Frank Stührenberg, CEO von Phoenix Contact, anlässlich des 100-Jahre-Firmenjubiläums:

„Wir machen die Welt elektrisch“

von Jasmin Fuerbach
von Thomas Buchbauer Foto: © Phoenix Contact GmbH & Co. K

„Wir haben eine klare Verantwortung der nächsten Generation gegenüber zu tragen. Deswegen bekennen wir uns auch zur Mitgestaltung einer nachhaltigen Welt und betrachten gleichzeitig die Energiewende als Wachstumstreiber“, unterstrich Frank Stührenberg, CEO von Phoenix Contact, anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums vor dem i-Magazin-Mikro. Dass es das Familienunternehmen damit ernst meint, zeigt zum einen die klare Ausrichtung des Produktsortiments in Richtung Energie- und Mobilitätswende und zum anderen Projekte wie die Errichtung des »All Electric Society Parks« am Stammsitz in Blomberg.

Thomas Lutzky, Geschäftsführer von Phoenix Contact in Österreich, betonte, dass wir die Anstrengungen für den Klimaschutz wesentlich verstärken müssen, wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen. (Foto: Phoenix Contact GmbH & Co. KG)

Thomas Lutzky führte uns anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums von Phoenix Contact mit dem aktuellen Bericht des Weltklimarates gleich zu Beginn der Veranstaltung vor Augen, dass weltweiter Handlungsbedarf herrscht: „Der Bericht bringt eindeutig zum Ausdruck: Wenn wir das 1,5°C- oder auch das 2°C-Ziel noch erreichen wollen, dann müssen wir die Anstrengungen für den Klimaschutz wesentlich verstärken.“ Der Österreich-Geschäftsführer von Phoenix Contact macht aber auch klar, dass wir uns zusätzlich der Energie-Versorgungssicherheit widmen müssen: „Wir haben auch schmerzhaft erfahren müssen, wie groß unsere Energieabhängigkeit in einzelnen Bereichen ist.“ Ergänzend führt er die EU-Gesetzgebung an, wie die künftig verpflichtende Erfüllung der ESG-Kriterien (Environment Social Governance – eine jährliche Offenlegung zur Beurteilung von Nachhaltigkeits- und Ethikstandards eines Unternehmens). „Alle diese Themen erfordern Antworten.“, damit leitete Lutzky auf die Rede von Frank Stührenberg, CEO Phoenix Contact, über.

Weiterhin durch und durch ein Familienunternehmen

Stührenberg, der bereits seit 1992 bei Phoenix Contact tätig ist, kann auf eine erfolgreiche Karriere in einem der deutschen Parade-Familienunternehmen der Elektrobranche zurückblicken. Nachdem er 1995 das Key-Account-Management und 1998 den Vertrieb in Deutschland übernommen hatte, wurde er 2001 in die Geschäftsführung berufen. Seit 1.1.2015 ist Frank Stührenberg nun CEO und damit Vorsitzender der Geschäftsführung von Phoenix Contact – einem Unternehmen, dessen erstes vollkommen abgeschlossenes Geschäftsjahr mit 1923 datiert ist.

Nicht erst 100 Jahre später weiß Stührenberg um die Dringlichkeit, das Unternehmen gemäß den aktuellen Bedingungen auszurichten. Schließlich gilt Phoenix Contact seit jeher als deutsches Vorzeigeunternehmen, das vom ersten Tag bis heute zu 100 % im Familienbesitz, stets organisch gewachsen, aus heutiger Sicht global tätig ist und das mit Lösungen für die Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung den Innovationsgrad einer ganzen Branche entscheidend mitbestimmt hat.

Stührenberg nennt es »Familien-Attitüde«, wenn er davon spricht, wie die Eigentümer immer Wert darauf gelegt haben, niemals zu viel Risiko zu nehmen. Mit dem Satz: „Die erwirtschafteten Gewinne wurden allerdings auch immer dem Wachstum zur Verfügung gestellt, wodurch das Unternehmen auch heute noch zu 100 % eigenfinanziert ist“, lässt er durchblicken, wie die Expansion Jahr für Jahr finanzierbar war.

