Vergangene Woche lud TÜV Süd in Österreich zu einem Wasserstoffgipfel. Im Fokus der Veranstaltung stand das Zukunftspotenzial von Wasserstoff für eine nachhaltige Energiewirtschaft, Technologien rund um Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen, deren Bedeutung für den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich, die Österreichische Wasserstoffstrategie sowie sicherheitstechnische Aspekte. Eine entscheidende Eigenschaft des Elements ist seine Fähigkeit, Energie aus volatilen Quellen langfristig zu speichern. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe TÜV Süd Impulse statt, einem monatlichen virtuellen Austausch von Expertinnen und Experten zu Zukunftsthemen aus den Bereichen Sicherheit, Technik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Durch die Veranstaltung mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern führten Dipl.-Ing. Viktor Metz, Geschäftsführer von TÜV Süd in Österreich, und Moderatorin Dr. Gudrun Ghezzo.
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union verfolgen das Ziel, ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 60 % zu verringern. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein – Österreich sogar bereits im Jahr 2040. Die Nutzung von grünem Wasserstoff spielt bei der Erreichung dieses Ziels und bei der Energiewende in Europa eine zentrale Rolle. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Wasserstoff in ausreichenden Mengen zu wirtschaftlich sinnvollen Preisen zur Verfügung steht und höchste technische Sicherheit während des gesamten Wertschöpfungskreislaufes gewährleistet ist.
In seiner Keynote zur Österreichischen Wasserstoffstrategie gab Mag. Jürgen Streitner, Leiter der Abteilung VI/2 – Grundsatzfragen der Energiewende und Sektorkopplung im Umweltministerium Einblicke in aktuelle Entwicklungen. „Erneuerbarer Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen, um Klimaneutralität 2040 zu erreichen. Aktuell liegt der Wasserstoffverbrauch in Österreich bei 4,6 TWh. In einem klimaneutralen Österreich wird der Bedarf in der Industrie enorm steigen, teilweise auch im Schwerverkehr. Im Lichte dessen muss auch die Gasinfrastruktur neu gedacht werden“, gab Streitner zu bedenken. „Klar ist, dass weitere Forschungs- und Entwicklungsimpulse notwendig sind, damit Österreich künftig auch in diesem Gebiet ökonomisch erfolgreich ist. Es gilt nun, in Österreich und Europa den Aufbau von Wertschöpfungsketten bei Wasserstoff voranzutreiben und die entsprechenden regulatorischen Maßnahmen zu setzen.“
Podiumsdiskussion zu Perspektiven von Wasserstoff in Österreich
Im Anschluss an die Keynote wurden in Expertenrunde konkrete Anwendungsbeispiele, Forschungsaktivitäten, rechtliche, gesellschaftliche und sicherheitstechnische Herausforderungen sowie Zukunftsvisionen rund ums Thema diskutiert. Dr. Horst Steinmüller, Obmann und Geschäftsführer des Vereins Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas (WIVA P&G), berichtete zu aktuellen Aktivitäten: „Um die Nutzung von Wasserstoff in Österreich zu fördern, legen wir als WIVA P&G einen starken Fokus auf Kooperationen mit Industriebetrieben und Experten – für den Sicherheitsbereich etwa mit TÜV Süd. Österreichweit wurden in den letzten Jahren bereits über 30 innovative Wasserstoffprojekte realisiert, mehr als 15 Projekte befinden sich in der Vorzeigeregion aktuell in Umsetzung.“
Sicherheitsspezialist Dr. Robert Hermann, Geschäftsbereichsleiter Umwelttechnik & Klimaschutz bei TÜV Süd, ergänzte: „Vom technologischen Standpunkt ist die Nutzung von grünem Wasserstoff als Energieträger bereits weit ausgereift. Wesentlich für den sicheren Einsatz sind regelmäßige Überprüfungen, Wartungen sowie die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Spezialist für Industrie, Mobilität und Zertifizierung gewährleistet TÜV Süd höchste Sicherheitsstandards als wesentliche Voraussetzung zum Ausbau der Nutzung von Wasserstoff in Österreich. Wir investieren dazu laufend in den Ausbau unserer Services und erweitern aktuell unser Expertenteam. Wir sind zudem aktuell die einzige Organisation in Österreich, die grünen Wasserstoff nach zwei unterschiedlichen Standards – TÜV Süd und CertifHy – zertifizieren kann.“
