Kraus & Naimer im Fokus der aktuellen Herausforderungen:

„Jede Krise hat auch etwas Gutes!“

von Sandra Eisner
von Mag. Sandra Eisner Foto: © David Rudolf

Kraus & Naimer vereint für viele die Werte Tradition und Moderne in optimaler Weise. Als Spezialist in der Schaltgerätetechnik weltweit tätig, hat das familiengeführte Unternehmen den Blick stets auf Innovation gerichtet, die österreichischen Wurzeln sind dennoch fest verankert. »Made in Austria« bezeichnet eine hohe Fertigungstiefe – doch schützt sie vor den aktuellen Herausforderungen? Wir fragten nach.

Interview: Thomas Graf-Backhausen

Text: Mag. Sandra Eisner

Eine hohe Fertigungstiefe bedeutet (kurzfristig) nicht immer die günstigste Variante, auf lange Sicht bewährt sie sich jedoch sehr wohl – und zwar nicht nur für den Hersteller, sondern auch für die Anwender und Konsumenten (wir berichteten dazu ausführlich in der i-Magazin-Ausgabe 11/22). Der »schnelle Profit« hat oft ein langes Nachsehen. Dessen war man sich stets bei Kraus & Naimer bewusst: „Wir sagen oft mehr oder weniger scherzhaft: Unser Reichtum sind die Werkzeuge“, bringt es Ernst Gmeiner, Geschäftsführer bei Kraus & Naimer Österreich, auf den Punkt. Die aktuellen Herausforderungen – von denen gefühlt täglich neue hinzukommen – erleichtern die Situation jedoch nicht unbedingt. Deshalb befragten wir Ernst Gmeiner, Geschäftsführer, und Tristan Schöberl, Vertriebsleiter, wie der Umgang damit in den heutigen, doch schwierigen Zeiten gelingen kann.

 

„Unser Unternehmen ist gesund, die Eigenkapitalquote beläuft sich auf rund 90 %, wir sind autark, unabhängig – das hilft gewaltig in Zeiten wie diesen“, so Ernst Gmeiner, Geschäftsführer bei Kraus & Naimer Österreich. (Bild: David Rudolf)

Herr Gmeiner, Kraus & Naimer wird gemeinhin als traditionelles, ja altehrwürdiges Unternehmen angesehen. Wie geht es Ihnen in diesen Zeiten der mehrdimensionalen und ständig neuen Herausforderungen?

Ernst Gmeiner: Momentan geht es uns gut, da wir immer schon als familiengeführtes Unternehmen auf Nachhaltigkeit geachtet und auch so gearbeitet haben – stets mit einem kalkulierten Risiko. Unser Unternehmen ist gesund, die Eigenkapitalquote beläuft sich auf rund 90 %, wir sind autark, unabhängig – das hilft gewaltig in Zeiten wie diesen.

 

Wir beobachten den Markt seit vielen Jahren. Es gab jene Phase, in der viele Produktionen zuerst nach Tschechien verlegt wurden, dann ging es weiter um die halbe Welt. Hat Kraus & Naimer diese Entwicklung bewusst abgelehnt?  

Gmeiner: Eindeutig ja. Einer der Hauptgründe dafür war unsere Sorge – insbesondere was China, Korea und Indien betrifft – dass wir unser Know-how und unseren Qualitätsanspruch nicht halten können. Wir alle kennen diese Fälle fehlender Loyalität, wo Arbeitskräfte plötzlich fehlen und, salopp formuliert, ein paar Straßen weiter ein Produkt kopiert und »neu« fabriziert wird. Dieses Risiko war uns bewusst und außerdem wollten wir uns nicht dem »schnellen Profit« widmen, sondern lieber bewährt weitermachen. Deshalb haben wir uns dieser Entwicklung weitgehend verschlossen. Was wir realisiert haben, ist das Werk in Ungarn, das sich allerdings 30 km hinter Sopron befindet und eine Art verlängerte Werkbank für uns darstellt. Es gibt nämlich Produktionsbereiche, die sich aus wirtschaftlichen Gründen kaum bis nicht automatisieren lassen. In Ungarn haben wir 40 bis 50 Arbeitskräfte, jedoch keine Fachkräfte im eigentlichen Sinn, denn diese sind dort genauso rar gesät wie in Österreich. Durch die Nähe zu Weikersdorf kommen bei Bedarf Mitarbeiter von diesem Standort nach Ungarn, um z.B. Maschinen zu reparieren – das funktioniert sehr gut.

