Die Elektrifizierung schreitet mit großen Schritten voran: Durch immer mehr vernetzte Geräte entstehen fortlaufend neue Herausforderungen. Deshalb braucht es für ein zuverlässiges Management smarte, digitale Ansätze. Welche innovativen Lösungen Schneider Electric für den modernen Wohn- und Zweckbau im Portfolio hat, erfragten wir im Rahmen eines Exklusivinterviews mit Michael Lotfy Gierges auf der Light + Building.
Interview: Thomas Buchbauer
Text: Mag. Sandra Eisner
Um die digitale Transformation für Gebäude, Infrastruktur und Industrie zu beschleunigen, bedarf es nachhaltiger und intelligenter Gesamtlösungen. Der Elektrotechnik-Spezialist Schneider Electric ist bekannt dafür, Nachhaltigkeit und Effizienz in seinen Produkten zu vereinen. „Der Trend im privaten Wohnbau entwickelt sich von einfachen Stand-Alone-Produkten hin zu einem integrierten Energiemanagement“, bestätigte Michael Lotfy Gierges, Executive Vice President Home & Distribution, Schneider Electric auf der Light + Building. Wir sprachen mit ihm über das effiziente Zusammenspiel von Stromerzeugung und -verbrauch sowie dessen Management und über die digitalen Werkzeuge, die einen großen Mehrwert für Elektroinstallateure, Schaltanlagenbauer, Planer und Architekten liefern.
Herr Lotfy Gierges, welche Highlights werden von Schneider Electric auf der Light + Building präsentiert?
Michael Lotfy Gierges: Unser grundlegendes Ziel ist es, Innovationen zu schaffen, die das Energiemanagement und damit zusammenhängend die Elektrifizierung und Digitalisierung unterstützen. Unsere modulare Smart Home-Lösung Wiser ist ein gutes Beispiel. Sie wurde bereits vor einiger Zeit am österreichischen Markt eingeführt und wir sind damit sehr erfolgreich. Wiser ermöglicht die Steuerung von Licht, Jalousien oder Heizungen, aber auch ein detailliertes Energiemonitoring, was die Basis für ein effizientes Energiemanagement in Wohngebäuden bildet. Denn wenn der Energieverbrauch eines Gebäudes erst einmal in Echtzeit überwacht wird, erkennt jeder sofort, ob kritische Verbraucher wie Kühlschrank oder Heizung richtig funktionieren. Für die Überwachung erforderliche Daten werden über smarte Steckdosen oder sogenannte Powertags – hochpräzise Energiesensoren, die in die Verteilung integriert werden – erfasst und über den Wiser Hub in die Cloud gesendet. Analysen der Daten machen Anomalien sichtbar, die etwa Ursache für drohende Defekte oder unnötig hohe Kosten sein können. Das alles funktioniert via Smartphone oder Tablet. Fällt etwas Ungewöhnliches auf, bekommt der Nutzer eine Push-Nachricht auf sein Mobilgerät und kann steuernd eingreifen.
Das Konzept des Smart Homes gibt es bereits seit Jahrzehnten. Wie also sollten Elektrotechniker Ihrer Meinung nach beim Verkaufsgespräch argumentieren? Wie kann man Konsumenten heute mehr denn je davon überzeugen?
Michael Lotfy Gierges: Wie Sie bereits gesagt haben, gibt es das sogenannte »Smart Home« bereits seit der Zeit von EIB. In der aktuellen Zeit der Transformation verändert sich jedoch das Nutzungsverhalten der Konsumenten. Smart Home fokussiert nun mehr auf das Energiemanagement und nicht mehr so stark auf Gadgets, die vor allem dem Komfort dienen. Darauf müssen Elektrotechniker eingehen. In Zeiten steigender Energiepreise und zunehmender Bedeutung des Klimaschutzes ist das Thema Energiesparen in aller Munde. Wir bei Schneider wissen, dass im Bereich der IoT-Digitalisierung die gleichen Technologien, die Energieeinsparungen ermöglichen oder ein Gebäude nachhaltiger machen, auch die Technologien sind, die ein Gebäude für Nutzer, Betreiber, Eigentümer und Investoren viel attraktiver machen. Wir haben wirklich viele Anwendungsfälle auf der ganzen Welt, die dies beweisen. Das ist also vielleicht der beste Weg, um neue Kunden zu überzeugen. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass es heutzutage viele niedrigschwellige Lösungen für die Realisierung von Energieeinsparungen gibt. Wir haben bezüglich des Konsumentenverhaltens herausgefunden, dass annähernd 60 % derjenigen, die ein Haus kaufen oder mieten, davon motiviert werden, ein System zu haben, das eine energiesparende, nachhaltige und dekarbonisierte Lebensweise unterstützt. Die Konsumenten fragen also nach einem System für Energiemanagement, Visualisierung und Kontrolle – natürlich soll aber auch der Komfort berücksichtigt werden und es muss bezahlbar sein. Hier eignen sich skalierbare Smart Home-Lösungen, die sich dem Bedarf und insbesondere dem Geldbeutel anpassen und jederzeit erweitert werden können. Digitale Energiezähler bilden zum Beispiel einen guten Einstieg. Sie können überall leicht installiert werden. Verbraucher erhalten durch sie detaillierten Einblick in ihren Energieverbrauch und bekommen ein Bewusstsein dafür, wo und wie sie Energie sparen können. Die Einsicht in den eigenen Energieverbrauch und die Möglichkeit, diesen mit Hilfe kleiner Anpassungen (z.B. Automatisierung) zu reduzieren, wirkt sich unserer Erfahrung nach sehr motivierend auf den Wunsch nach weiteren Einsparungen aus.