Ein Beispiel dafür, was der TÜV Süd leisten kann, ist die sicherheitstechnische Abnahme mobiler Wasserstofftankstellen. Für die Wasserstofftriebfahrzeuge der ÖBB ist die erste mobile solcher Tankstellen im Einsatz. Dipl.-Ing. Ludwig Bertram von der ÖBB Holding AG erklärte: „Die ÖBB, als Österreichs größtes Klimaschutzunternehmen, nutzen schon jetzt Bahnstrom aus erneuerbarer Energie für über 90% der Schienenmobilität. Auf dem Weg zur Klimaneutralität der ÖBB-Mobilität stehen die ÖBB allen neuen Technologien und Innovationen offen gegenüber und prüfen deren Einsatzmöglichkeiten. Die Wasserstofftechnologie sehen die ÖBB in jenen Bereichen geeignet, wo technisch und wirtschaftlich keine Alternativen genutzt werden können, wobei hier der Einsatz von grünem Wasserstoff vorausgesetzt wird.“
Wasserstoff zur Optimierung des erneuerbaren Energiesystems
Ein wesentlicher Vorteil von Wasserstoff ist seine Fähigkeit zur Speicherung von Energie – insbesondere in einem Land wie Österreich, welches im Energieportfolio bereits jetzt zu einem hohen Anteil auf erneuerbare Energiequellen setzt. „Wasserstoff ist ein zentraler Baustein für ein erneuerbares Energiesystem. Einerseits als Speichermechanismus für saisonale Schwankungen und andererseits als Energieträger für Import und Export“, unterstrich Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger, Head of Global Fuel Cell Competence Team von der AVL List GmbH.
Dipl.-Ing. Alexander Trattner, CEO und Research Director der HyCentA Research GmbH, führte dazu aus: „Wasserstoff stellt die Schlüsseltechnologie für den Ausbau erneuerbarer Energien dar. Aufgrund der schwankenden Verfügbarkeit von Wind, Sonne und Wasser werden Energiespeicher zur Deckung der zeitlichen und örtlichen Lücken benötigt. Wasserstoff deckt dabei die Langzeitkomponente – Energie wird vom Sommer in den Winter transferiert – ab. Damit ist grüner Wasserstoff ein sauberer Alleskönner, bietet Aussicht auf eine gesunde und lebenswerte Umwelt für spätere Generationen sowie die wirtschaftliche Chance auf innovatives Know-how wie auch Forschungs- und Technologieführerschaft.“
Wasserstoff in der Industrie: Eisen- und Stahlerzeugung im Fokus
Um ambitionierte Klimaziele zu erreichen, hat die Nutzung von Wasserstoff auch im industriellen Bereich hohes Zukunftspotenzial. Vor allem Hochofenprozesse bei der Erzeugung von Eisen und Stahl sind energieintensiv. Energie aus Wasserstoff kann auch hier wesentliche Beiträge leisten, um bis 2040 Klimaneutralität in Österreich zu erreichen. Dr. Axel Sormann, Senior Expert Eisen- und Stahlerzeugung bei der K1-MET GmbH, sieht in der wirtschaftlichen Verfügbarkeit entsprechender Mengen an Wasserstoff einen kritischen Erfolgsfaktor: „Wir entwickeln heute Technologien für die Anwendung von Wasserstoff bei der Stahlherstellung, denn nur so können die Klimaziele erreicht werden. Der Einsatz von Wasserstoff bei der Stahlherstellung hängt aber vor allem von der wirtschaftlichen Verfügbarkeit im großen Maßstab ab. Es braucht also, nicht nur in Österreich, eine komplette Systemänderung, wenn die Transformation gelingen soll, da die Unternehmen im globalen Wettbewerb stehen. Das gilt auch für die anderen Industriesektoren.“
Die Verbund AG, in personam deren Hydrogen Technologist Dipl.-Ing. Robert Paulnsteiner, gab einen Einblick in die Praxis:„Wir haben 2017 gemeinsam mit unseren Partnern mit der Planung und Errichtung eines 6-MW-PEM-Elektrolyseurs am Standort der Voestalpine in Linz begonnen; im März 2020 konnte der Demonstrationsbetrieb mit zahlreichen Versuchsreihen gestartet werden. Aktuell befindet sich die Anlage bereits im quasi-kommerziellen Betrieb und nimmt am Regelenergiemarkt teil. Die gewonnenen Projektdaten belegen eine hohe Betriebsstabilität, eine hohe Qualität des Wasserstoffs sowie eine hohe Verlässlichkeit der Technologie bei Lastwechselsprüngen.“