 

Ein weiterer Vorteil einer nahegelegenen Produktion ist doch auch die Tatsache, dass Sie auf Sonderwünsche von Kunden konkret eingehen können …

Gmeiner: Das ist korrekt. Unsere Fertigungstiefe ist sehr hoch, wir verfügen über einen Werkzeugbau, eine eigene Automationsabteilung – wir machen wirklich nahezu alles selbst. Auch hier wurde unsere Philosophie, autark und unabhängig zu sein, fortgeführt.

 

„Wir haben technische Kunststoffe verändert bzw. andere eingesetzt und konnten innerhalb von Wochen (Teil-)Materialien umstellen.“ (Bild: David Rudolf)

Wie steht es um die Abhängigkeit von Chips und Halbleitern etc.?

Gmeiner: Wenn man unser aktuelles Produktportfolio betrachtet, dann tut sich da eigentlich nicht viel mit Elektronik, Chips usw. Wie man so schön sagt, klingt das komisch, ist im Moment aber einfach so und das hilft natürlich. Wir hatten gewisse Probleme mit Rohstoffen, Kunststoffen, diversen Metallen, aber auch hier hat uns in die Hände gespielt, dass wir eigentlich alles selbst machen und dadurch sehr schnell reagieren können. Wir haben technische Kunststoffe verändert bzw. andere eingesetzt und konnten innerhalb von Wochen (Teil-)Materialien umstellen. So haben wir uns über Wasser gehalten und so gesehen, hat auch jede Krise etwas Gutes.

 

Wie autark ist Kraus & Naimer, was die Energieversorgung betrifft?

Gmeiner: Natürlich haben wir kein Kraftwerk neben uns oder dergleichen. Wir können uns einer derartigen Problematik nicht entziehen, aber wir verfügen über Generatoren. Photovoltaikanlagen haben wir sowohl in Weikersdorf als auch in Wien. Man muss aber die Kirche im Dorf lassen. Die entsprechenden Generatoren in Weikersdorf helfen uns, eine gewisse Zeit zu überbrücken – es gibt konkrete Pläne, welche Bereiche bei einem Blackout weiterhin mit Strom versorgt werden. Wir kommen sicher eine Woche durch, aber mehr geht dann auch nicht.

 

Welchen Anteil hat das Thema Energie am Produkt bei Ihrer Preisgestaltung?

Gmeiner: Das ist eine sehr interessante Frage, die uns intensiv beschäftigt und uns viel rechnen lässt. Die Stromkosten werden sich vermutlich demnächst nahezu verdreifachen, deshalb versuchen wir, vorausschauend zu agieren und auch rechtzeitig zu verhandeln (Stromlieferverträge abzuschließen).

 

Wie uns zu Ohren gekommen ist, haben Sie Ihre MitarbeiterInnen kürzlich mit einer Überraschung beglückt …

Gmeiner: Ja, wir haben die sogenannte Teuerungsprämie von 1.000 Euro für jeden Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin ausbezahlt. Das soll ein Dankeschön darstellen, denn es haben alle hart gearbeitet. Es geht dem Unternehmen gut und daran sollen auch alle teilhaben. Wir leben die Beziehung zu unseren MitarbeiterInnen als Geben und Nehmen, wobei Geld allein bekanntlich nicht alles ist. Mittlerweile geht es sehr wohl auch um ein positives Arbeitsklima, um den Wohlfühlfaktor – dies lässt sich vor allem auch bei jungen Menschen erkennen, es zählen nicht mehr »nur« Karriere und Geld. Mit unseren flachen Hierarchien sind wir dabei gut bedient, Herr Naimer und auch ich kennen jeden Mitarbeiter/jede Mitarbeiterin persönlich.

 

„Unser Portfolio beinhaltet auch zahlreiche Spezialschlüsselschalter, die bei großen, überregionalen Energieverteilern eingesetzt werden“, erläutert Tristan Schöberl, Vertriebsleiter. (Bild: Katharina Schiffl)

Die allgemeine wirtschaftliche Situation und auch die Prognosen für die Zukunft sind nicht wirklich beruhigend, aber die Elektrotechnikbranche wird aufgrund von Energie- und Mobilitätswende die nächsten 10 bis 15 Jahre weiterhin boomen. Wie und in welchen Bereichen profitiert Kraus & Naimer von dieser Modernisierung der elektrischen Infrastruktur?

Gmeiner: Das betrifft die komplette Stromverteilung, ob Notstrom oder regulär, da spielen wir überall mit.

Tristan Schöberl: In puncto Notstrom ist in den letzten beiden Jahren einiges passiert am Markt. Es werden teilweise mit Hilfskontakten auch die PV-Wechselrichter angesteuert usw. und diese Notstromeinspeisung quasi miteingebunden. Somit ist das ein großer Faktor, der einiges an Potenzial birgt für Photovoltaik-Trennschalter.

