Ein erstes Resümee der »Energiegemeinschaften-Konferenz 2024«:

„Unsere Smart Meter sind eine Tragödie“

von Thomas Buchbauer
von Thomas Buchbauer mit Unterstützung von KI-Tools Foto: © Screenshots der Konferenz

Sind Energiegemeinschaften der Weg zum Ziel, die Energiewende zu schaffen? Sie sind jedenfalls ein wertvoller Puzzlestein – darin waren sich die Teilnehmer der »Energiegemeinschaften-Konferenz 2024« in Wien offenkundig einig. Welche Themen noch vor uns liegen, beleuchteten unter anderem Bundesministerin Leonore Gewessler, Jessica Thomsen vom Fraunhofer-Institut, E-Control-Vorstand Alfons Haber und APG-Vorstand Gerhard Christiner im Rahmen eines Round-Table-Gesprächs. Sie betrachteten die Situation aus verschiedenen Sektoren der österreichischen Energielandschaft aber auch die Herausforderungen und Chancen, die sich auf dem Weg zu einer nachhaltigen und dezentralisierten Energiezukunft ergeben.

Die »Energiegemeinschaften-Konferenz 2024« hatte gleich zu Beginn einen höchst interessanten Tagesordnungspunkt: Der Veranstaltungstag startete mit einem Round Table-Gespräch, an dem Leonore Gewessler, Jessica Thomsen, Alfons Haber und Gerhard Christiner sich kein Blatt vor den Mund nahmen und ganz klar die Herausforderungen ansprachen, denen wir uns widmen müssen, um die Energiewende tatsächlich zeitgerecht umsetzen zu können.

Energiegemeinschaften können mehr

Über 1.000 Energiegemeinschaften in Österreich zeichnen ein klares Bild: Sie sind nicht nur ein europaweites Novum – ein Leuchtturmprojekt der heimischen Energiewirtschaft – sondern gelten mittlerweile auch als Beschleuniger der Digitalisierung und als Möglichkeit, den Ausbau der Netze in einem vernünftigen Tempo realisieren zu können. Der Zusammenschluss von Bürgern in einer Energiegemeinschaft hat jedoch nicht nur technische und wirtschaftliche Vorteile, sondern bietet darüber hinaus auch extrem wertvolle Sozialaspekte.

Umbau am offenen Herzen

Bundesministerin Leonore Gewessler eröffnete das Gespräch mit einer visionären Betrachtung des Wandels im Energiesektor: „Was wir da gerade machen, ist ein Energiesystem im laufenden Betrieb umzubauen. Das muss 24/7 funktionieren. Ein Umbau von einem System, das bisher ein paar große zentrale Erzeuger im Zentrum hat, die mehrere hunderttausend Haushalte beliefern, zu einem System, das dezentral, flexibel, erneuerbar und schlicht und ergreifend ganz anders funktioniert.“ Gewessler führte weiter aus, „und das Wunderschöne an den Energiegemeinschaften ist, dass wir einfach anfangen.“ Ihre Worte unterstrichen den innovativen Geist und die Entschlossenheit, die notwendig sind, um den Energiesektor zu transformieren. Mit Blick auf die Zukunft fügte sie hinzu: „Wir werden die großen Fragen auch noch lösen, indem wir sie Schritt für Schritt angehen.“ Die Ministerin hob schließlich noch hervor, dass die Energiegemeinschaften „Teilhabe und Partizipation“ ermöglichen und damit einen entscheidenden Beitrag zum Umbau des Systems leisten. Sie brachte auch das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz, kurz ELWG, zur Sprache, das kurz vor der Abstimmung im Parlament vorliegt und sich intensiv mit den Energiegemeinschaften auseinandersetzt. Gewessler spannte den Bogen aber noch weiter: „Wir werden auf europäischer Ebene Änderungen in der Strom-Binnenmarkt-Richtlinie verhandeln, damit es für größere Organisationen oder größere Unternehmen Optionen beim Teilen von Energie geben wird.“ Kurzum, für Leonore Gewessler sind die Energiegemeinschaften Treiber von Veränderungen und deswegen legt man laut ihrem Statement auch im Ministerium sehr viel Wert darauf, dass den Energiegemeinschaften ein breites Feld an Möglichkeiten geboten werden soll.

Daten als Schlüssel zum Erfolg

Alfons Haber nahm den Faden auf und sprach über die Rolle des ELWG und die Priorität, es endlich im Parlament zu verabschieden: „Wir brauchen es für die Investitionen in vielen Bereichen ganz dringend. Um vieles voranzutreiben, um unsere Aktivitäten auch für die Datenverfügbarkeit der Netzbetreiber, die Netzentwicklung und den Netzausbau zu gewährleisten.“ Apropos Daten: „Sie sind die Grundlage für das Funktionieren von den Energiegemeinschaften. Darauf kann vieles aufbauen.“ Der Vorstand der E-Control beleuchtete dabei die praktische Seite der Datennutzung: „Und dann, wenn die Datenverfügbarkeit gesichert ist, kann man auch neue Marktteilnehmer integrieren. Oder anders ausgedrückt: Neue Rollen werden wahrgenommen.“ Haber betonte aber auch die Bedeutung der sozialen Aspekte innerhalb der Gemeinschaften: „Sich auszutauschen, gegenseitig voneinander zu lernen und Erfahrungen zu teilen, um sich weiterzuentwickeln“, sind für Haber essenziell. Er schloss mit einer zukunftsorientierten Perspektive: „Ich sehe den großen Vorteil von Energiegemeinschaften auch darin, dass wir mehr Einblick in das gesamte System bekommen, eine größere Akzeptanz für Infrastruktur aufbauen können und letztlich auch erkennen, welche Anforderungen wir an die Netze bis hin zu Ersatzlieferanten noch stellen werden müssen.“

Brauchen intelligentere Smart-Mater!