Extremes Wachstum

Bis vor acht Jahren wurde das Unternehmen stets von einem der Gesellschafter geführt – Frank Stührenberg ist der erste CEO in der Geschichte von Phoenix Contact, der nicht aus der Gesellschafterriege stammt. Es machte sich bezahlt. Denn mit ihm an der Spitze wuchs Phoenix Contact zu einem »wirklich großen, konzernähnlichen Unternehmen« und blieb trotzdem – auch gefühlt – ein Familienunternehmen, wie Stührenberg es vor dem i-Magazin-Mikro ausdrückte. Dass er damit nicht übertreibt, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen: Mit über 22.000 Mitarbeitern in 54 Vertriebsgesellschaften und 11 Produktionsstätten weltweit erwirtschaftete man im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro. „Alleine in den letzten beiden Jahren haben wir ein Wachstum von 1,2 Milliarden Euro erzielt“, fasst Stührenberg die Erfolgsstory in Zahlen, relativiert sie aber im Nachsatz: „So ein extremes Wachstum erschöpft ein Unternehmen, aber natürlich auch die Mitarbeiter. Vergleicht man die Entwicklung mit einem Radrennen, so würde ich sagen, dass wir es nach einer Bergwertung in den Beinen spüren. Wir mussten im vollen Lauf sämtliche Kapazitäten aufziehen. Büro-, Fertigungs- und Logistik wurden im Schnelltempo dafür errichtet – und auch hier wieder alles eigenfinanziert. Wie wir damit umgegangen sind, zeigt auch unseren Partnern, dass Phoenix Contact ein Unternehmen ist, das über 100 Jahre eine Resilienz entwickelt hat, auch diese Herausforderungen zu meistern.“

In den Jahren seit Beginn der Pandemie investierte Phoenix Contact rund 500 Mio. Euro in Kapazitätserweiterungen, Ausstattung und Digitalisierung. Darüber hinaus wurden seit dem Jahr 2020 über 4.000 zusätzliche Mitarbeiter ins Unternehmen geholt. Stührenberg dazu: „Sie können sich vorstellen, dass es nicht leicht ist, eine Firmenkultur eines Unternehmens, das bis vor Kurzem noch inhabergeführt war, einer derartig großen Zahl an neuen Mitarbeitern näherzubringen. Wenn uns allerdings etwas im Wachstum einbremsen könnte, dann der Bedarf an weiteren qualifizierten Arbeitskräften – das ist der Risikofaktor schlechthin. Deswegen haben wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Ausbildung gesetzt und derzeit so viele Studenten in der dualen Ausbildung wie noch nie in der Unternehmensgeschichte.“

Nachhaltigkeit als Schlüssel für weiteres Wachstum

Sichtlich Freude bereitet Stührenberg die Tatsache, dass Phoenix Contact in allen Weltregionen, Schlüsselmärkten und über alle Produktbereiche gleichmäßig gewachsen ist: „Alleine in Deutschland, wo wir rund 750 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften, sind wir mit 18 % gewachsen. In einem derart reifen Markt so deutlich zu wachsen, ist außergewöhnlich. Dass es dazu kam, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass wir unser Geschäftsmodell in anderen Bereichen entwickeln konnten – so auch in der Elektromobilität.“ Für Stührenberg und Phoenix Contact ist die Elektromobilität aber nur ein Puzzlestein von vielen, wie man es schaffen will, das Unternehmen den aktuellen Gegebenheiten entsprechend auszurichten und gleichzeitig weiter wachsen zu können. Er wählt dabei den Überbegriff »Nachhaltigkeit« und konkretisiert die Ausrichtung der nächsten Dekade mit dem Vorsatz, eine nachhaltigere Welt gestalten zu wollen. „Nachdem wir uns gefragt haben, welche Teile einer nachhaltigeren Welt wir gestalten können, war schnell klar, dass wir uns mit der Energieerzeugung, dem effizienterem -verbrauch, der -verteilung und der Automatisierung beschäftigen werden. Wir müssen weltweit daran arbeiten, wie wir künftig noch mehr Energie erzeugen können. Denn Energieeinsatz ist die Voraussetzung für Wachstum und Wachstum ist die Voraussetzung von Wohlstandsentwicklung“, bringt Stührenberg seine Sicht der Dinge auf den Punkt. Er gibt allerdings auch zu bedenken, dass für Mitteleuropa andere Kriterien gelten: „Wir hier in Europa müssen auch über Effizienz und Veränderung nachdenken. Aber es gibt sehr wohl Regionen auf dieser Erde – wie etwa in Asien und Afrika – denen wir das Bedürfnis nach Wohlstand nicht nehmen können. Deswegen müssen wir den fossilen Anteil reduzieren und wesentlich mehr erneuerbare Energie erzeugen, sie mittels intelligenter Verteilung und Speicherung verfügbar machen und so wenig Ressourcen wie möglich verbrauchen. Phoenix Contact wird sich darauf konzentrieren, die Erzeugung von erneuerbarer Energie mit allem, was es einfacher, schneller und kostengünstiger macht, zu unterstützen. Wir arbeiten an »Netzintelligenz«, an Speichermöglichkeiten und stellen Produkte und Systeme her, die Lösungen dieser Art ressourceneffizienter machen.“ Als zwei der vielen Projekte dieser Art nannte Stührenberg eine Zusammenarbeit mit Enercon zur Automatisierung von Windparks oder auch eine Kooperation mit dem australischen Unternehmen Endua das mit Hilfe von »Powerbanks« grünen Wasserstoff unter Zuhilfenahme einer PV-Anlage und eines Elektrolyseverfahrens in Containerform – und damit skalierbar – herstellt.