Gmeiner: Wir haben Schalter für Photovoltaik, wollen uns jedoch verbessern und das Portfolio ausbauen und verbreitern.

Schöberl: Dazu wird es dann auch Vertriebs- und Marketingkampagnen geben, um den Bekanntheitsgrad bei den ElektrikerInnen zu steigern. Unser Portfolio beinhaltet auch zahlreiche Spezialschlüsselschalter, die bei großen, überregionalen Energieverteilern eingesetzt werden. Wenn die automatische, computergesteuerte Umschaltung im Krisenfall nicht funktioniert, können diese Hochspannungsschalter mit speziellen Schlüsselschaltern betätigt werden.

 

Wie kommen Sie zu Ihren MitarbeiterInnen?

Gmeiner: Ich muss schon sagen, es ist herausfordernd, aber wir sind nicht wirklich eingeschränkt und auch nicht betroffen in dem Sinne, dass manche Dinge nun nicht mehr möglich bzw. machbar sind. So weit geht es nicht. Es ist jedoch sehr wohl schwieriger geworden, Mitarbeiter zu bekommen. Wir haben immer darauf gesetzt – und auch das hat wiederum mit Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit zu tun – MitarbeiterInnen in jungen Jahren aufzunehmen und sie selbst auszubilden, um dann letztlich auch Führungsaufgaben (Management) durchaus intern zu besetzen. Damit sind wir immer gut gefahren und das funktioniert auch heute noch. Im Lehrlingsbereich versuchen wir, sehr aktiv zu sein.

Schöberl: Wir haben erstmalig den Lehrlingsinfotag veranstaltet. Wir erhoffen uns, dass wir auch wieder neue Lehrlinge anziehen für die Berufe WerkzeugmacherIn, ElektrotechnikerIn, AutomatisierungstechnikerIn, MechatronikerIn – sie alle bilden wir im Werk Weikersdorf aus.

 

Wie kommuniziert Kraus & Naimer in der heutigen Zeit, um von den älteren bis zu den jüngeren alle Generationen zu erreichen?

Schöberl: Das beste Beispiel sind die Videos auf dem i-Magazin-YouTube-Kanal. Wir setzen auf neue Formate und auf verstärktes Marketing. Seit letztem Jahr haben wir zwei zusätzliche Mitarbeiterinnen, die unter anderem die Social-Media-Kanäle betreuen. Gleichzeitig werden wir die klassischen Kommunikationskanäle (Print) nicht von heute auf morgen weglassen. Es handelt sich ja um einen schleichenden Prozess, dem wir unsere Kommunikation anpassen.

 

Wie hat sich der Anteil an Raubkopien/Fälschungen verändert, Ihrer Meinung nach? Wurde es schwieriger durch die allgemeine Entwicklung auf den Märkten aufgrund von Verfügbarkeits- und Beschaffungsproblemen?

Gmeiner: Unser Eindruck ist, dass es weniger geworden ist. Ich bin in meiner Direktorenfunktion in der Kraus & Naimer-Gruppe auf der ganzen Welt unterwegs und kann bestätigen, dass das immer wieder überall ein Thema war, es allerdings deutlich abgenommen hat.

 

„Wir haben immer darauf gesetzt – und auch das hat wiederum mit Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit zu tun – MitarbeiterInnen in jungen Jahren aufzunehmen und sie selbst auszubilden, um dann letztlich auch Führungsaufgaben (Management) durchaus intern zu besetzen.“ (Bild: David Rudolf)

Abschließend beantworten Sie uns bitte, warum Kraus & Naimer für junge Menschen, die am Beginn ihres Arbeitslebens stehen, eine zukunftsträchtige Entscheidung darstellen kann.

Schöberl: Warum man bei Kraus & Naimer arbeiten sollte und in dieser Branche, dafür gibt es wesentliche Argumente: Uns gibt es seit 1907, wir sind ein stabiles und gesundes Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote und Fertigungstiefe. Das alles sind Faktoren, die die Wertigkeit des Unternehmens unterstreichen.

Gmeiner: Wir sitzen sicher im Sattel und haben ein sehr gutes Arbeitsklima. Wir bieten interessante Tätigkeiten und außerdem eine flache Hierarchie – man weiß immer, was mit dem Unternehmen gerade passiert. Wir bieten auch Fortbildungen im Unternehmen an, und zwar individuell, wo es einen Bedarf dafür gibt.

 

Herr Gmeiner, Herr Schöberl – vielen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen auf: www.krausnaimer.com

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