Die Energiewelt in Zahlen, Teil 1:

Eine Krux mit den Daten?

von Sandra Eisner
Foto: © E-Control/Anna Rauchenberger

Die Strom- und Gasmärkte sind in ständiger Bewegung: Verbrauch, Import, Berechnungen, die Entwicklung von PV-Anlagen, Netzanschlüssen und Zählpunkten sind nur einige Parameter eines komplexen und oft undurchsichtigen Fachbereichs. Die E-Control versuchte sich an einer Bestandsaufnahme aktueller Energie-Daten und veranstaltete dazu eine branchenübergreifende Fachtagung. Wir haben die wichtigsten Inhalte für Sie zusammengefasst.

Daten sind in der Energiewirtschaft unverzichtbar geworden. Eine stabile Datenbasis wird als Grundlage in den Bereichen Strom, Wärme und Gas angestrebt – damit einher gehen jedoch neue Herausforderungen für Produkte, Services sowie für Politik und Gesellschaft. In einer vernetzten Welt und Wirtschaft braucht es Transparenz und vor allem Daten in guter Qualität, um eine erfolgreiche Interaktion zu ermöglichen.

Wie diese Daten erhoben, analysiert oder verwendet werden, dazu fand im Juni eine Fachveranstaltung der E-Control unter dem Titel »Die Energiewelt in Zahlen« statt. Neben den beiden Vorständen der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch und Alfons Haber, referierten zu diesem Anlass und Thema Branchenexperten wie Jasmin Gülden Sterzl (Statistik Austria), Johannes Mayer (E-Control), Karina Knaus (Österreichische Energieagentur), Sebastian Koch (Institut für Höhere Studien) sowie Leo Lehr (E-Control). Lesen Sie im vorliegenden Teil 1 über die wichtigsten Erkenntnisse zur aktuellen Datenlage sowie zur nationalen und internationalen (Energie-)Statistik.

Status quo: Die Datenlage im Energiebereich

„Es ist wichtig, Daten bzw. ihre korrekte Interpretation auch einem breiten Publikum bekannt zu machen, damit auch die Kundinnen und Kunden ihre Entscheidungen treffen können“, betonte Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand E-Control. (Bild: E-Control/Anna Rauchenberger)

Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand E-Control, startete seine Einführung in die Fachtagung mit der Feststellung, dass wir „im Jahr 2022 nicht nur beispiellose Spitzen bei den Energiepreisen erlebten, sondern auch vor einer ernsthaften Bedrohung unserer Energieversorgung standen.“ Diese Zeit verdeutlichte die bereits bekannte Tatsache, dass eine umfassende Datenlage entscheidend ist, um ein korrektes Bild der Energieversorgung zu zeichnen und notwendige Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungen selbst werden auf verschiedenen Ebenen getroffen: politisch, gesetzgeberisch, behördlich – auch durch die E-Control selbst – sowie durch die Energiewirtschaft. „Es ist aber auch wichtig, diese Daten bzw. die korrekte Interpretation dieser Daten einem breiten Publikum bekannt zu machen, damit auch die Kundinnen und Kunden ihre Entscheidungen treffen können“, betonte Wolfgang Urbantschitsch.

Die Datenlage im Energiebereich sei traditionell sehr gut, mit Statistiken, die Jahrzehnte zurückreichen und auch die Entwicklung des Systems beschreiben. Doch das Jahr 2022 zeigte, dass neue, zusätzliche Informationen notwendig sind, um die Energieversorgung umfassend zu beschreiben. Urbantschitsch erklärte: „Wir haben z.B. zusätzliche Abfragen zur Strom- und Gasversorgung vorgenommen. Das ist wichtig, um Szenarien rechnen zu können, was passiert, wenn etwa das russische Gas nicht mehr fließt.“ Zusätzlich findet die Transformation des Energiesystems mit einer großen Geschwindigkeit statt und auch der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran: „Allein im vergangenen Jahr sind mehr als 2 GW an Erzeugungsleistung aus Photovoltaik hinzugekommen.“ Diese Dynamik beeinflusse auch andere Sektoren, von der Teuerungsrate bis hin zu positiven Effekten auf die österreichische Konjunktur durch massive Milliardeninvestitionen.

