschutz und Architekten gerecht zu werden. Im Audimax der TU Braunschweig sorgt eine dynamische Fluchtweglenkung für Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Das Auditorium Maximum (Audimax) ist auch für die TU Braunschweig ein zentraler und identitätsstiftender Ort. Erbaut im Jahr 1961 vom Architekten und Hochschullehrer Professor Friedrich Wilhelm Kraemer zählt es zu den Leitbauten der Universitätsarchitektur nach 1945. Mit Forumsgebäude und Universitätsbibliothek bildet es das Forumsensemble, das von Krämer ganz im Stile der Architekturlehre »Braunschweiger Schule« geplant worden ist. Im Gegensatz zum scheibenförmigen Forumsbau und zur zylindrischen Bibliothek wurde das Audimax als Kubus konzipiert. Es beherbergt im Erd- und Obergeschoss das eigentliche Audimax mit 800 Sitzplätzen (Abb. 1) und in den beiden Untergeschossen einen großen Physik-Hörsaal (Abb. 2). Das ebenerdige Foyer dient gleichzeitig als Zugang und Aufenthaltsfläche.

Brandschutz versus Denkmalschutz

Nach knapp 60 Jahren Nutzungsdauer entsprach das denkmalgeschützte Audimax nicht mehr den aktuellen Anforderungen an die Sicherheit. Bei der Sanierung sollte die historische Bausubstanz möglichst vollständig erhalten und gleichzeitig die Sicherheitsanforderungen eines modernen Hörsaalgebäudes berücksichtigt werden. Diese Aufgabe war nur durch intelligente Lösungen lösbar.

Herausforderung Fluchtwege

Eine besondere Brandschutzherausforderung bestand in der Absicherung der Fluchtwege. Immerhin müssen bei vollbesetzten Hörsälen im Brandfall mehr als 1000 Menschen in möglichst kurzer Zeit ins Freie und damit in Sicherheit geleitet werden. Die baurechtlich vorgeschriebenen ersten und zweiten Rettungswege führen im Audimax über das Foyer sowie über die begehbare Dachterrasse in die Nachbargebäude (Abb. 3). Der beiden Rettungswege aus dem Physik-Hörsaal führen über das Foyer sowie über einen Flur und eine Rampe ins Freie (Abb. 4). Die baurechtlich für diesen Fall eigentlich geforderte automatische Löschanlage im Foyer ist im Audimax nicht gegeben und aus Denkmalschutz-Gründen nicht umsetzbar. Doch wenn der Weg durch das Foyer durch ein Feuer versperrt ist? Dann besteht die Gefahr, dass Flüchtende direkt in dieses Feuer geleitet werden oder zeitaufwendig einen alternativen Fluchtweg suchen müssen.

(Abb 3: Die Fluchtwege aus dem Audimax verlaufen beim Brandfall im Foyer ausschließlich über die Dachterrasse zum Nachbargebäude zur dort gekennzeichneten Fluchttür. Bild: Inotec Sicherheitstechnik)

(Abb 4: Ein Fluchtweg aus dem Physik-Hörsaal führt über ein Treppenhaus und eine Rampe aus dem 1. Untergeschoss ins Freie. Bild: Inotec Sicherheitstechnik)

Aus diesen Gründen entschied man sich für eine dynamische Fluchtweglenkung in Kombination mit einer flächendeckenden Brandmeldeanlage (BMA) und einer Sprachalarmierungsanlage. Die als Alternative in der Baugenehmigung genannte Abtrennung der Fluchtwege im Foyer durch eine brandsichere F30-Verglasung mit selbstschließenden RS-Türen wäre mit hohen Kosten verbunden gewesen und hätte zudem den offenen Charakter des Foyers empfindlich gestört.

Dynamische Fluchtweglenkung

Die dynamische Fluchtweglenkung im Audimax basiert auf richtungsveränderlichen Rettungszeichen (Abb. 5), die an die BMA gekoppelt sind. Sobald ein Melder eines Rauch- oder Brandabschnitts auslöst, wird der betroffene Bereich durch das dynamische Fluchtweglenkungssystem optisch gesperrt und von ihm weg- bzw. um ihn herumgeleitet. Aus dem Gefahrenbereich selbst wird auf kürzestem Wege heraus geleitet (Abb. 6). Im Audimax sind zwei Szenarien zu unterscheiden:

  1. Das Foyer ist begehbar
    Beide Hörsäle werden über das Foyer entfluchtet. Die Rettungswegkennzeichen zeigen in allen Bereichen „frei“ an, d. h. die Flüchtenden werden je nach Standort entweder über das Foyer oder über Treppenhaus und Rampe ins Freie geleitet. Gleichzeitig wird ein Standard-Sprachalarm aktiviert, der zum Verlassen des Gebäudes auf kürzestem Weg auffordert.
  2. Das Foyer ist blockiert
    Die Rettungswegkennzeichen aus beiden Hörsälen in Richtung Foyer werden als „blockiert“ (z. B. rotes X, blinkend, Blinkfunktion gemäß DIN VDE V 0108-200 [1]) angezeigt. Die alternativen Rettungswege über die Dachterrasse bzw. die Rampe werden als „frei“ (z. B. weißer Pfeil auf grünem Grund, blinkend, Blinkfunktion gemäß DIN VDE V 0108-200) angezeigt. Im Hörsaal Audimax wird ein Sprachalarm aktiviert, der zum Verlassen über die Dachterrasse auffordert und darauf hinweist, dass das Foyer nicht als Fluchtweg zur Verfügung steht. Die Sprachalarmierung im Physik-Hörsaal weist auf den Fluchtweg über Treppenhaus und Rampe hin. Im Foyer selbst wird der Standard-Sprachalarm ausgelöst.

In beiden Fällen weist die dynamische Fluchtweglenkung den in der jeweiligen Gefahrenlage zu benutzenden Fluchtweg aus. In beiden Fällen gelangen die Flüchtenden gelangen auch bei blockiertem Foyer rasch ins Freie.

Wirtschaftliche Lösung

Die Rettungszeichenleuchten sind nach DIN EN 1838 [2] an jeder im Notfall zu benutzenden Ausgangstür, bei jeder Richtungsänderung und jeder Kreuzung der Gänge bzw. Flure positioniert. Zur dynamischen Fluchtwegkennzeichnung wird eine TFT-Leuchte eingesetzt. Die Aktivierung erfolgt über lediglich einen einzigen potenzialfreien Kontakt der BMA – eine ganz einfache Ansteuerung mit großem Sicherheitsgewinn. Zur sicheren Differenzierung ist im Foyer eine Zwei-Melder-Abhängigkeit realisiert, d. h. erst wenn zwei Melder Rauch detektieren wird die alternative Rettungswegführung ausgelöst. Die neue Sicherheitsbeleuchtungszentrale erlaubt ein richtungsvariables Sicherheitsbeleuchtungssystem mit dynamischer Fluchtweglenkung in Endstromkreisen mit lediglich drei Adern. Damit konnte auch für die Ansteuerung und die Stromversorgung der dynamischen Rettungszeichenleuchten die Bestandsverkabelung ohne Einschränkungen weiter genutzt werden.

Fazit

Brandschutzsanierungen im denkmalgeschützten Bestand erfordern intelligente und flexible Lösungen. Moderne Sicherheitsbeleuchtungssysteme ermöglichen die kostengünstige Integration einer dynamischen Fluchtweglenkung ohne zusätzliche Busleitungen über einfache Ansteuerung durch die Brandmeldeanlage mittels potentialfreiem Kontakt.

Brandschutz-Fachtagung St. Pölten

Fragen und Anliegen rund um die dynamische Fluchtweglenkung können im persönlichen Gespräch mit dem Autor und den Experten von IVAP Sicherheitstechnik, der österreichischen Vertretung von INOTEC Sicherheitstechnik, auf der 18. Brandschutz-Fachtagung am 1. September in der Fachhochschule St. Pölten (IVAP Sicherheitstechnik, Stand 41) diskutiert werden.

www.fse.at/tagung

 

Michael Schirgi

Projektierung und Beratung
IVAP Sicherheitstechnik GmbH
Philipsstraße 31, A-8403 Lebring
Tel: +43 3182 4487 – 24
Mobil: +43 664 43 73 529
Mail: michael.schirgi@ivap.at
Web: www.ivap.atwww.inotec-licht.de

Autor

Dipl.-Ing. Ulrich Höfer ist Leiter Projektmanagement Dynamische Leitsysteme bei Inotec Sicherheitstechnik GmbH. Er ist im ZVEI-Fachverband Sicherheit und im BHE-Fachausschuss Sicherheitsbeleuchtung sowie in nationalen und internationalen Normungsgremien tätig.

Quelle: Inotec Sicherheitstechnik

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