Die Energiewende markiert einen entscheidenden Wendepunkt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft, in der erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Wasserstoff die Hauptrolle in unserer Energieversorgung übernehmen. Diese Transformation ist nicht nur für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung, sondern bietet auch enorme Chancen für technologische Innovationen, wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. In einem aufschlussreichen Gespräch mit Mario Weißensteiner (oben im Bild), dem Mitbegründer und Geschäftsführer des Berliner Clean-Energy-Start-ups stromee, werden die Herausforderungen und Chancen der Energiewende in Deutschland beleuchtet. Darüber hinaus teilt der Experte für erneuerbare Energien seine Gedanken zu aktuellen Entwicklungen, Hürden und Perspektiven im Bereich der nachhaltigen Energie.
Wie bewerten Sie den aktuellen Fortschritt Deutschlands im Bereich der Energiewende?
Mario Weißensteiner: Aus meiner Sicht befindet sich der deutsche Energiemarkt in einem tiefgreifenden Wandel, der durch die Herausforderungen der Energiekrise und einen starken Wettbewerb geprägt ist. Ich bin überzeugt, dass die neuesten gesetzlichen Impulse, wie das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende und das Gebäudeenergiegesetz zu einem starken Ausbau von Wärmepumpen sowie dezentralen erneuerbaren Energien und technologischen Innovationen führen werden. Leider haben wir in den vergangenen Jahren viele Chancen verpasst. Die Regierung verschlief wichtige Entscheidungen und Probleme wie hohe Bürokratie, Hürden beim Ausbau erneuerbarer Energien und Netze sowie eine teilweise noch mangelhafte Digitalisierung begrenzten die Möglichkeiten für Innovationen. Trotzdem denke ich, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke und die eingetretene Energiekrise eine positive Entwicklung waren, um Bewegung in den Sektor zu bringen und Akzeptanz in der Gesellschaft zu schaffen.
Welche besonderen Hürden stellen sich in Deutschland bei der Realisierung von Energiewende-Strategien dar?
Weißensteiner: Deutschland hängt immer noch stark von fossilen Brennstoffen ab, besonders im Verkehrs- und Industriebereich. Der Übergang zu erneuerbaren Energien erfordert einen umfassenden Ausbau und eine Modernisierung der Energieinfrastruktur, einschließlich des Stromnetzes. Dabei bringen die Integration erneuerbarer Energien und die damit verbundenen Schwankungen in der Stromerzeugung Herausforderungen mit sich, die die Entwicklung effizienter Energiespeichertechnologien erforderlich machen. Ich bin der Ansicht, dass langfristige politische Einigkeit und Unterstützung sowie Investitionen notwendig sind, um die Energiewende voranzutreiben, während politische Unsicherheiten die Umsetzung von Strategien erheblich behindern können.
Welche Chancen und Herausforderungen prägen den globalen Energiemarkt zurzeit?
Weißensteiner: Im globalen Energiemarkt sehe ich die Abhängigkeit von Ländern mit reichen Gas- und Ölvorkommen und die damit verbundene Preisabhängigkeit sowie geopolitischen Risiken als eine große Herausforderung. Der weltweite Energiehunger, insbesondere in Schwellenländern, ist enorm. Es gibt keine einheitliche Strategie, und einige Länder setzen voll auf Atomenergie. Große Chancen liegen jedoch im Ausbau erneuerbarer Energien; weltweit wird die Energieerzeugung zunehmend grüner. Der Übergang zu erneuerbaren Energien führt zu einem Wandel des Energiemarktes hin zu mehr Dezentralität und Flexibilität. Dieser strukturelle Wandel bietet Chancen für Innovationen und eine neue Art der Energienutzung für Verbraucher. Die Verbesserung der Energieeffizienz in Gebäuden, im Transportwesen und in der Industrie kann die Energiekosten senken und die Umweltauswirkungen minimieren. Eine der größten Herausforderungen stellt meiner Meinung nach der Klimawandel dar. Um die Klimaziele zu erreichen, sind weitere und strengere Maßnahmen erforderlich, als es momentan der Fall ist.
Welchen Stellenwert messen Sie innovativen Technologien, etwa Wasserstoff- oder Speichertechnologien, im Kontext der zukünftigen Energieversorgung bei?
Weißensteiner: Wasserstoff spielt als Schlüsseltechnologie eine zunehmende Rolle, da er vielseitige und saubere Energie bietet. Fortschritte in Speichertechnologien, insbesondere bei Batterien, sind essentiell für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien. Innovative Technologien tragen zudem zur Netzstabilität bei, indem sie Schwankungen in der Energieerzeugung ausgleichen. Dies ist besonders wichtig für das Energiemanagement bei Wärmepumpen und Elektromobilität. Um den Einsatz innovativer Technologien zu beschleunigen, sind Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie politische Unterstützung notwendig. Bessere Prognosemöglichkeiten durch den Einsatz von KI und Anreizmechanismen, die Energieeinsparungen fördern oder den Verbrauch in Zeiten mit günstigen Strompreisen bzw. außerhalb der Spitzenlastzeiten verschieben, sind ebenfalls wichtig.
Wie lassen sich wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Energieproduktion miteinander vereinbaren?