Urbantschitsch betonte vor allem die Notwendigkeit, die verfügbaren Informationen zu übersetzen: „Wichtig ist es, dass wir die Informationen in einer Weise auch anderen zugänglich machen, damit jene, die vielleicht nicht tagtäglich mit der Energiewirtschaft zu tun haben, diese Daten verstehen und interpretieren können.“ Ein Beispiel sei, die Erzeugungsleistung von über 2 GW in Relation zu setzen, etwa mit der Leistung aller Donaukraftwerke in Österreich oder der Zahl von 140.000 neuen Photovoltaikanlagen, die 2023 ans Netz gegangen sind. Er schloss mit dem Appell, dass die Allgemeinheit ein noch besseres Verständnis dafür bekommen sollte, in welchem Transformationsprozess wir uns befinden. „So kann die Akzeptanz für den Transformationsprozess verbessert werden.“

Initiativen aus der Energiestatistik

„Die Anforderungen werden vor allem im internationalen Kontext immer schwieriger zu erfüllen“, erklärte Jasmin Gülden Sterzl, Statistik Austria, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung und Verarbeitung von Daten. (Bild: E-Control/Anna Rauchenberger)

Jasmin Gülden Sterzl, Statistik Austria, erklärte in ihrem Vortrag, wie die Energiestatistik einen gesamtheitlichen Überblick über Aufkommen und Verbrauch von Energie leistet. Eines der bekannten energiestatistischen Produkte, die seit vielen Jahren von der Statistik Austria publiziert werden, ist etwa die Energiebilanz oder der Mikrozensus Energie, der den Energieverbrauch der Haushalte nach Energieträgern und auch nach Verwendungszwecken zeigt. „Die Anforderungen werden vor allem im internationalen Kontext immer schwieriger zu erfüllen“, so Jasmin Gülden Sterzl. Die Initiativen des »European Green Deal« benötigen Statistiken zu Monitoring-Zwecken, was sich in den internationalen Verordnungen niederschlägt, die die Berichterstattungspflichten definieren. So wurde zum Beispiel die seit 2008 existierende Energiestatistikverordnung bereits mehrfach überarbeitet – „es sind zahlreiche neue Punkte dazugekommen, die wir jährlich melden müssen, so zum Beispiel die dezentrale Stromproduktion nach Wirtschaftssektoren und Haushalten. Das bedeutet, es soll eigentlich die Produktion in PV-Anlagen in allen Wirtschaftssektoren und auch bei den Haushalten gemeldet werden und nicht, was eingespeist wird“, zeigte Gülden Sterzl die Schwierigkeiten auf, diese Berichterstattungspflicht zu erfüllen. Auch der Verbrauch soll sehr detailliert gemeldet werden – und zwar in den Wirtschaftssektoren Industrie, Dienstleistungen, Haushalte, Verkehr inklusive Verwendungszwecke. Weiters muss auch der Stromverbrauch in Rechenzentren gemeldet werden, sowie auch der Stromverbrauch, Speicherkapazitäten und Einspeisung von Großbatterien.

„Da unsere Energiestatistik bisher verbrauchsseitig hauptsächlich auf Erhebungen basierte, ist diese Lösung bei steigendem Detaillierungsgrad schwierig“, so Gülden Sterzl. Wie kann dieses Problem gelöst werden, ohne Personen und Unternehmen mehrfach zu befragen? Eine verstärkte Nutzung administrativer Datenquellen wäre hier ausschlaggebend. Gülden Sterzl erklärte: „Im April wurde das Bundes-Energieeffizienz-Gesetz adaptiert und sieht jetzt auch Berichtspflichten oder Publikationspflichten für Betreiber von Rechenzentren vor. Hier wäre es sinnvoll, wenn wir diese Daten auch nutzen könnten. Genauso hätten wir uns die Nutzung von Energieaudits auf Basis des Energieeffizienz-Reformgesetzes erhofft, im Nationalrat fand das keine Mehrheit. Auch die Smart-Meter-Daten auf Basis des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes sowie die Nutzung von Daten aus der Herkunftsnachweisdatenbank auf Basis der Elektrizitätsstatistik-Verordnung würden eine Möglichkeit darstellen.“ Es geht demnach hauptsächlich um rechtliche Grundlagen, in deren Überarbeitung oder im Zuge deren Ausgestaltung die Energiestatistik bzw. Statistik im Allgemeinen „mitgedacht und mitberücksichtigt“ werden sollte, um Unternehmen und Haushalte nicht mehrfach mit Anfragen und Fragebogen belasten zu müssen.