In einem fließenden Übergang stellte Gerhard Christiner, technischer Vorstand der Austrian Power Grid AG, die Frage in den Raum: „Wie können Energiegemeinschaften einen Beitrag für das Gesamtsystem leisten, um das System in Summe funktionaler zu machen?“ Christiner, der sich für Fairness zwischen Kunden und Netzbetreibern aussprach, sieht neben dem Ausbau des Stromnetzes vor allem eines: „Wir brauchen ein wesentlich stärker digitalisiertes Netz. Daran müssen wir intensiver arbeiten! In diesem Punkt liegen aus meiner Sicht die größten Defizite vor.“ Christiner lässt in diesem Zusammenhang mit einer Kritik aufhorchen: „Um die Digitalisierung letztendlich zu realisieren, sind wesentlich intelligentere Smart Meter nötig“, so der APG-Vorstand, der die aktuell eingesetzten Geräte aus technischer Sicht als »Tragödie« bezeichnet. Er zeichnet dahingehend folgendes Bild: „Mein Verständnis einer Energiegemeinschaft wäre, dass sie so zeitnah wie möglich Daten bekommen und diese Energiegemeinschaft so managen, dass sie wirklich auch Erzeugung und Last zueinander bringen.“ Wie lösen wir diese Defizite gemeinsam? Wie bringen wir das System voran? Fragen, zu denen Christiner klare Vorstellungen hat: „Der Netzausbau ist für mich die Pflichtübung. Aber die Kür und das wirklich Interessante ist, dieses System so intelligent zu machen, damit jeder Haushalt wirklich Freude hat, an der Energiewende zu partizipieren, mitzuwirken und am Erfolg des Systems beizutragen. Das ist mein Zugang.“

Die Zukunft der Energiegemeinschaften

Als Expertin für solare Energiesysteme brachte Jessica Thomsen vom Fraunhofer-Institut eine internationale Perspektive in die Gesprächsrunde ein und erläuterte die Unterschiede zwischen den regulatorischen Rahmenbedingungen in Österreich und Deutschland. „Es ist einfach so, dass es in Deutschland gesetzlich aktuell nicht möglich ist, Energiegemeinschaften im österreichischen Sinne zu bilden.“ Thomsen beleuchtete auch die Einflüsse anderer Teilnehmer in einem System, in dem Energiegemeinschaften eine wichtige Rolle spielen: „Es wäre wichtig, dass man nicht nur schaut, dass man die PV-Erzeugung auf der lokalen Ebene ausgleicht, sondern wenn ich ein System habe, in dem viel Windenergie zur Verfügung steht, dass man das als zeitliches Signal immer so ein bisschen im Blick behalten muss. Weil diese Stromüberschüsse ja auch vorhanden sind und damit auch abgefedert werden müssen.“

Thomsen fehlt in der Diskussion um die Energiegemeinschaften der Blick darauf, welche Rolle der Energieversorger als Reststromlieferant am Ende hat: „… Um sich da nicht irgendwann auseinander zu leben“, gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Denn das Ziel einer Energiegemeinschaft ist es nicht, sich vom Energieversorger abzukoppeln: „Weil schlussendlich möchte ich ja dann – wenn in der Energiegemeinschaft gerade kein Strom aus Eigenproduktion zur Verfügung steht – trotzdem noch die Möglichkeit haben, die Wäsche zu waschen. Also ich zumindest hätte das gern“, führt Thomsen dem Publikum mit einem plakativen Beispiel vor Augen, dass es weiterhin ein Miteinander geben muss. Als deutsche Expertin hat Thomsen nicht nur die fachliche Expertise, sondern auch den Blick von außen auf das österreichische Modell der Energiegemeinschaften – sie betont in diesem Zusammenhang: „Meiner Meinung nach sind Energiegemeinschaften im Hinblick auf das, was ich an Wirksamkeit, an Begeisterung und auch an Umsetzung vor Ort schaffe, einfach ein Erfolgsmodell.“

Worüber an den Wirtshaustischen gesprochen werden soll

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Ministerin Leonore Gewessler abschließend: „Ich sehe den Hauptauftrag des Ministeriums darin, die Begeisterung, die in der Bevölkerung zu den Energiegemeinschaften herrscht, vor allem gesetzgeberisch zu unterstützen. Ich mach’s jetzt mal plakativ: Wenn an Österreichs Wirtshaustischen nicht mehr an erster Linie drüber geredet wird, wieviel PS das Auto hat, das man fährt, sondern darüber, wieviel Strom die PV-Anlage am Dach des Eigenheimes gerade produziert, dann sind wir am richtigen Weg. Wir werden uns weiter bemühen, dass wir den Energiegemeinschaften möglichst viele Steine aus dem Weg räumen und das System gemeinsam gut und fair entwickeln.“

Fazit

Die Diskussion verdeutlichte, dass die Transformation des Energiesystems eine gemeinsame Anstrengung erfordert, die über einzelne Initiativen hinausgeht. Die Beiträge der Teilnehmer spiegelten ein tiefes Verständnis der Komplexität des Themas wider und unterstrichen die Notwendigkeit einer integrierten Herangehensweise, die technologische Innovation, regulatorische Anpassungen und die aktive Teilnahme der Bürger umfasst. Die Energiegemeinschaften, so das Fazit der Runde, stehen im Zentrum dieser Transformation, symbolisieren sie doch den Wandel hin zu einem partizipativeren, gerechteren und nachhaltigeren Energiesystem.

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