Es gibt nun auch eine intelligente Schnittstelle zwischen KNX- und Wiser-Installationen?
Michael Lotfy Gierges: Ja, das neue SpaceLogic KNX Hybrid Modul verbindet die bisher voneinander getrennten Smart Home-Systeme KNX und das hauseigene Wiser. Wie Sie wissen, sind Installationen nach KNX-Standard sehr beliebt aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und Flexibilität. KNX war in den letzten 30 Jahren »das« offene Kommunikationsprotokoll. Die modulare Smart Home-Lösung Wiser von Schneider Electric ist funkbasiert (Zigbee) und nutzt ebenfalls offene Protokolle. Somit ermöglicht das neue SpaceLogic KNX Hybrid Modul nun eine drahtlose Verbindung der Wiser-Geräte von Schneider Electric mit installierten KNX-Lösungen. Dadurch profitieren Anwender von mehr Flexibilität und einer größeren Funktionsauswahl. Die drahtlosen Wiser-Geräte werden in wenigen Schritten gepaart und konfiguriert. Und das alles nicht nur auf eine komfortable, sondern vor allem auch auf eine sichere Art und Weise, denn Schneider Electric nimmt Cybersicherheit sehr ernst.
Welche konkreten Vorteile ergeben sich dabei für die Konsumenten?
Michael Lotfy Gierges: Lassen Sie uns annehmen, dass in einem Ihrer Räume die Lichtsteuerung mechanisch erfolgt und Sie möchten ein Thermostat hinzufügen oder weitere Geräte von anderen Herstellern: Mit offenen Protokollen ist das kein Problem. Das System erkennt und integriert diese Geräte sofort. Türsensoren, Lautsprecher, evt. möchten Sie ein Soundsystem in Ihrem Wohnzimmer haben, alles kann nahtlos integriert und konfiguriert werden. Offene Protokolle fördern die Zusammenarbeit und den Datenaustausch verschiedener Smart Home-Geräte und -Systeme. Sie bieten Flexibilität bei der Auswahl der Geräte, da man nicht an einen bestimmten Hersteller und eine bestimmte Technologie gebunden ist und sie fördern leicht skalierbare Systeme. Sie haben bereits KNX in Ihrem Heim und möchten ein Energiemanagementsystem installieren? Unser Wiser-System, das auf Zigbee basiert, erkennt und integriert mit einem einzigen Dashboard, einer einzigen App die Komponenten in Ihrem Zuhause. Es müssen also nicht mehrere verschiedene Apps zwecks Integration geöffnet werden, das alles kann einfach und bequem von der Konfigurations-App erfolgen. Das System ist also nicht nur sicher und smart, sondern auch sehr einfach zu installieren, zu konfigurieren und zu handhaben. Und das ist eine der Kernkompetenzen von Schneider Electric: mehr elektrifizieren, digitalisieren – und zwar auf eine einfache, smarte und sichere Art und Weise. Wir sind seit vielen Jahren bestrebt, die User Experience zu erweitern und zu vereinfachen. Je einfacher die App, desto besser und umso mehr wir das Kundenverhalten verstehen, desto besser können wir darauf eingehen.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz beim Smart Home?