Daten, die detailliert zur Verfügung stehen, würden auch die Anbindung an weitere Datenquellen erlauben und dadurch, zum Beispiel, die Auswertung der dezentralen Stromproduktion ermöglichen. „Wenn wir nämlich verorten könnten, wo diese Produktion stattfindet, und sie dann mit anderen Datenquellen verknüpfen könnten, kann man vielleicht sagen, in welchen Sektoren das tatsächlich stattfindet. Und in diesem Sinne wäre ein erster Schritt, auch zusätzliche Energiemerkmale, wie zum Beispiel die Zählpunktnummer, im Adress-, Gebäude und Wohnungsregister (AGWR) zu erfassen.“ Eine bestehende Initiative der Statistik Austria ist es, die Datenlage im AGWR, v.a. im Hinblick auf den älteren Gebäudebestand, zu verbessern und auch Feuerungsanlagen und PV-Anlagen flächendeckend zu erfassen. Das Ziel dabei ist, eine möglichst umfassende, aktuelle und auch qualitativ hochstehende Darstellung des Gebäudebestandes zu erhalten und energiespezifische Informationen – u.a. als Grundlage für die Energiestatistik – zu integrieren. Gülden Sterzl: „Und das wäre dann natürlich auch wieder eine sinnvolle Grundlage für die Energiestatistik.“

Datenschatz Energie

„Einerseits müssen wir im Energiebereich sehr dichte Daten haben, nicht hochgerechnete, sondern wirklich stabile, durchgreifende Datenerhebungen. Andererseits gibt es Datenmelder, die keine Zeit oder auch gar nicht die Personen dafür haben“, so Johannes Mayer, E-Control. (Bild: E-Control/Anna Rauchenberger)

Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei der E-Control, betonte die zusätzlichen Bedürfnisse bei den Daten: „Die gesamte EU fragt sich, gehen wir in die richtige Richtung und können wir das beweisen oder fühlen wir es nur? Heute ist es wichtiger denn je zu wissen, welcher Sektor welchen Verbrauch hat.“ Damit einher geht eine enorme Multiplikation der Datenmengen jedes Jahr. Auch die Anforderung an die Verfügbarkeit ist gestiegen: „Man will nicht erst in Monaten oder in der Jahresstatistik etwas wissen, sondern gestern und eine Prognose haben, die möglichst exakt ist.“ Doch im Gegensatz zu großen Unternehmen mit guten IT-Abteilungen und Spezialisten im Bereich der Datensammlung, -aufbereitung usw. gibt es natürlich auch kleine Unternehmen, denen es nicht möglich ist, Daten zeitnah zu liefern. „Einerseits müssen wir im Energiebereich sehr dichte Daten haben, nicht hochgerechnete, sondern wirklich stabile, durchgreifende Datenerhebungen. Andererseits gibt es Datenmelder, die keine Zeit oder auch gar nicht die Personen dafür haben“, erklärte Mayer die aktuellen Problemstellungen.

Als informative Zahlen zur Energiewelt lieferte Johannes Mayer u.a. Folgendes:

Bestand Leitungsinfrastruktur: In Österreich gibt es derzeit in etwa 250.000 Kilometer Stromleitungen und knapp 50.000 Kilometer Gasleitungen. Den Großteil an Kilometern davon machen verkabelte Leitungen aus, weil sie die Nieder- und Mittelspannungsebene betreffen, auf den Hochspannungsebenen wird hauptsächlich mit Freileitungen gearbeitet.

Bestand Stromerzeugungsanlagen: Im Jahr 2013 gab es einen Gesamtbestand von 23,8 Gigawatt installierter Leistung in Kraftwerken, 2023 waren es 31,4 Gigawatt. Der Hauptträger des Ausbaus erneuerbarer Energie war eindeutig die Photovoltaik mit 5,8 GW Zubau in diesem Zehn-Jahres-Zeitraum. Im Windbereich ist der Ausbau mit plus 2,2 GW etwas langsamer, bei den Wärmekraftwerken sind es aufgrund der Stilllegungen im Kohle- und Gas-Bereich 2 GW weniger, die aufgetreten sind.

