Ein Kommentar von i-Magazin-Redakteur Oliver Kube zur UN-Klimakonferenz COP 27 vom 6. bis 18. November
Das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die menschengemachte globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius einzudämmen, ist kaum mehr einzuhalten. So heißt es zumindest im vorläufigen Bericht der WMO (Weltorganisation für Meteorologie) anlässlich der COP 27, die vom 6. bis 20. November in Ägypten stattgefunden hat. António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, bezeichnete den Kampf gegen den Klimawandel als „Kampf unseres Lebens“, den die Menschheit dabei sei zu verlieren. Doch wer kämpft diesen Kampf eigentlich? Die Teilnehmer der Klimakonferenz offenbar nicht. Ohne konkrete und verpflichtende Maßnahmen, die das Problem an der Wurzel packen, sind sämtliche Lippenbekenntnisse zu diesem oder jenem Klimaziel nichts weiter als Ramsch. Nur dass der nicht »billig« ist, sondern die Menschheit teuer zu stehen kommt. Die Staatengemeinschaft konnte sich nicht einmal auf eine Abkehr von der Öl- und Gasförderung einigen.
Klimagipfel als »Festival der fossilen Energien«
Das allerdings verwundert kaum angesichts der rund 630 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas, die für die COP 27 akkreditiert waren. NGOs kritisieren, dass die fossile Lobby damit zahlreicher vertreten war als jedes afrikanische Land einzeln sowie die Vertreter der aktuell am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zusammengenommen. Das ist, wie wenn zu einer Konferenz zur Verbrechensbekämpfung mehr Serienmörder eingeladen wären, als Vertreter von Opferverbänden und Experten für Gewaltprävention zusammen. Apropos »Cop«: Aktivisten und NGOs prangern außerdem an, dass der Klimagipfel in einem Polizeistaat stattfand, dessen Repressionsbehörden dafür bekannt sind, Demonstranten zu erschießen und Gefangene zu foltern. Schätzungen zufolge gibt es in Ägypten derzeit rund 60.000 politische Gefangene. Vielleicht war der Ort des Geschehens auch dem einen oder anderen Vertreter demokratischer Staaten gerade deshalb ganz recht: Immerhin hielt die ägyptische Repression Klimaaktivisten weitgehend fern, die beim grün angemalten »Festival der fossilen Energien« nur gestört hätten.
November 2022: schlechter Monat für Klima und Menschenrechte
Die Wahl des Austragungsortes erinnert an eine weitere internationale Großveranstaltung, die aufgrund massiver Menschenrechtsverletzungen des Gastgeberlandes in der Kritik steht: die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Die FIFA setzt sich nicht etwa für die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen vor Ort ein. Im Gegenteil, der Weltfußballverband ruft diejenigen zur Ordnung, die zumindest symbolisch ein Zeichen gegen Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung setzen wollen. Hier macht sich ein globaler und leider sehr mächtiger Sportverband zum Handlanger eines Regimes, das Frauen massiv unterdrückt, Homosexuelle hinrichtet und in den Vorbereitungen der WM tausende Arbeiter in den Tod getrieben hat.
Der November 2022 war ein schlechter Monat für Menschenrechte und Klimapolitik. Der umweltfreundlichste Klimagipfel ist und bleibt der, der gar nicht erst stattfindet – dann spart man sich immerhin die Emissionen für die Anreise der Teilnehmer aus aller Welt und das Papier für die Unterlagen.
Lichtblick EZB?
Die Europäische Zentralbank will gemäß ihrem Beschluss vom Sommer schrittweise ihre Bestände in Unternehmensanleihen dekarbonisieren, sprich: klimafreundliche Unternehmen bevorzugen. Die EZB kündigte an, ab dem ersten Quartal 2023 regelmäßig über die Fortschritte bei ihrer Ausrichtung auf die Pariser Klimaziele zu berichten. Ein wahrer Lichtblick in der Misere oder doch nur eine weitere Adventsnebelkerze? Das beleuchten wir in der kommenden Jänner-Ausgabe. So oder so: Wer dazu entschlossen ist, den von Guterres beschworenen »Kampf unseres Lebens« zu führen, darf sich nicht darauf verlassen, dass andere – ob Regierung oder Zentralbank – es schon für uns richten werden. Es braucht dafür uns alle, ob Handwerker oder Redakteur, ob Unternehmer, Angestellter oder Arbeiter, ob studiert, ausgebildet oder ungelernt. Packen wir’s an! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen – trotz alledem – fröhliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Oliver Kube
Redakteur fürs i-Magazin
und ecarandbike.com
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