Das Potenzial und die technischen Möglichkeiten der Photovoltaik-Energie sind enorm. Doch die politische Realität sieht anders aus. Dieser Kontrast wurde bei der Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung des Bundesverband Photovoltaic Austria und der Technologieplattform Photovoltaik vielfach deutlich. Doch worin bestehen all die ungenutzten Möglichkeiten? Weshalb werden sie noch nicht ausreichend umgesetzt? Brauchen wir eine europaweite PV-Pflicht auf Dächern? Und wie steht es um die Stromspeicherung?
Von Oliver Kube
Rund 280 Besucher:innen waren bei der Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung am 5. und 6. Oktober vor Ort dabei, weitere 80 folgten der Veranstaltung online. Ausgerichtet wurde das Event vom Bundesverband Photovoltaic Austria und der Technologieplattform Photovoltaik Österreich. Deren Obmann Hubert Fechner verwies gleich zur Einführung auf die in den vergangenen Monaten und Jahren gestiegene Bedeutung der Sonnenenergie. Er betonte jedoch, dass das keine neue Entwicklung sei: „Diejenigen, die jetzt überrascht sind, dass es schnell gehen muss mit der Energiewende, kann ich nur fragen: Habt ihr die letzten 30 Jahre verschlafen?“ Die Verwerfungen auf dem Energiemarkt der letzten Monate infolge des russischen Angriffskriegs zeigten mehr denn je, dass Europa die Wertschöpfung zurück nach Hause holen müsse, um die Abhängigkeit von Asien – nicht nur Russland, auch China – zu beenden. Damit ist nicht nur die Stromproduktion gemeint, sondern insbesondere auch die Herstellung der Photovoltaik-Module, Wechselrichter, Speicher und alles was dazugehört.
EU-weite Photovoltaik-Dach-Pflicht gefordert
In der Europäischen Union hat sich schon einiges in Sachen PV-Ausbau getan, wie Walburga Hemetsberger von SolarPower Europe berichtete. Mit 27,9 Gigawatt zusätzlich installierter Kapazität (das entspricht einem Zuwachs von 40 %) war das Jahr 2021 das beste Jahr in der Geschichte der PV in der EU. In Österreich hat sich das PV-Wachstum von 2020 auf 2021 mehr als verdoppelt. Doch all das ist immer noch zu langsam, um das von der EU-Kommission ausgegebene Ziel von 400 GW bis 2025 zu erreichen – dafür bräuchte es ein jährliches Installationslevel von über 100 GW. Hemetsberger bemängelte, dass nach wie vor das Potenzial von Dachflächen nicht ausreichend erkannt bzw. genutzt würde. SolarPower Europe fordert daher eine allgemeine EU-weite PV-Dach-Pflicht – auch für bestehende Gebäude, nicht nur für Neubauten, wie es die EU derzeit plant. Ab 2027 soll Photovoltaik für neue öffentliche und gewerbliche Gebäude verpflichtend werden, zwei Jahre später dann auch für Wohngebäude. „Die Zeiten, in denen sich jeder selbst aussuchen kann, ob er eine PV-Anlage auf dem Dach haben möchte, sind vorbei. Das können wir uns nicht mehr leisten“, so Hemetsberger eindringlich.
PV auf Autos, Radwegen und im Gebirge
Beim Thema Photovoltaik nur an Gebäudedächer zu denken, greift jedoch zu kurz. Lukas Plessing (Technologieplattform Photovoltaik) und Ulli Fielhaber (Asfinag) stellten einige Wege der Integration von PV in bestehende Infrastruktur vor: direkt auf Straßen und Parkplatzflächen oder als Überdachung von Parkplätzen wie in Schönbrunn und Bahnsteigen wie an der Station Matzleinsdorfer Platz in Wien. Aus wirtschaftlicher Sicht interessant: Einen Bahnsteig mit PV-Panelen zu überdachen, ist preisgünstiger als eine herkömmliche Überdachung. Bifaziale Module, also Module, die die Sonneneinstrahlung von zwei Seiten »einfangen«, ermöglichen bessere Sonnenstromproduktion im Winter. Dafür werden sie vertikal angebracht und die PV-Flächen nach Osten und Westen ausgerichtet anstelle der üblichen Südausrichtung. Diese können beispielsweise im Gebirge, als PV-Zäune auf Agrarflächen oder als Schallschutzwände an Autobahnen eingesetzt werden. Neue Anwendungsmöglichkeiten bieten sich außerdem durch eine zunehmende Vielfalt an Form, Material und Verschaltungstechnologie. Darüber berichtete Dr. Gabriele Eder vom Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik. So ermöglichen polymere Folien oder Harze den Einsatz von Photovoltaik-Modulen auf Autodächern. Wallbox-Hersteller müssen sich jedoch keine Sorgen machen: Der auf dem Autodach produzierte Strom reicht nach heutigem technischem Stand in keiner Weise aus, um ein Elektrofahrzeug ausschließlich damit zu betreiben. Höhere Glasdicken werden für Anlagen mit starken mechanischen Beanspruchungen eingesetzt, etwa solare Straßen, Radwege oder Parkplätze. Einkapselungen, bedruckte Frontscheiben und Beschichtungen können die Ästhetik verbessern und die Photovoltaik-Anlage an Fassaden oder auf Dächern bei Bedarf nahezu »unsichtbar« machen.