Bestand Gasspeicheranlagen: Zwischen 2003 und 2023 gab es einen Zubau von insgesamt 65 Terawattstunden, das entspricht fast dem österreichischen Jahresverbrauch. Dadurch ist Österreich ein Gasspeicher-Land geworden. Üblicherweise wird im Sommer sehr viel für Europa importiert, während in den Wintermonaten eher für Europa ausgespeichert wird.

Gasverbrauch 2023: In den letzten zwei Jahren gab es einen enormen Wandel im Gasverbrauch. Nachdem in der Vergangenheit viel in Leitungen, Speicher etc. investiert worden war, ist der Verbrauch nun gering. Das bedeutet, die Investitionskosten müssen auf weniger Kilowattstunden verteilt werden, alle Tarife müssen zwangsnotwendig steigen. 2022 belief sich der Jahresverbrauch auf 86,4 TWh, 2023 auf 75,6 TWh. Durch den warmen Frühling 2024 bewegt sich der Wert für das heurige Jahr möglicherweise in Richtung 70 TWh.

Stromerzeugung in Österreich: Bei der Erzeugung ist der erneuerbare Strom stark gestiegen bei gleichzeitig 43 % weniger Wärmekrafterzeugung als noch 2010. Sonne und Wind produzierten 2023 13,2 TWh (relativ konstant etwa 1 TWh/Monat) und damit knapp so viel wie Speicherkraftwerke (+2,5 TWh zu 2022). Die Wasserkraft produzierte 44,5 TWh (zwischen 2,7 und 5,3 TWh/Monat), das entspricht +5,4 TWh zu 2022. Die Wärmekraft schließlich produzierte 15,5 TWh (zwischen 0,7 und 1,8 TWh/Monat), verglichen zu 2022 sind das -3,4 TWh.

Eigenversorgung: 2023 gab es eine ausgeglichene Import/Export-Bilanz (im Vergleich 2022: -8,7 TWh) mit 3,4 TWh Exportüberschuss im Sommer, um 7 TWh weniger Importe, dafür 1,7 TWh mehr Exporte.

Zum Thema Analyse sprach Johannes Mayer über jene Frage, an der es in den letzten Jahren ein großes Interesse gab: Woher kommt das Gas in Österreich? „Die Moleküle haben ja kein Mascherl, genauso wenig wie der Strom – insofern ist das eine Rechenarbeit. Dafür nehmen wir die europäischen Nominierunsdaten, das heißt, die Informationen von Händlern über die Menge an Megawattstunden an einem Übergabepunkt, und zusätzlich verwenden wir interne Importdaten, die wir aus unserer Verwaltungstätigkeit haben.“ Daraus wird errechnet, was an Gas nach Österreich hereinkommt. Abgezogen wird, was direkt bzw. gleichzeitig wieder unser Land verlässt. Auf der Webseite energie.gv.at wurde eine Zusammenstellung erarbeitet, wie viel des errechneten Imports tatsächlich in Österreich verbleibt.

Auch Mayer wies abschließend darauf hin, wie wichtig es ist, Energie zu erklären: „Wenn man möchte, dass Menschen etwas mittragen, muss man auch erklären, worum es konkret geht. Was ist das größere Ganze?“ Die Basis davon sind wiederum Daten, die zu unterschiedlichen Stellen geliefert werden. Der Datenbedarf in der Öffentlichkeit steigt, weil es um den Umbau eines Systems geht. Der Datenbedarf steigt jedoch auch in der Regulierung und Verwaltung, um sachgerechte Entscheidungen treffen zu können. Die Datenvolumina verdoppeln sich in kurzen Zeitabständen, teilweise jährlich, „daher haben wir bei der E-Control intern entschieden, ein Projekt zu starten, um das Datenmanagement auf neue Beine zu stellen, sodass wir auch mit den künftigen Datenmengen gut auskommen und sie beherrschen können.“

In Teil 2 erfahren Sie Näheres zum »Mysterium« der Fernwärmepreise und zur europäischen Verordnung »Remit«. Außerdem wird der Frage auf den Grund gegangen, ob es einen Zusammenhang zwischen Energie und Inflation gibt.

Weitere Informationen auf: www.e-control.at

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