Michael Lotfy Gierges: Ich denke, KI und generative KI werden unser tägliches Leben auf ein neues Level heben. Damit einher geht eine große Verantwortung, wie wir es auch beim Internet gesehen haben. Dort haben wir gelernt, dass es zuallererst stabil und sicher sein muss. KI ist das neue Schlagwort, und doch kratzen wir erst an der Oberfläche, aber es ist wichtig, dies unter voller Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung, Cybersicherheit etc. zu tun. In einem Smart Home bietet KI immense Möglichkeiten, die Effizienz, Nachhaltigkeit und Sicherheit von Gebäuden zu verbessern – gerade wenn es um eine intelligente Datenanalyse geht. KI-Algorithmen können Echtzeitdaten wie Wettervorhersagen, Strompreise und Gebäudenutzung analysieren, um Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme oder Ladeinfrastrukturen entsprechend anzupassen. Stellen Sie sich vor, Sie sehen, wie oft sie Ihr Auto in der Woche laden und zu welchem Stromtarif. Wann Sie den Trockner oder die Heizung einschalten oder für wie viele Stunden und zu welcher Temperatur? Nachdem die KI Ihre Daten einige Zeit analysiert hat, kann Sie die App ihres Energiemanagementsystems fragen, ob Sie Energie sparen möchten. Wenn Sie Ihr Auto gewöhnlich von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens laden, könnte ein optimiertes Ladeszenario von 8 Uhr abends, wenn der Tarif niedrig ist, bis 2 Uhr Früh erfolgen, weil Sie beispielsweise nicht mehr als 80 % für Ihre übliche Pendelstrecke benötigen. In diesem Szenario klicken Sie auf »Bestätigen« und sparen automatisch Energie und Ladekosten. Dies gelingt ebenso bei der Heizung, wenn etwa Ihre regulären Schlafzeiten berücksichtigt werden. All diese smarte Logik hilft uns dabei zu verstehen, wann wir Energie verbrauchen. Das ist auch für Kostenstrukturen von Gemeinden und Städten relevant, um den Energiefluss zu optimieren. Wir haben mehr und mehr elektrische Geräte und Belastung. Heute hängen weitaus mehr Geräte an den Steckdosen als noch vor 10 Jahren – und die Nachfrage steigt. Auch die Bevölkerung in Europa wächst weiterhin seit der letzten Dekade. Also gibt es nicht nur bei den bestehenden Gebäuden ein Wachstum an Elektrizität, sondern es entstehen auch neue Häuser und Wohnungen für Menschen. Somit müssen wir Energie in einer smarten Art und Weise nutzen und dazu ist uns die KI behilflich: um die Nachfrage in der Zukunft zu managen, die Netzleistung besser zu verstehen etc. Es gibt also viele Anwendungsfälle für KI, die wir im ganzen Energiemanagement verwenden können.
Gibt es Lösungen von Schneider Electric, die Energie der Elektromobilität im eigenen Zuhause auch in einem größeren Wirkungsbereich zu nutzen – Stichwort bidirektionales Laden?
Michael Lotfy Gierges: Die Technologie für bidirektionales Laden existiert heute bereits. Allerdings hat sie noch keine hohe Priorität, da das rechtliche und wirtschaftliche Umfeld den Einsatz von Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Load (V2L) und Vehicle-to-Home (V2H) in großem Maßstab nicht zulässt. Die Herausforderung ist also aktuell nicht die Technologie der Ladestation oder des Autos, sondern es braucht Standardisierung, es braucht eine regulatorische Definition, Gesetze etc. Ich rechne nicht mit einer größeren Verbreitung vor 2026. Aus technischer, ökologischer und nachhaltiger Sicht sind V2G und V2H jedoch die Zukunft. Sie ermöglichen eine dezentrale Energieerzeugung und -speicherung und sind die Grundlage von Smart Grids und Micro Smart Grids. Sobald die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Einsatz von V2G, V2L und V2H in großem Umfang erlauben, werden wir auf dem Markt bereit sein. Wir entwickeln bereits Lösungen für bidirektionales Laden in einigen Regionen der Welt. Mit unserem Energiemanagementsystem HEMSlogic, welches wir kürzlich auf den deutschen Markt gebracht haben, können wir heute den Energiefluss in welche Richtung auch immer managen. Wir benötigen jedoch die Rahmenbedingungen, mit denen wir arbeiten können, die gesetzlichen Bestimmungen und Standards. Es liegt nicht in der Verantwortung einer Firma oder einer Industrie, sondern es ist die kollektive Verantwortung der staatlichen Apparate und Technologieentwickler, zusammenzuarbeiten und Lösungen schließlich skalierbar einzusetzen.
Herr Lotfy Gierges, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen auf: www.se.com