Weißensteiner: Eine wichtige Komponente liegt in der sinkenden Kostenstruktur erneuerbarer Energien, insbesondere bei Photovoltaik und Windenergie. Diese sind in den letzten Jahren deutlich gesunken und liegen nun weit unter den Marktpreisen an der Börse. Eine direktere Verknüpfung zwischen nachhaltiger und dezentraler Energieerzeugung und dem Verbrauch wäre meiner Meinung nach optimal. Durch diese Verknüpfung könnte der Verbrauch teilweise auf die schwankende Erzeugung abgestimmt werden, was eine Win-Win-Situation für Umwelt und Wirtschaft kreieren könnte. Repowering, also das Ersetzen älterer Anlagen durch modernere und leistungsfähigere Systeme, kann ebenfalls eine effiziente Möglichkeit sein, um den Ertrag und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.
Welche weiteren Maßnahmen fördern das Zusammenspiel von Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit im Energiebereich?
Weißensteiner: Durch die effizientere Nutzung von Ressourcen lässt sich wirtschaftliches Wachstum erzielen, ohne die Umwelt zu belasten. Gezielte Investitionen in erneuerbare Energien fördern nicht nur nachhaltige Praktiken, sondern schaffen auch neue Arbeitsplätze und wirtschaftliche Chancen. Besonders die Förderung innovativer Technologien ermöglicht die Erschließung neuer Märkte und stärkt die Position von Unternehmen in der nachhaltigen Energiebranche. Steuerliche Anreize und Subventionen können Unternehmen zusätzlich motivieren, auf nachhaltige Energieproduktion umzusteigen. Es ist auch wichtig, dass Unternehmen Umweltaspekte in ihre strategische Planung integrieren, um langfristige Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Kooperationen und Partnerschaften zwischen Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft sind entscheidend, um eine nachhaltige Energieproduktion auf einem größeren Maßstab zu erreichen.
Was könnte Energieversorger dazu bewegen, nachhaltige und umweltfreundliche Praktiken zu entwickeln?
Weißensteiner: Energieversorger könnten durch finanzielle Anreize wie Subventionen, Steuervergünstigungen oder Fördermittel ermutigt werden, erneuerbare Energien und energieeffiziente Technologien einzusetzen. Zudem könnte die steigende Nachfrage der Verbraucher nach umweltfreundlicher Energie ein starker Motivationsfaktor sein. Weiterhin könnten Quoten für den Anteil an Eigenproduktion erneuerbarer Energien eingeführt werden, mit der Option auf Ausgleichszahlungen bei Nichterfüllung. Außerdem könnte das Vorschreiben und Fördern von Energieoptimierungslösungen in Haushalten mit größeren Verbrauchern ein wichtiger Schritt sein, um die Energieeffizienz zu steigern und den Übergang zu nachhaltigeren Energiepraktiken zu beschleunigen.
Welche Rolle könnten Städte und Gemeinden spielen, um den Energiemarkt nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten?
Weißensteiner: Städte und Gemeinden, die oft eng mit den Bedürfnissen der Bürger und lokalen Gegebenheiten vertraut sind, können eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung nachhaltiger Energieinitiativen und der Erreichung der Klimaziele übernehmen. Sie können als Vorbilder fungieren und den Aufbau lokaler Energy Communities fördern, um die Dezentralität des Stromnetzes zu unterstützen. Durch die Schaffung von Anreizen für Bürger zur Errichtung von Solaranlagen und anderen dezentralen Energieerzeugungsprojekten können sie die Transformation hin zu einem nachhaltigeren Energiemarkt beschleunigen.
Wie könnte ein Energiemarkt aussehen, der effektiv zur Erreichung der Klimaziele beiträgt?
Weißensteiner: Ich denke, ein zukunftsfähiger Energiemarkt müsste sich stark auf die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Förderung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz konzentrieren. Dies würde ein ausgebautes Stromnetz, die Nutzung des bestehenden Gasnetzes für Wasserstoff oder Biomethan und die Implementierung innovativer Energiespeichertechnologien umfassen. Ebenso wichtig wären Förderungen von Energieeffizienzmaßnahmen in verschiedenen Sektoren und gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft unterstützen.
Können Sie Modelle für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen im Energiemarkt skizzieren?
Weißensteiner: Konstruktive Zusammenarbeit könnte durch Partnerschaften, in denen etablierte Unternehmen von den innovativen Ideen der Start-ups profitieren, gestärkt werden. Investitionen und Mentoring-Programme, Inkubatoren und Accelerators sowie gemeinsame Forschungsprojekte könnten ebenfalls entscheidende Rollen spielen. Etablierte Unternehmen sollten Start-ups dabei bei der Skalierung ihrer Produkte unterstützen und so eine Synergie zwischen neuen Ideen und etablierten Ressourcen schaffen.
Rückblickend auf die letzten Jahre, welche Lektionen denken Sie, können wir aus den bisherigen Erfahrungen in der Energiewende ziehen und wie könnten diese die Strategien für die Zukunft beeinflussen?
Weißensteiner: Aus den Erfahrungen der Energiewende lernen wir die Bedeutung eines robusten und flexiblen Stromnetzes, die Notwendigkeit einer langfristigen und stabilen Förderpolitik für Investitionssicherheit und die entscheidende Rolle von Fortschritten in Speichertechnologien. Die internationale Zusammenarbeit ist unerlässlich, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel effektiv anzugehen. Diese Erkenntnisse sollten zukünftige Strategien maßgeblich beeinflussen.
Mehr Informationen unter: www.stromee.de
Das Interview ist Teil einer Presseaussendung von stromee.