Bürokratie bremst PV-Ausbau aus
Während die technischen und gestalterischen Möglichkeiten immer vielfältiger werden, ist die politische Realität der Energiewende nach wie vor ernüchternd. Im PV-Check der Bundesländer zeigte Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, auf, dass sich zwischen den hochgesteckten energie- und klimapolitischen Zielen und dem realen Ausbau tiefe Gräben auftun – Gräben, an deren Rändern sich leider keine bifazialen PV-Anlagen anbringen lassen. Besonders schlecht schneidet das Land Tirol ab: 123 MWp PV-Leistung müsste es jährlich bis 2030 zubauen, um seinen Teil zum Erreichen des österreichischen Gesamtziels beizutragen. Dem stehen gerade mal 43 MWp umgesetztem Zubau im Jahr 2021 gegenüber. Einzig Oberösterreich hat sein Soll nicht nur erfüllt, sondern sogar getoppt: 177 statt wie verlangt »nur« 149 MWp in 2021. Doch auch als Frontrunner hat Oberösterreich bisher nur knapp 30 % der bis 2030 erforderlichen Gesamtleistung installiert. Die anderen Bundesländer schneiden alle mehr oder weniger schlecht ab, sowohl was den jährlichen Zuwachs betrifft als auch die Gesamtleistung. Ein großes Hemmnis sind Gesetze, die den raschen Ausbau bürokratisch ausbremsen. So muss etwa in der Steiermark jede Anlage gemeldet, in Kärnten, dem Burgenland und Niederösterreich für jede Freiflächenanlage außerhalb der Ortschaft eine Genehmigung eingeholt werden. Der Bundesverband Photovoltaic Austria hat alle Gesetze, die es bei der Planung und Errichtung von PV-Anlagen in Österreich zu beachten gibt, für die Bürger:innen, Elektriker:innen und Installateur:innen in eine Erklärung gepackt. Dafür waren ganze 90 Seiten – in Worten: neunzig – notwendig. „Das ist ein untragbarer Zustand, den wir nicht akzeptieren können“, kritisierte Vera Immitzer den Gesetzgeber.
Stromspeicherung: das wichtigste Randthema
Auf die eine oder andere Weise untragbar scheinen auch die meisten Stromspeicherlösungen, zumindest nach der Studie, die Dieter Schreiber von der Windkraft Simonsfeld AG präsentierte. Darin wurden verschiedene Ansätze untersucht, wie abgeregelte Wind- und Sonnenenergie am effizientesten, effektivsten und ökonomisch sinnvollsten gespeichert und verwertet werden können. Das Ergebnis unterm Strich: Die Lösungen, die effektiv sind, lohnen sich laut Schreiber wirtschaftlich nicht – und Maßnahmen, die wirtschaftlich interessant sind, seien nicht effektiv. Insgesamt war die Stromspeicherung eher ein Randthema des zweitägigen Events, was auch seitens der Veranstalter sehr bedauert wurde. Aus unterschiedlichen Gründen sei es diesmal schwierig gewesen, Projekte und Referent:innen zu diesem Thema zu finden, so der Bundesverband Photovoltaic Austria auf Nachfrage des i-Magazins. Zuletzt sei auch noch ein geplanter Vortrag krankheitsbedingt ausgefallen. „Wir werden im kommenden Jahr wieder einen deutlicheren Fokus auf Stromspeicher und die aktuellen Entwicklungen dazu legen“, richtet sich der Blick des Verbands bereits in die Zukunft, ganz nach dem Motto: »Nach der Tagung ist vor der Tagung.«
In den Pausen gab es Gelegenheit, sich auszutauschen und an den Ständen der Aussteller persönlich die Neuheiten der Photovoltaik-Branche kennenzulernen. (Fotos: Michael Hedl)
Mehr Informationen auf:
www.pvaustria.at
www.tppv.at