Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung:

Europa muss endlich durchstarten

von Oliver Kube
von Oliver Kube Foto: © Paul Stender

Die Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung fand heuer in der Seifenfabrik in Graz statt. Schwerpunktthemen waren unter anderem Doppelnutzung, Recyclingfähigkeit und die Abhängigkeit Europas von China. Doch wie lässt sich diese beenden? Welche Möglichkeiten der Doppelnutzung gibt es? Und reicht die Recyclingfähigkeit der Rohstoffe aus, um das Ganze auch in die Praxis umzusetzen?

Insgesamt 450 Gäste nahmen an der Fachtagung Photovoltaik und Stromspeicherung 2023 teil, online oder vor Ort in der Seifenfabrik in Graz. Organisiert wurde das zweitägige Event vom Bundesverband Photovoltaik Austria (PV Austria) und der Technologieplattform Photovoltaik Österreich (TTPV). Im Fokus standen unter anderem die notwendige Stärkung Europas in der PV-Produktion, die Mehrfachnutzung von PV-Anlagen, neue Speichertechnologien und die Recyclingfähigkeit von PV-Modulen.

„Wir müssen die aktuelle PV-Stromproduktion bis 2040 verzehnfachen“, sagte Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender von PV Austria mit Blick auf die Klimaziele. Möglich sei es durchaus, allerdings nur, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. So verwies die Bundesklimaministerin in ihrer Videogrußbotschaft auf die geplante Mehrwertsteuerbefreiung für Photovoltaik-Anlagen und Speicher. Hubert Fechner, Obmann der TPPV, malte das große, globale Bild: „Wir brauchen weltweit 75.000 TWh Photovoltaik. Derzeit haben wir 1 Terawatt installiert.“ Damit sei vorprogrammiert, dass die Photovoltaik-Industrie bald zu den größten Branchen überhaupt gehöre. Doch damit sei es noch nicht getan: „Wir brauchen auch Speicher, Netzausbau, Stromnetzdigitalisierung und lokales Energiemanagement“, so Fechner weiter.

PV-Produktion muss nach Europa

Florian Clement vom Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems (ISE) und Joris Libal vom ISC-Konstanz e.V. widmeten sich in ihren Keynotes dem notwendigen Wiederaufbau der PV-Produktion in Europa. Um den stetig wachsenden Bedarf zu decken, müsse die heimische PV-Produktion und lokale Lieferketten ausgebaut werden, so Clement. Zusätzlich brauche es Innovationen, um langfristig gegen Produkte aus Fernost bestehen zu können. „Die Forschungs- und Entwicklungslandschaft

ist vorhanden und sollte auch genutzt werden“, betonte Clement. Libal bezeichnete Photovoltaik als das „Öl der Zukunft“, das Europa „nicht den anderen überlassen“ dürfe. „Alle Regionen der Welt fördern die PV-Produktion, außer Europa, da wird nur diskutiert“, bemängelte er. In China seien die Produktionskosten aktuell noch niedriger und das Fertigungs-Knowhow besser als in Europa. Clement und Libal sind sich darin einig, dass der Aufbau einer europäischen Wertschöpfungskette möglich ist – doch dafür muss Europa nun schneller handeln als bisher.

»Innovation zum Anfassen« gab es für die Besucher bei der umfangreichen Fachausstellung, die das zweitätige Event begleitete. (Fotos: Paul Stender)

Überdachung, Lärmschutz, Fassade: PV-Module doppelt nutzen

Großes Potenzial liegt in der Doppelnutzung von PV-Modulen. BIPV – Bauintegrierte Photovoltaik nennt sich der Ansatz, Photovoltaik-Anlagen nicht nur zur Stromproduktion einzusetzen, sondern gleichzeitig auch als Baumaterial. Der Einsatz in Gebäudefassaden, als Überdachungen von Parkplätzen und Bahnsteigen oder als Lärmschutzwände sind längst Realität – aber meist nur in Pilotprojekten. Dieter Preiß vom Referat Energietechnik und Klimaschutz des Landes Steiermark, präsentierte einige steirische Beispiele: So steht etwa ein ein PV-Carport als Beton-Fertigteil in Murau. In Gablersdorf sind in der Landwirtschaft PV-Anlagen mit insgesamt 1,65 MWp seit Dezember 2022 in Betrieb. In Wien ist beispielsweise der Parkplatz am Schloss Schönbrunn mit Photovoltaikanlagen überdacht.

Natrium statt Lithium bei Speichern?

Der zweite Tag startete mit neuen technologischen Ansätzen zu Speichern. Mit dem Ansatz »Natrium statt Lithium« wird versucht, die Nachhaltigkeit von Speichern zu verbessern. So enthalten Natrium-Ionen-Speicher keine umweltschädlichen Rohstoffe, sind nicht entflammbar, temperaturstabil, langlebiger und recyclebar, wie Florian Kogler von Kite Rise Technologies erläuterte. Wer das Thema Speicher vertiefen wollte, konnte bereits am Nachmittag des ersten Tages an einem Workshop zu verschiedenen Batteriespeicherlösungen teilnehmen.

In den Pausen nutzten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich persönlich auszutauschen. (Fotos: Paul Stender)

Recycling: theoretisch hui, praktisch noch nicht

Ein weiterer Themenblock widmete sich der Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit von Photovoltaik-Modulen. So stellte etwa Elisabeth Reiser von Kansai Helios Austria ein Verfahren vor, um Risse im Backsheet von PV-Modulen zu reparieren und so größere Schäden zu vermeiden und die Lebensdauer der Module zu verlängern. Die Langlebigkeit bringt jedoch auch einen Nachteil mit sich, wie Thomas Nigl von der Montanuniversität Leoben erklärte: „Da viele PV-Anlagen erst jetzt bzw. in den vergangenen Jahren installiert wurden, ist es natürlich schwierig, ein repräsentatives Sampling zur Untersuchung der Recycling-Möglichkeiten zu erhalten.“ Auch reiche es nicht aus, sich über die theoretische Recyclingfähigkeit der einzelnen Rohstoffe zu freuen – das Ganze müsse auch wirklich umgesetzt werden. Passend dazu berichtete Daniel Forstner vom Recyclingunternehmen Müller-Guttenbrunn Gruppe aus der Praxis: Das große Sorgenkind sei das Glas. Hier fehle es an hausinternem Wissen und an potenziellen Kunden. Bei Aluminium und Folien sehe es schon besser aus.

Ob bei den Modulen, den Speichern oder beim Recycling: Technische Möglichkeiten gibt es viele. Doch woran es in Europa nach wie vor krankt, ist die Umsetzung. Dieser Widerspruch zog sich wie ein roter Faden durch das zweitägige Event. Europa muss in die Gänge kommen – auf allen Ebenen.

Weitere Informationen auf:
www.pvaustria.at
www.tppv.at

Lesen Sie auch das Exklusiv-Interview mit Vera Immitzer, Geschäftsführerin der PV Austria, und Bundesinnungsmeister Christian Bräuer!

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