Die Energie- und Mobilitätswende als Wachstumstreiber

Auf der Hannover Messe zeigte Phoenix Contact unter anderem den ersten ungekühlten DC-Ladestecker, mit dem sich Elektrofahrzeuge mit bis zu 375 A laden lassen. Besonders interessant erachtet Stührenberg den Ausbau der Netze – vor allem ein Punkt fasziniert ihn in diesem Zusammenhang besonders: „Es gibt Berechnungen, wonach wir bei einer Umstellung der Energienetze für eine 100%ige Nutzung von vollständig erzeugter erneuerbarer Energie rund 16 Millionen Kilometer neue Energienetze brauchen werden. Dies entspricht rund 20 Prozent des heutigen, weltweiten Energienetzes. Das sind bis zum Jahr 2030 rund 20 % zusätzliche Leitungslängen, die in den letzten 120 Jahren entstanden sind. Dazu brauchen wir aber auch 5,5 Mio. neue Schaltschränke samt Steuerungen. Würden man diese mit den bisher üblichen Technologien errichten, würden wir hochgerechnet jedoch bis zum Jahr 2040 brauchen. Deswegen müssen wir die Arbeitsprozesse im Schaltschrankbau dynamisieren und dazu zählt nun einmal auch das Potenzial im Bereich der Verbindungstechnik, in der Phoenix Contact seit jeher tätig ist, weiter zu verbessern. Deswegen lautet unser Rückschluss: Die Reihenklemme wird weiter ein wichtiger Innovationträger unseres Unternehmens sein – das ist ganz klar“, konkretisiert Stührenberg.

Ausblick auf das Jahr 2023

Für das Geschäftsjahr 2023 sieht Stührenberg eine Konsolidierung: „Es muss sich einfach abkühlen – wir rechnen mit einem Wachstum von 6 %. Schließlich würden wir diesen Boom auch nicht beliebig lange aushalten. Aber wir gehen davon aus, dass Phoenix Contact sich innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einem 5-Milliarden-Euro-Umsatz-Unternehmen entwickeln wird. Dazu werden wir bis 2027 in Summe 2 Milliarden Euro für Investitionen einsetzen.“ Für eine Summe von rund 100 Mio. Euro wird gerade das Distributionscenter in Deutschland kapazitätsmäßig verdoppelt. Das Unternehmen baut aktuell auch gerade eine Fabrik in China für E-Mobility: „Würden wir das nicht tun, wären wir aus dem chinesischen Markt draußen. Das lassen wir aber nicht zu“, gibt sich Stührenberg kämpferisch.

Aufruf, Nachhaltigkeitsprojekte einzureichen

Nach dem Motto »100 Jahre – 100 Projekte« sind anlässlich der 180 Veranstaltungen, die weltweit zur 100-Jahre-Feierlichkeiten stattfinden, Mitarbeiter aufgerufen, Nachhaltigkeitsprojekte zu gestalten. Eines dieser Projekte entsteht gerade am Stammsitz in Blomberg – mit dem sogenannten »All Electric Society Park« errichtet Phoenix Contact aktuell ein Projekt, mit dem man demonstrieren will, wie die Umsetzung von Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung im Vollbetrieb realisierbar ist. „Wir machen das letztendlich auch, um die Diskussion um die große Energie- und Ressourcentransformation, die uns gerade bevorsteht, nicht negativ abdriften zu lassen. Es wird nicht alles »sehr dunkel, sehr kalt, sehr …«. Im Gegenteil, ich sehe eine lebenswerte Welt, auf die wir zusteuern. Eine, in der es eine Balance von Wohlstand, Wachstum und Nachhaltigkeit geben wird“, gibt uns Stührenberg einen Einblick in die Zukunft, wie er sie sieht.

Soziale Verantwortung wahrnehmen

Dass man bei Phoenix Contact auch die soziale Komponente ernst nimmt, zeigt, dass das Unternehmen nur acht Wochen, nachdem der russische Überfall auf die Ukraine begonnen hatte, sämtliche Aktivitäten in Russland eingestellt hatte: „So eine Entscheidung fällt nicht leicht – aber Entschlüsse wie diese zeichnen ein Familienunternehmen eben auch aus“, so Frank Stührenberg vor unserem Mikro abschließend.

Weitere Informationen auf www.phoenixcontact.com und www.i-magazin.com

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