Heute steht die Ökologisierung der Energiewirtschaft im Mittelpunkt, motiviert durch das Erfordernis einer deutlichen Reduktion des CO2-Ausstoßes und die Endlichkeit fossiler Ressourcen. Bei der Stromerzeugung erfolgt ein Paradigmenwechsel hin zur Produktion aus regenerativen Energiequellen.
Europäisch harmonisierter Strommarkt
„Wenn wir uns die Stromversorgung in 50 Jahren vorstellen, müssen wir uns die Frage stellen, wie die Energieversorgung generell aussehen wird. Der weltweite Strommix wird aktuell zu 80% aus fossilen Quellen gewonnen und nur zu 14% aus erneuerbaren Energieträgern. Bis 2050 müssen wir dies umdrehen und dabei möglichst den Nuklear-Anteil auf null senken“, führte Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender von VERBUND, aus und ergänzte: „Der Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Endlichkeit der fossilen Energieträger lassen keine andere Wahl“.
„Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger macht vor allem dort Sinn, wo diese auch wirtschaftlich genutzt werden können, z. B. Solaranlagen im Sonnengürtel Europas und Wind an den küstennahmen Regionen des Kontinents. Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln beziffert das Effizienzpotenzial bei zielgerichteter Forcierung mit 174 Mrd. Euro bis 2020. Darum wird kein Weg an einem europäisch harmonisierten Strommarkt und einem funktionierenden CO2-Regime vorbeiführen“, so Anzengruber. „Marktseitig wird sich ein zukunftsfähiges Energiesystem nur etablieren, wenn nationalen Alleingängen bei Fördermaßnahmen und Markteingriffen Einhalt geboten wird“, ist Anzengruber überzeugt. „Unabgestimmte Subventionen für Erneuerbare Energien verteuern den Strompreis und verhindern derzeit noch Effizienzfortschritte“, so der Verbund-Chef.
Die Industrie stellt sich den Herausforderungen
„Betrachtet man die aktuellen globalen Trends, wird klar, dass der Aufbau einer modernen Strominfrastruktur in den Schwellenländern und die Weiterentwicklung zu Smart Grids in den Industrieländern essentielle Herausforderungen für die Industrie, aber auch für die Politik, darstellen“, skizzierte Franz Chalupecky, Vorstandsvorsitzender der ABB AG Österreich, die Lage der Energieindustrie. „Die Industrie stellt sich diesen Herausforderungen und entwickelt bzw. optimiert moderne Technologien, u.a. in Hinblick auf den Transport großer Elektrizitätsmengen bzw. die Einsparung elektrischer Energie im industriellen Bereich.“ Auch wenn die Industrie in diesem Bereich traditionell forschungsintensiv ist, sind noch weitere Anstrengungen in Richtung Forschung & Entwicklung erforderlich.
Konsequenzen der deutschen Energiewende
Prof. Jochen Kreusel, Vorsitzender der ETG im VDE, erläuterte die technischen Konsequenzen der deutschen Energiewende: „Mit ihrem Energiekonzept aus dem Herbst 2010 und dem anschließenden Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie hat die deutsche Bundesregierung den grundlegenden Wandel in der elektrischen Energieversorgung forciert. Die vorgesehene Entwicklung der zu installierenden Leistung erneuerbarer Energien verdeutlicht dies eindrucksvoll: Bereits heute übersteigt sie den elektrischen Bedarf in Schwachlastzeiten, im Jahr 2020 wird sie auch die Spitzenlast übertreffen, und im Jahr 2050, wenn die erneuerbaren Energien 80% der Last decken sollen, wird sie weit darüber liegen.“
Die hohen Anteile von Wind- und Sonnenenergie bringen fundamentale Neuerungen mit sich: „Zunächst sind vor allem Wasser- und Windenergie standortgebunden. Die Folge ist ein steigender Bedarf an Leistungs-Fernübertragung. Die zweite Veränderung ist der hohe Anteil dezentraler Einheiten, die künftig zur Regelung des Ausgleichs von Erzeugung und Verbrauch herangezogen werden müssen. Dies betrifft gleichermaßen dezentrale Einspeiser wie flexible Verbraucher. Zuletzt ist die Volatilität der neuen Quellen zu nennen. Diese Änderungen haben weitreichende Auswirkungen und erfordern grundsätzlich neue Lösungsansätze“, so Kreusel.
Energiepolitisches Umdenken in der Schweiz
In der Schweiz besteht der Strommix derzeit zu 55 % aus Wasserkraft und zu 40 % aus Kernkraft. Der Rest ist Strom aus kleinen thermischen Anlagen, v. a. aus der Müllverbrennung. Ein Beschluss der Landesregierung und des Parlaments sieht vor, die fünf bestehenden Kernkraftwerke zwischen 2020 und 2040 schrittweise abzuschalten. „Auch in der Schweiz soll der Atomstrom zukünftig durch Strom aus regenerativen Quellen ersetzt werden. Laut der Studie »Energiezukunft Schweiz« der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) ist dieses Szenario grundsätzlich umsetzbar. Allerdings nur, wenn Industrie und Politik am selben Strang ziehen. Auch die Bevölkerung ist betroffen, denn es ist ein energiepolitisches Umdenken gefordert“, führte Reto Nauli, Präsident der ETG von electrosuisse aus.
Hohe Versorgungssicherheit in Österreich weiterhin gewährleisten
OVE-Präsident Franz Hofbauer hob die hohe Versorgungssicherheit für Stromkunden in Österreich hervor, die europaweit an dritter Stelle liegt. Um diese hohe Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, sind bereits heute die richtigen Schritte zu setzen: „Das österreichische Hochspannungsnetz, aber auch die Verteilnetze müssen ausgebaut werden. Zur langfristigen Finanzierung wäre eine moderate Steigerung der Netztarife vorzunehmen. Weiters wäre eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren für den Netzausbau vonnöten. Durch die dargebotsabhängige Stromproduktion werden innovative Speichermöglichkeiten erforderlich, einerseits zentrale Speicherkraftwerke, andererseits aber auch dezentrale Speicher.
Energieeffizienz zählt
Schließlich gilt es aber auch, das Bewusstsein der Kunden im Umgang mit dem Strom in Hinblick auf Energieeffizienz – ohne Komfortverlust – zu schärfen. Energieberatung wird daher an Bedeutung gewinnen.
Gesellschaft, Politik, Industrie und Energiewirtschaft sind gefordert
Alle Sprecher waren einer Meinung: Ja, unsere Stromversorgung wird in 50 Jahren genauso sicher sein wie heute, sofern jetzt schon die entsprechenden realistischen Szenarien entwickelt werden, die es Gesellschaft, Politik, Industrie und Energiewirtschaft ermöglichen, einen Leitfaden für die Umsetzung einer bedarfsgerechten und sicheren Stromversorgung in den nächsten 50 Jahren zu erarbeiten. Einhelliger Tenor: Wir brauchen weniger Visionen und mehr Professionalität und Sachverstand!